Exportschlager Kartoffelstärke - Von der Prignitz hinaus in die weite Welt

Sa 26.08.23 | 19:18 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Kartoffelstärkeproduktion in der Prignitz (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.08.2023 | Material: Theresa Majerowitsch | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

In der Prignitz geht es jetzt wieder um die Knolle. Mit der Ernte beginnt im Werk in Dallmin die Kartoffelstärkeproduktion. Die Produkte finden sich in vielen Lebensmitteln von Instant-Nudeln, über Fruchtgummis bis zum veganen Käse. Von Björn Haase-Wendt

Die Klappe des Lkw-Anhängers öffnet sich, die Kartoffeln fallen in das Sammelbecken und werden über ein Förderband in die Produktion transportiert. Für die gut 70 Mitarbeiter im Kartoffelstärkewerk von Avebe am Ortsrand von Dallmin in der Prignitz startet damit die sogenannte Kartoffelkampagne. "Ich sage mal so: Ein gewisses Kartoffelfieber ist schon da“, sagt Produktionsleiter Frank Wilck. In den letzten Wochen war es ruhiger im Traditionswerk, doch mit dem Start der Kartoffelernte in dieser Woche fährt auch die Stärkeproduktion wieder hoch.

300.000 Tonnen Kartoffeln pro Saison

Der Lkw liefert 25 Tonnen Stärkekartoffeln an. In der gesamten Saison werden rund 300.000 Tonnen verarbeitet, erklärt Werksgeschäftsführer Peter Minow: "Das sind also über 1.000 Tonnen, die hier jeden Tag verarbeitet werden und sie müssen sich vorstellen, fünf Tonnen Kartoffeln geben etwa eine Tonne Kartoffelstärke." Landwirte aus fünf Bundesländern zwischen Brandenburg und Schleswig-Holstein liefern ihre Knollen an. Sie sind auch Mitglied im Genossenschaftsunternehmen.

Mehr Stärke, mehr Geld

Bevor die Kartoffel verarbeitet werden kann, wird sie bei der Anlieferung auf den Stärkegehalt getestet. "Wir schauen auf die Qualität der Kartoffel, ob sie krank sind oder nicht, und nach dem Stärkegehalt wird der Landwirt auch entlohnt“, erklärt Produktionsleiter Frank Wilck. Das heißt: Je mehr Stärke die Kartoffel hat, desto lukrativer wird es für die Bauern. Ein Stärkewert von 19 Prozent in den Knollen wird angestrebt, sonst muss die weitgehend automatisierte Produktion angepasst werden.

Für 20 Millionen Euro wurde in Dallmin eine neue Eiweißproduktion errichtet. Dort wird aus dem Fruchtwasser pflanzliches Eiweiß für vegane Produkte gewonnen. (Foto: rbb/Haase-Wendt)Für 20 Millionen Euro wurde in Dallmin eine neue Eiweißproduktion errichtet. Dort wird aus dem Fruchtwasser pflanzliches Eiweiß für vegane Produkte gewonnen.

Rütteln, waschen, reiben

Hat die Kartoffel die Probe bestanden heißt es: rütteln, waschen, reiben, um Fremdkörper zu entfernen und saubere Knollen zu bekommen. "Sie wird also nicht geschält, sondern sofort zerrieben, als würde man zu Hause Kartoffelpuffer machen“, sagt Peter Minow. Dann werden die einzelnen Bestandteile wie die Fasern und das Fruchtwasser abgetrennt. Übrig bleibt die Stärke, die schließlich getrocknet und in Säcke verpackt wird.

Produktionsleiter Peter Wilck im Gespräch mit Kollegen in der Schaltzentrale der Stärkeproduktion. (Foto: rbb/Haase-Wendt)(Quelle: Björn Haase-Wendt)
Produktionsleiter Peter Wilck im Gespräch mit Kollegen in der Schaltzentrale der Stärkeproduktion. | Bild: Björn Haase-Wendt

Stärke für Nudeln, Puddings und Co.

Das Werk in Dallmin besteht seit über 100 Jahren und produziert mittlerweile ausschließlich für die Lebensmittelindustrie. Kunden in Europa, den USA und vor allem in Asien werden damit beliefert. Das Unternehmen gehöre damit nach eigenen Angaben zu den Weltmarktführern. Wer durch den Supermarkt streift oder den Küchenschrank öffnet, findet dort also ganz sicher Produkte in denen die Prignitzer Stärke steckt. "Wir sprechen von Convenience Food, zum Beispiel Instant-Nudeln, aber auch Puddings oder Chips", sagt der Werkschef. Die Kartoffelstärke biete sich durch ihre Geschmacksneutralität an, aber auch durch die Viskosität und das Gefühl im Mund.

