Zugriff auf Platine - Berliner Wissenschaftler hacken Teslas Autopiloten

Mi 27.12.23 | 20:23 Uhr | Von Oliver Noffke
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Einblick in die Gigafactory Shanghai von Tesla (Quelle: XinHua/Fang Zhe)
Audio: rbb24 Inforadio | 28.12.2023 | Nachrichten | Bild: XinHua

Drei Doktoranden der TU Berlin konnten sich Zugriff auf die Platine eines Teslas verschaffen. Dabei bestätigten sie die Existenz eines "Elon Mode" und erhielten Einblicke, die zeigen, wie der Autopilot des Wagens lernt. Von Oliver Noffke

Drei IT-Experten der TU Berlin haben den Autopiloten eines Tesla-Fahrzeugs geknackt. Die Sicherheitsforscher haben sich nach eigenen Angaben durch einen sogenannten Hardware-Hack Zugriff auf die eigentlich geschützte Platine verschafft. Dadurch konnten sie das System des Autos auslesen. Am Mittwoch stellten die drei Doktoranden Hans-Niklas Jacob, Niclas Kühnapfel und Christian Werling ihre Ergebnisse beim 37. Chaos Computer Club (CCC) in Hamburg vor.

Der Hack ist bemerkenswert, weil er einen seltenen Einblick in ein Fahrzeugsystem gibt, das oft als "Black Box" bezeichnet wird. Er offenbart einiges über das Innenleben eines Teslas, das so noch nicht bekannt oder bestätigt war.

Etwa, dass tatsächlich ein Code für einen sogenannten "Executive"-Modus geschrieben wurde, der Sicherheitsfeature des Autopiloten ausschaltet. Fahrerin oder Fahrer würden dann nicht mehr regelmäßig vom Wagen dazu aufgefordert, das Lenkrad festzuhalten. Im Internet ist die Einstellung als "Elon Mode" bekannt geworden – benannt nach Teslas umstrittenem Konzernboss Elon Musk.

"Obwohl es ein fortgeschrittener Fahrassistent ist, produziert der Autopilot weiter Schlagzeilen - gute wie schlechte", sagte Werling zur Motivation zu dem Hack am Mittwoch. Erst vor gut zwei Wochen mussten in den USA rund zwei Millionen Teslas in die Werkstatt [golem.de], weil sich in der Software für das selbständige Fahren eine Sicherheitslücke befunden hatte.

Was bedeutet der Hack für Tesla?

Um das Innenleben neuer Fahrzeuge machen die Hersteller ein großes Geheimnis. Tesla ist da keine Ausnahme. Dass es drei IT-Experten gelungen ist, innerhalb weniger Wochen – und nach eigener Aussagen mit geringem finanziellen und materiellen Aufwand – in das elektronische Herz eines Teslas einzudringen, zeigt, wie angreifbar solche Konzerne sein können.

Dem "Spiegel" [Bezahlinhalt], der zuerst über den Hack berichtete, sagten die Sicherheitsforscher, sie seien überrascht gewesen, wie leicht sie sich Zugang verschaffen konnten. Sie hätten rund 600 Euro für Werkzeuge ausgegeben, die allerdings frei erwerbbar seien. Die Platine hätten sie für einen ähnlichen Preis von einem Schrotthändler erworben, sagten sie während ihrer Präsentation beim CCC in Hamburg.

[Die gesamte Präsentation in englischer Sprache können Sie beim Chaos Computer Club ansehen, streaming.media.ccc.de]

Zugriff auf zwei der drei zentralen Systeme

Dabei erklärten sie den Aufbau der Platine, die verschiedenen Einheiten darauf sowie deren Funktionen. Bei der Entschlüsselung half, dass Tesla von einigen Zulieferern elektronische Bauteile bezieht, deren Aufbaupläne frei im Internet einsehbar sind. Mit diesem Wissen gelang es ihnen, einen Voltage-Glitch-Angriff durchzuführen: Sie senkten die Stromspannung beim Hochfahren der Platine künstlich herab, wodurch sie ihre Sicherheitsvorkehrungen überwinden konnten. Um den richtigen Moment für diesen Angriff zu finden, sei Geduld notwendig gewesen, sagten sie.

Einmal im System, hatten die Wissenschaftler Zugriff auf zwei der drei zentralen Systeme eines Teslas: neben dem Autopiloten auch auf das Infotainment, also Funktionen wie die Sitzheizung, oder das Mediencenter. Auf das sogenannte "Gateway", das etwa Bremsen und Kennung steuert, hätten sie keinen Zugriff erlangt.

