Wasserknappheit in Ostbrandenburg - Landkreis genehmigt Brunnen für Rechenzentrum trotz Veto des Versorgers

Di 29.08.23 | 11:52 Uhr | Von Philip Barnstorf
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Glasfaserkabel in einem Rechenzentrum. Quelle: dpa/ Matthias Blank
Audio: Antenne Brandenburg | 28.08.2023 | Philip Barnstorf | Bild: dpa/ Matthias Blank

Der Streit ums Wasser in Ostbrandenburg geht weiter. Der regionale Wasserversorger blockiert neue Bauprojekte, weil ihm angeblich Wasser fehlt. Der Landkreis Märkisch-Oderland genehmigt deshalb jetzt selbst einen Brunnen. Von Philip Barnstorf

Die Gemeinde Neuenhagen sucht schon länger einen Investor für rund 40 Hektar Industriegebiet an der Altlandsberger Chaussee. Vor etwa zwei Jahren interessierte sich Google für den Standort. Aber dann winkten die Amerikaner ab, weil der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) dem Projekt nicht zustimmte. Jetzt steht ein neuer Investor auf der Matte: Die Terra Project Holding aus Berlin will an dem Standort nach eigenen Angaben ein Rechenzentrum bauen.

Neuenhagener Bürgermeister beschwert sich über WSE

Das Unternehmen wollte sich gegenüber dem rbb bisher nicht zu dem Projekt äußern. Aber die Gemeinde erarbeitet schon einen entsprechenden Bebauungsplan und hat dabei abermals beim WSE um Wasser für das Projekt gebeten - vergeblich. "Der WSE hat die Versorgung abgelehnt, obwohl am Grundstück eine Trinkwasserleitung anliegt", schreibt Bürgermeister Ansgar Scharnke (parteilos) dem rbb. Weiter heißt es in der E-Mail: "Jede Gemeinde im Verbandsgebiet, die sich entwickeln will, hat Handlungsbedarf, wenn der Wasserverband seiner Aufgabe zur Versorgung mit Trinkwasser nicht mehr nachkommt."

Brauchwasserbrunnen vom Kreis genehmigt

Also wandte sich die Gemeinde an den Landkreis Märkisch-Oderland. Der kann zwar - abgesehen von einigen Ausnahmefällen - keine Trinkwasserförderung erlauben, aber er kann immerhin Brunnen für weniger sauberes Brauchwasser genehmigen. Der Landkreis erlaubte also der Terra Holding GmbH am 17. August, einen Brauchwasserbrunnen zu bohren. Wenn der fertig ist, darf der Investor täglich knapp 42 Kubikmeter Wasser aus der Erde pumpen. Das entspricht in etwa dem Tagesverbrauch von 300 Menschen.

Umweltschützer befürchten schwerwiegende Folgen

Umweltschützer befürchten deshalb Schäden für Mensch und Natur. "Jegliche Wasserentnahme in einem schon übernutzten Gebiet ist nicht genehmigungsfähig", sagt Michael Ganschow von der Grünen Liga. "Das Absinken des Grundwassers führt zu großen Versorgungsproblemen."

Der Landkreis hingegen verteidigt seine Brunnengenehmigung für das Rechenzentrum. "Mit den Bescheiden, die wir momentan erlassen haben, bewegen wir uns in einem völlig unproblematischen Bereich", sagt Gregor Beyer vom Umweltamt Märkisch-Oderland. Allerdings fügt er an: "Ich sehe aber weiterhin wachsende Bedarfe und klimatische Veränderungen. Wir werden uns unterhalten müssen, denn die Lage wird nicht einfacher werden."

Abwahlantrag gegen WSE-Chef und Vize

Aber selbst wenn in dem geplanten Rechenzentrum vor allem Computer arbeiten sollen - ganz ohne Trinkwasser-Anschluss dürfte es nicht gehen. Wo der herkommen soll, ist derzeit offen, denn der WSE blockiert nach wie vor alle neuen Bauprojekte, darunter ein Gewerbegebiet in Vogelsdorf und eine Schule in Hoppegarten. Mehrere regionale Bürgermeister haben deshalb einen Abwahlantrag gegen WSE-Chef André Bähler und dessen Stellvertreter gestellt.

