Wasserknappheit in Ostbrandenburg - Landkreis genehmigt Brunnen für Rechenzentrum trotz Veto des Versorgers
Der Streit ums Wasser in Ostbrandenburg geht weiter. Der regionale Wasserversorger blockiert neue Bauprojekte, weil ihm angeblich Wasser fehlt. Der Landkreis Märkisch-Oderland genehmigt deshalb jetzt selbst einen Brunnen. Von Philip Barnstorf
Die Gemeinde Neuenhagen sucht schon länger einen Investor für rund 40 Hektar Industriegebiet an der Altlandsberger Chaussee. Vor etwa zwei Jahren interessierte sich Google für den Standort. Aber dann winkten die Amerikaner ab, weil der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) dem Projekt nicht zustimmte. Jetzt steht ein neuer Investor auf der Matte: Die Terra Project Holding aus Berlin will an dem Standort nach eigenen Angaben ein Rechenzentrum bauen.
Neuenhagener Bürgermeister beschwert sich über WSE
Das Unternehmen wollte sich gegenüber dem rbb bisher nicht zu dem Projekt äußern. Aber die Gemeinde erarbeitet schon einen entsprechenden Bebauungsplan und hat dabei abermals beim WSE um Wasser für das Projekt gebeten - vergeblich. "Der WSE hat die Versorgung abgelehnt, obwohl am Grundstück eine Trinkwasserleitung anliegt", schreibt Bürgermeister Ansgar Scharnke (parteilos) dem rbb. Weiter heißt es in der E-Mail: "Jede Gemeinde im Verbandsgebiet, die sich entwickeln will, hat Handlungsbedarf, wenn der Wasserverband seiner Aufgabe zur Versorgung mit Trinkwasser nicht mehr nachkommt."
Brauchwasserbrunnen vom Kreis genehmigt
Also wandte sich die Gemeinde an den Landkreis Märkisch-Oderland. Der kann zwar - abgesehen von einigen Ausnahmefällen - keine Trinkwasserförderung erlauben, aber er kann immerhin Brunnen für weniger sauberes Brauchwasser genehmigen. Der Landkreis erlaubte also der Terra Holding GmbH am 17. August, einen Brauchwasserbrunnen zu bohren. Wenn der fertig ist, darf der Investor täglich knapp 42 Kubikmeter Wasser aus der Erde pumpen. Das entspricht in etwa dem Tagesverbrauch von 300 Menschen.
Umweltschützer befürchten schwerwiegende Folgen
Umweltschützer befürchten deshalb Schäden für Mensch und Natur. "Jegliche Wasserentnahme in einem schon übernutzten Gebiet ist nicht genehmigungsfähig", sagt Michael Ganschow von der Grünen Liga. "Das Absinken des Grundwassers führt zu großen Versorgungsproblemen."
Der Landkreis hingegen verteidigt seine Brunnengenehmigung für das Rechenzentrum. "Mit den Bescheiden, die wir momentan erlassen haben, bewegen wir uns in einem völlig unproblematischen Bereich", sagt Gregor Beyer vom Umweltamt Märkisch-Oderland. Allerdings fügt er an: "Ich sehe aber weiterhin wachsende Bedarfe und klimatische Veränderungen. Wir werden uns unterhalten müssen, denn die Lage wird nicht einfacher werden."
Abwahlantrag gegen WSE-Chef und Vize
Aber selbst wenn in dem geplanten Rechenzentrum vor allem Computer arbeiten sollen - ganz ohne Trinkwasser-Anschluss dürfte es nicht gehen. Wo der herkommen soll, ist derzeit offen, denn der WSE blockiert nach wie vor alle neuen Bauprojekte, darunter ein Gewerbegebiet in Vogelsdorf und eine Schule in Hoppegarten. Mehrere regionale Bürgermeister haben deshalb einen Abwahlantrag gegen WSE-Chef André Bähler und dessen Stellvertreter gestellt.
Einer von ihnen ist Ansgar Scharnke aus Neuenhagen. Neben dem Rechenzentrum geht es ihm nach eigener Aussage auch um "Flächen für Wohnen, Einzelhandel und perspektivisch Schul- und Kitastandorte", die durch die Blockade-Haltung des WSE gefährdet seien. Es sei kommunale Pflichtaufgabe des WSE den Anschluszwang zu erfüllen. "Dem wird der WSE eigenmächtig seit März 2022 nicht mehr gerecht." Statt den Neubau eines Wasser- und eines Klärwerks voranzutreiben, suche der WSE alle Verantwortung beim Land.
Der WSE war am Dienstag zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. In den vergangenen Monaten hatte der Verband immer wieder betont, dass ihm gerade während trockener und heißer Sommermonate Wasser fehle. Wiederholt hatte der WSE vom Land gefordert, mehr Wasserförderung in den Brunnenanlagen des Verbands zu erlauben.
Sendung: Antenne Brandenburg, 28.08.2023, 11:00 Uhr