Der Hack offenbart allerdings einiges. Unter anderem wie in einem Tesla die künstliche Intelligenz, die den Autopiloten steuert, lernt. So gelang es, Videos von der Fahrt des einstigen Besitzers zu rekonstruieren. Das System hatte sie offenbar bei einem ungewöhnlichen Fahrmanöver gespeichert, aber dann für nicht gravierend genug gehalten und wieder gelöscht – aber noch nicht überschrieben. Beim CCC flimmerten schließlich die wiederhergestellten Aufzeichnungen von sieben der neun Kameras des Wagens. Zudem konnten die drei Doktoranden die GPS-Daten des Vorfalls auslesen.

Der einsehbare Code offenbarte auch ein Bonmot: Näher kommende Radfahrer oder Fußgänger bezeichnet das Tesla-System als "Threat" - Gefahr.

Kein Kopfgeld für Hinweis auf Sicherheitslücke

Die Schwachstelle sei aus Sicht von Tesla besonders besorgniserregend, da der Konzern modellübergreifend gleiche Systeme einbaut. Allerdings scheint es unwahrscheinlich, dass die Schwachstelle weiterhin existiert. Der Autobauer dürfte sie mittlerweile geschlossen haben, denn die drei Berliner Wissenschaftler haben das Unternehmen bereits vor einigen Monaten darauf aufmerksam gemacht - dafür nach eigenen Angaben allerdings kein Bug-Bounty erhalten. Viele Unternehmen zahlen eine Art Kopfgeld, wenn sie auf Sicherheitslücken in ihren IT-Systemen aufmerksam gemacht werden.

Bei dem Tesla-Hack handelt es sich aber auch nicht um eine Schwachstelle in der Software, die unmittelbar Millionen Fahrzeugbesitzer betrifft. Der Hack gelang nur, weil der entsprechende Wagen bereits komplett zerlegt war. Nur so konnten die drei TU-Doktoranden auf die Platine zugreifen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.12.2023, 19:00 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

18 Kommentare

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  1. 18.

    EY ! … Diese Autos filmen immer … Auch im Stand … Rundherum … Und speichern das … Abrufbar für Hacker … Wenn ich sonst irgendwo anlasslos videoüberwacht werde (z.B. U-Bahn), klebt wenigstens irgendwo ein Aufkleber der mich darauf aufmerksam macht … Wenn ich z.B. vor IHRER Haustür eine Kamera aufstelle, IHREN Hauseingang permanent abfilme und diese Filme nicht mal vor fremden Zugriff sichern kann, was machen Sie dann (mit mir) ?! … Egal, ja ?! … Nee, oder ?!

  2. 17.
    Antwort auf [Wossi] vom 28.12.2023 um 18:58

    Beim "Geiz" habe ich sie dann falsch verstanden. Mea culpa. Jedoch, auch bei aller persönlichen Abneigung gegen fahrende Batterien, die ursächliche Lücke hat AMD an der Backe. Die haben, wie es gemeinhin üblich ist, die Hinweisgeber namentlich genannt und ein CVE rausgegeben. Doktoranden der TU, ebenso dem Fraunhofer SIT steht es nicht gut zu Gesicht, wenn hier eine Prämie eingefordert wird.
    Gegen eine Spende seitens "T" wäre natürlich nichts zu sagen gewesen ;-). Aber ich glaube das große "M" hat z.Zt. wohl noch andere Probleme.

  3. 16.

    Moderne Fahrassistenzsysteme ohne aktive Kameras im Auto kann es nicht geben, somit hat die Problematik nichts mit Tesla zu tun. Niemand kann heute verhindern, das mit WEB- oder Dashcams permanent Aufnahmen in der Öffentlichkeit gemacht werden.
    Entscheidend ist wofür diese verwendet werden.

  4. 15.

    Ich denke die Angaben der National Highway Traffic Safety Administration mit Sitz in Washington D.C. sind fundiert genug.
    In den Berichten selbst ist die Rede von dem Verdacht - also der Möglichkeit. "Fakes" sehen anders aus.

    Geiz? - Ich bitte sie. Für 92.000 Euro hole ich mir lieber einen neuen Schlepper und bspw. kein Cybertruck. Mit Ersterem komme ich auch aus dem Acker wieder raus - reinfahren kann ja bekanntlich jeder.

  5. 14.

    Glaubt irgend ein Mensch, dass elektronische Systeme nicht geknackt werden können?
    Soviel Naivität ist nicht gut.

  6. 12.

    Die Aufzeichnungen eines Tesla waren schon in verschiedenen Situationen hilfreich Probleme aufzuklären, z.B. nach einem Unfall. Diese Tatsachen wurden übrigfens veröffentlicht. Wer keine Aufzeichnungen möchte kann schon mal mit dem Abschalten von Google anfangen. 1999 hatte ich mir einen UDS, Unfalldatenschreiber eingebaut. Könnte 2 mal beweisen, wie der Ablauf wirklich war.

  7. 11.