Einer von ihnen ist Ansgar Scharnke aus Neuenhagen. Neben dem Rechenzentrum geht es ihm nach eigener Aussage auch um "Flächen für Wohnen, Einzelhandel und perspektivisch Schul- und Kitastandorte", die durch die Blockade-Haltung des WSE gefährdet seien. Es sei kommunale Pflichtaufgabe des WSE den Anschluszwang zu erfüllen. "Dem wird der WSE eigenmächtig seit März 2022 nicht mehr gerecht." Statt den Neubau eines Wasser- und eines Klärwerks voranzutreiben, suche der WSE alle Verantwortung beim Land.

Der WSE war am Dienstag zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. In den vergangenen Monaten hatte der Verband immer wieder betont, dass ihm gerade während trockener und heißer Sommermonate Wasser fehle. Wiederholt hatte der WSE vom Land gefordert, mehr Wasserförderung in den Brunnenanlagen des Verbands zu erlauben.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.08.2023, 11:00 Uhr

Beitrag von Philip Barnstorf

41 Kommentare

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  1. 41.

    In München hat man lange gestritten. Das schätze ich sehr. Besonders dann, wenn nicht bornierte Kompromisse gefunden werden und auch Experten in Standortfragen einen anderen Wert haben als in Brandenburg, dass aus Bayern Geld beansprucht um es zu „versenken“?

    P.S. Eine bayrische Erfolgsgeschichte klein zu reden, um die brandenburger Fehlentscheidungen, seit 34 Jahren, zu beschönigen, ist nicht der Weg um es besser zu machen. Auch bei Ihnen erkennt man: Es ist die grundsätzliche Einstellung.

  2. 40.

    Die gute Bahnanbindung des Münchner Flughafens ist legendär, genauso wie jede Ignoranz für Naturschutz beim Bau eben dieses Flughafens. Gerade die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, aber der scheint Sie nur wenns passt zu interessieren....

  3. 39.

    Sie sollten mal überlegen, wie sich unser Lebensstil finanziert.

    Von Landerfinanzausgleich lebt es sich wohl ganz gut?

  4. 38.

    Ihre Aussage findet man beim DWD nicht. Schon allein, weil der DWD die Vegetation nicht beachtet.

    Können Sie eine Quelle liefern?

  5. 37.

    Die Wähler haben auch bei der letzten Landrats-Wahl Standortentscheidungen einschl. der Industrieansiedlung direkt an bestehender Bahnstrecke honoriert. Der Flughafen von Berlin in 12529 Schönefeld liegt anders als der in 85356 München sogar in einem anderen Bundesland.

  6. 36.

    Wenn Herr Bähler das erkannt hätte, warum hat der WSE dann zusätzliche Wasserrechte beantragt? Zudem ist ja kürzlich bekannt geworden, dass in Bälde der WSE auch Probleme bei der Abwasserentsorgung bekommen könnte, sich Herr Bähler aber auch bei der dem Verband übertragenen hoheitlichen Aufgabe auf andere zeigend zurück gelehnt hat.

  7. 35.

    Siegt jetzt die Vernunft?

    Wenn ein Biologe aus Dresden jetzt erkennt, dass u. a. ein Waldumbau erfolgen sollte.
    Dann sage ich, als erstes einen Wald anerkennen und ihm nicht als Plantage oder Spargelstangen degradieren.

    Bitte an den Waldspaziergängen teilnehmen, um sich davon zu überzeugen wie der Waldumbau vorangeschritten ist, der jetzt zur Rodung anstehen soll. Am 09.09.23, 14.00 Uhr ist die nächste Gelegenheit dazu. Weitere Termine kann man auf der Seite der Bürgerinitiative Grünheide entnehmen.
    Im Anschluss kann man dann in diesen Forum seinen Wander- und Erlebnisbericht, wie Herr Neumann immer noch nicht getan, niederschreiben.

  8. 34.

    Wie gut hätte sich die Region ohne diese Standortfehlentscheidungen In Grünheide und für den BER entwickeln können? Als Vorbild, wie man es richtig macht, kann der Flughafen im Erdinger Moos, außerhalb (!) Münchens angesehen werden. Die Industrieansiedlungen entlang der Bahnstrecke, ist eine echte Erfolgsgeschichte. Hier in Brandenburg sind Leute am Werke, die von Großprojekten und professionellen Entwicklungen so richtig viel verstehen. Sie beweisen es seit 34 Jahren.