Eiweiß für vegane Produkte

Das Dallminer Werk erschließt sich aber auch einen neuen Markt, der immer mehr Fahrt aufnimmt: vegane Produkte. 20 Millionen Euro wurden jüngst in eine neue Eiweißproduktion am Standort investiert. In den Anlagen wird aus dem Kartoffelfruchtwasser das Eiweiß gewonnen. Es dient der Lebensmittelindustrie als Alternative für tierisches Eiweiß etwa für veganen Käse, Eis oder Fruchtgummis. "Das ist ein großes Thema geworden, wir sehen auch in Deutschland den veganen Trend. Da werden die pflanzlichen Eiweiße gebraucht", so Peter Minow.

In diesem Jahr rechnen die Dallminer Kartoffelstärkeproduzenten mit einer guten Produktion, denn das Wetter und der Regen habe für ein gutes Wachstum bei den Knollen gesorgt. Trotzdem stellen die klimatischen Veränderungen auch die Landwirte vor Herausforderungen. Die Genossenschaft arbeitet deshalb an Kartoffeln, die besser mit Trockenheit klarkommen und zugleich den Ertrag steigern. Dabei geht es um einen höheren Stärkewert, mehr Resistenzen und einen höheren Proteingehalt in der Kartoffel. "Heute reden wir von maximal zwei Prozent Eiweiß, das ist nicht sehr viel. Aber wir denken, dass neue Sorten kommen werden, die deutlich mehr Protein mit sich bringen. Das macht es interessant“, erklärt der Werkschef.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2023, 22:00 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

7 Kommentare

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  1. 7.

    Wenn Sie unbedingt die Kartoffeln probieren wollen, die in der Stärkefabrik landen, wird Ihre Enttäuschung riesig sein.
    Das hat nichts mit mehlig- oder festkochend zu tun, denn es sind keine Speisekartoffeln, sondern extrem stärkehaltige Wirtschaftskartoffeln.
    Falls Sie @1 2 und 4 meinen, die am besten schmeckenden Kartoffeln werden Ihnen vorenthalten, dürfen Sie zu 100% sicher sein, dass dem nicht so ist. Aber sie können im Hofladen danach fragen, das Verkaufspersonal wird ein Gebet für Sie sprechen.

  2. 6.

    Dafür haben wir in Wittenberge jetzt mehr im Hafen zu tun, denn von hier wird verschifft. Ich finds gut!

  3. 5.

    Also für den Abtransport gebe ich Dir recht. Aber 5km Gütergleis bauen, in Deutschland? Lärmgutachten, Kröten-, Käfer-, Eidechsen-, Vogel-, Abgas-, und was weiß ich noch für Gutachten, Bürgerinitiativen dagegen und dafür. Bis die Strecke gebaut ist, sind die umgezogen.
    Für den Antransport, na ja. Da müsstest Du alle Dörfer rings um mit Bahnanschluss versehen. Gab es früher oftmals als Kleinbahn. Da sind aber zukünftig saubere LKW tatsächlich mal besser.

  4. 4.

    Also die in den Hofläden sind echt klasse, aber irgendwie zu schade um im Supermarkt verramscht zu werden. Ist halt 'n Problem. Es soll super Qualität sein, sie sollen wohlschmeckend sein, hübsch aussehen und vor allem billig solls sein. Da passt was nicht zusammen.
    Die häufiger nachgefragten festkochenden Kartoffel haben auch weniger Stärke wie mehlige Erdäpfel.

  5. 3.

    Dreihunderttausend Tonnen im Jahr – und dann kein Gleisanschluss. Dabei liegt das Werk an einer Bahnstrecke, aber die wurde stillgelegt … Auch im nur 5 km entfernten Karstädt wurden beim Ausbau der Hamburger Bahn die Güteranschlussgleise beseitigt. Das muss dieser Fortschritt sein, von dem man so viel Gutes hört!

  6. 2.

    Ich möchte jetzt nicht unken, aber Kartoffeln als Exportschlager wirken für mich nicht gerade fortschrittlich. Unwelttechnologie, Computerbauteile, KI... das wären hochtechnologische Erzeugnisse, die einem Industrieland gut stehen würden. Kartoffeln klingt irgendwie nach Burkina Faso oder Bolivien.

  7. 1.

    Dort wandern also die wohlschmeckenden, stärkehaltigen Knollen hin!
    Und ins Supermarktregal kommen dafür überteuerte, geschmackslose Knollen, die, übertrieben formuliert, selbst die Schweine als Tierfutter verweigern. Aber für die Verbraucher reichts?

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