    „möglichen (!?) Todesfällen“
    So verwendet entstehen Fake News. Ein gutes Beispiel, warum man kritisch sein muss. Auch bei Kommentaren.
    Alle allgemeinen Zulassungserlaubnisse von Fahrzeugen würde es bei 23 Todesfällen nicht geben oder entzogen werden.

    Ich lese aus dem Artikel: Das autonome Fahren ist auf einem guten Weg, aber auch kein Hexenwerk. Ganz normale Entwicklung. Also so wie alles im Leben.
    Ich lese aber auch bewertende Botschaften (Geiz u.a?) ... die lenkend sind und deshalb nicht geteilt werden.

  8. 10.

    Neuwagen ab 2024 müssen Blackbox haben. Aktuelle Neuwagen sind auch vernetzt. Dann lieber einen Oldie.

  9. 9.

    Das die Teslas permanent ihre gesamte Umgebung filmen und das SPEICHERN, das ist doch ein Skandal … Das ist de facto so, dass Jemand eine permanent laufende Kamera vor mein Haus stellt die mich permanent filmt … Oder regt das nur mich wie irre auf ?! … Wann grätscht da bitte mal einer rein ?! … P.S. Bin kein Tesla-Hasser. Ganz im Gegenteil sogar.

  10. 8.

    Das sind keine Querschüsse, eher ein durchaus berechtigtes Aufdecken von vorhandenen Fehlern. Tesla ist nun in der Pflicht nachzubessern. Immerhin verweist AMD, der Hersteller der ARM-CPU, bereits seit August öffentlich auf die Lücke
    https://www.amd.com/en/resources/product-security/bulletin/amd-sb-4005.html
    Das hat nichts mit der Marke oder einem Kiefernwald zu tun.
    Tesla kann man mögen - oder eben nicht, aber angesichts des vom RBB verlinken Berichtes auf Golem, dort weiterführend zum "Guardian", muß man bei 23 möglichen Todesfällen in Verbindung mit den Fahrerassistenzsystemen des "T" nicht die Marke sondern eher den Kunden schützen.

  11. 7.

    Also, wenn derAutopilot gehackt wurde, dann könnte man ja annehmen, daß irgendwann jemand dieses Auto fremd steuert, dahin, wo ich gar nicht will und ein Unfall mit Todesfolge generiert werden kann. Sowas möchte ich nicht kaufen.
    Und wieso ist überhaupt dort ein Autopilot verbaut, wenn man es nicht mit gekauft hat? Eine Irre Vorstellung, wenn Musk wisse, wo ein Konkurrent oder unliebsame Menschen gerade fahren um irgendwie einzugreifen?
    Schon manches Genie hat eine Psycho Macke gehabt, haben es

  12. 6.

    Was soll ich mit dieser Information nun gelernt haben?
    Wenn man Tesla hier nicht möchte, können die Leute, die diese Meinung vertreten, prüfen, ob sie eine Mehrheit finden und wenn es sie denn gibt, die Bretterfarm, von manchen auch Kiefernwald genannt, da wieder hinpflanzen, wo jetzt die Fabrik steht. Diese ewigen Querschüsse nerven nur.

  13. 5.

    Kompliment an die 3 Doktoranden! Fazit: Tesla kocht auch nur mit Wasser!
    Wer dann noch Algorithmen programmieren kann, schafft alles!
    Wer unter das Blechkleid eines Tesla schaut wird noch mehr Schwachpunkte bemerken.

  14. 4.

    Die von den Wissenschaftlertn durchgeführte Aktion hat leider wenig mit der doch recht reißerischen Uhu tun. Es wurde nicht "der Autopilot" gehackt. Die Leute haben sich mit einer recht verbreiteten Methode Zugriff auf die Hardware der Fahrzeugsteuerung verschaft und anschliessend den Speicher ausgelesen. Das ganze an einer Platine von Schrottplatz. Das hat nichs mit einem Zugriff auf ein normales Fahrzeug zu tun. Auch mussten in den USA keine 2 Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt. Die geforderten Änderungen wurden mit dem sowieso anstehenden Software Update verteilt (übrigens auch an die Fahrzeuge in DE).Das geht bei manchen Herstellern schon.....

  15. 3.

    Willkommen, beim gegenseitigen hacken, wo man dazu noch Kopfgeld zahlt, bekommt. Nicht alles dürfte in Zukunft mit KI sauber über die Bühne gehen wie dieser Hacker-Test. Wissenschaftler hacken, beim Speichern, löschen und nicht überschreiben, da kann manche Welt wieder an die Oberfläche kommen. Nicht nur in der Wirtschaft, auch Privat! Der Hack gelang nur....? Tolles Artikel-Ende!

  16. 2.

    Hat wirklich jemand gedacht das diese Systeme nicht gehackt werden können ? ALLES kann gehackt werden. Die Frage war nur WANN das passiert.

  17. 1.

    Ein "Hoch" auf das "Autonome Fahren".

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