  9. 33.

    Wo ohnehin schon zu wenig Wasser vorhanden ist, kann keine zusätzliche Wasserentnahme erfolgen. Das sollte eigentlich unmittelbar einleuchtend sein. Gewerbeansiedlungen müssen dann dort erfolgen wo sicher gestellt ist, dass die Grundwasserentnahme nicht über die Neubildung hinaus erfolgt. Herr Bähler hat dies erkannt.

  10. 32.

    Herr Scharnke gehört der Wählergruppe „Die Parteilosen“ an. Was bedeutet da Parteiunabhängigkeit?

    @Hubertus
    Es ist die Aufgabe des Versorgers, die ihm im Übrigen von den Kommunen übertragen wurde, die Daseinsvorsorge für die Bürger zu sichern. Erst danach kommt Industrie. Übertragung bedeutet- es ist Aufgabe der Kommunen und diese haben sich Jahrzehnte nicht interessiert für die Zukunft
    Die verfügbaren Ressourcen begrenzen lokal und global die Entwicklung, Das müssen wir endlich alle begreifen!

  11. 31.

    Wie kann ein Versorger Neubauprojektecblockieren? Das ist absolut nicht deren Aufgabe. Man sollte hier die Geschäftsführer ohnecAltersbezüge erst abmahnen, im Wiederholungsfall kündigen.

  12. 30.

    https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/aktuelle_meldungen/190920/klimareport_bb.html

    Wenn schon der DWD für irgendetwas herhalten muss, dann doch bitte als Quelle für meine wiederholte Aussage, dass der Brandenburger Kiefernwald dringend umgebaut werden muss, da die Kiefer viel zu viel Wasser verdunstet und damit die Grundwasserneubildung gerade im Winter behindert.

    Waldumbau, Vernässung von Mooren, Flüsse Renaturierung, Speichermöglichkeiten für Regenwasser schaffen...all das wären geeignete Maßnahmen.

    Einige Brandenburger schimpfen und meckern aber nur, was alles nicht geht, statt anzupacken.

  13. 29.

    Wenn sich die Atmosphäre erwärmt, kann sie auch mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Das ist 1x1 Physik. Nur regnet sich diese dort ab, wo sie nicht gebraucht wird. Sie wird nicht zur Grundwasserbildung aufgefangen und fließt ab.
    Das Trinkwasser kann man aus dem Uferfiltrat der Flüsse gewinnen. Für viele Anwendungen reicht auch Grauwasser.
    Richtig. Das kostet Geld und muss sich auch im Preis niederschlagen.

  14. 28.

    Geschlossene Kühlkreisläufe in Rechenzentren hatten wir schon zu DDR-Zeiten, nur wurde dort die Energie in die Umwelt abgegeben. Warmwasser braucht man in Industrie- und Wohngebieten immer. Die Kunst ist diese Form der Energie zu speichern.

  15. 26.

    Wenn nicht mehr Wasser von oben nachkommt, kann nicht mehr Wasser von unten bereitgestellt werden!
    Der Internetauftritt des DWD in puncto Grundwasserneubildung im Land Brandenburg hilft da allen Unbedarften deutlich weiter.

  16. 25.

    Stellen Sie sich mal vor, in Berlin sollen Schulen oder Wohnungen gebaut werden und die Berliner Wasserbetriebe sagen nein, wir haben kein Wasser mehr. Denen würde der Regierende aber schnell Beine machen, egal von welcher Partei er ist. Und Berlin ist der weitaus größte Verbraucher in der Region.

  17. 24.

    Na klar, wir haben kein Wasser mehr und morgen geht die Welt unter. Das ist doch Quatsch. Wenn keine Schulen und Kitas und nichts mehr gebaut werden soll, dann können wir den Laden gleich zumachen. Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Und trägt die Konsequenzen?

  18. 23.

    Her Bähler hat auch wegen Tesla seine Willen bekommen und d darf mehr fördern. Nur hat er weiterhin einfach die Hände in den Schoß gelegt und weiter nach Problemen gesucht. Sein Job ist aber das Finden von Lösungen.

  19. 22.

    Ja, wahrscheinlich sollte man nur noch pateiunabhängige Bürgermeister wählen. Dann sind sie vielleicht nicht den Pateimachenschaften unterworfen.

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