Vorschlag aus Thüringen - Arbeitssenatorin Kiziltepe lehnt Arbeitspflicht für Asylbewerber ab

Do 29.02.24 | 18:01 Uhr | Von Yasser Speck
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Symboolbild: Eine Frau sammelt Laub auf einer Terrasse. (Quelle: dpa-tmn/Christin Klose)
Bild: dpa-tmn/Christin Klose

Ein Landkreis in Thüringen will Asylsuchende zu Arbeitseinsätzen verpflichten. Sie sollen Hecken schneiden oder Gehwege fegen. Gegen weniger als einen Euro pro Stunde als Bezahlung. Die Berliner Arbeitssenatorin hält nichts davon. Von Yasser Speck

Asylbewerberinnen und Asylbewerber im thüringischen Saale-Orla-Kreis sollen in Zukunft für Arbeitseinsätze verpflichtet werden. Das hat der Landkreis bekanntgegeben. Grundlage ist eine Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz, so ein Sprecher des Landkreises.

Die Geflüchteten sollen Schnee schippen, Hecken schneiden oder Gemeinschaftsunterkünfte reinigen. Für ihre Arbeit sollen sie lediglich 80 Cent pro Stunde erhalten - 6,5 Prozent des Mindestlohns. Würden die Asylsuchenden die Arbeit verweigern, drohen ihnen Leistungskürzungen. In Berlin wird es eine Arbeitspflicht vorerst nicht geben.

Arbeitssenatorin Kiziltepe lehnt Arbeitspflicht ab

Die Arbeitspflicht in dem thüringischen Landkreis löst in Berlin unterschiedliche Reaktionen aus. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der "Bild", er begrüte die Arbeitspflicht "in Einzelfällen". Für die Berliner Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (ebenfalls SPD) kommt eine Arbeitspflicht für Asylbewerber dagegen nicht in Frage.

"Asylbewerber für 80 Cent die Stunde verpflichtend arbeiten zu lassen, ist weder eine Wertschätzung der Arbeit noch eine akzeptable Bezahlung", sagte Kiziltepe rbb|24. Die deutsche Sprache zu erlernen und die Möglichkeit zum frühzeitigen Arbeiten seien dagegen wichtige Faktoren für gelungene Integration, so die Senatorin. Dem schließt sich auch der Verein Pro Asyl an.

Pro Asyl fordert Arbeitserlaubnis für alle Asylbewerber

Asylbewerber dürfen oft monatelang nach ihrer Ankunft in Deutschland nicht arbeiten gehen. Je nachdem, wie viele Kinder sie haben und aus welchem Land sie kommen, entscheidet sich, wie lange sie auf eine Arbeitserlaubnis warten müssen. Der Verein Pro Asyl kritisiert diese Regelung. "Statt politischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete, sollten endlich alle Arbeitsverbote für Geflüchtete aufgehoben werden", teilte Sprecher Tareq Alaow mit.

Sollten Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Saale-Orla-Kreis die Arbeitseinsätze verweigern, drohe ihnen die Kürzung von Leistungen. Alaows kritisiert diese Sanktionen. "Wenn Geflüchtete mit Sanktionen belegt werden können, wenn sie prekäre Arbeitsgelegenheiten ablehnen, hat das nichts mit fairen Beschäftigungsverhältnissen zu tun, sondern grenzt an Zwangsarbeit." Pro Asyl fordert stattdessen mehr Deutschkurse für geflüchtete Menschen anzubieten und die Arbeitsverbote für Asylsuchende aufzuheben.

Arbeitspflicht trägt nicht zur Arbeitsmarktintegration bei

Ehsan Vallizadeh ist Arbeitsmarkt- und Integrationsforscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Er hinterfragt die Gründe für die Arbeitspflicht im Saale-Orla-Kreis. "Geht es dem Landkreis um Arbeitsmarktintegration, müsste man das anders aufziehen", sagt Vallizadeh im Gespräch mit rbb|24. Man müsse eher in Bildung und Sprache investieren, anstatt die Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse zu bringen, so der Forscher.

Angesichts des zunehmenden Arbeitskräftebedarfs wäre nach Einschätzung von Vallizadeh eine Aufhebung des grundsätzlichen Beschäftigungsverbots für Asylsuchende überlegenswert. Wie sich nun die Arbeitspflicht für Asylsuchende im Saale-Orla-Kreis auf den dortigen Arbeitsmarkt auswirken werde, sei offen. Es gebe keine empirischen Befunde dazu, so Vallizadeh.

In Berlin wird es die in näherer Zukunft auch nicht geben. Die zuständige Senatorin Kiziltepe erteilte einer Arbeitspflicht für Asylsuchende in Berlin eine Absage.

Sendung: rbb|24 Inforadio, Der Morgen, 08:02 Uhr.

Beitrag von Yasser Speck

26 Kommentare

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  1. 26.

    Sein Gegenüber in der Diskussion zunächst mal als dumm abzutun, war aber auch noch nie förderlich. Und wenn Sie die Claudia schon beleidigen wollen, müsste es "nicht weiter als heißen"...

  2. 25.

    Hier in Mitteleuropa gibt es immer noch der Grundsatz, dass wir mit den drei Begriffen, Boden, Arbeit und Kapital, das Land am Laufen zu lassen.
    Irgendwo muss dass Wohnhaus stehen, die Straße entlang führen. Irgendwer muss die Maschine bedienen, die Planung kreieren sowie das Obst und Brot verkaufen.
    Wenn jetzt über eine Pflicht zur Arbeit Phantasiert wird, ist dieses stets ein Eingriff in den Markt.
    Direkt für die Person die der Pflicht unterliegt und
    Indirekt über das sinken des Preises.
    DIE PFLICHT ZUR ARBEIT IST EIN EINGRIFF IN DAS EIGENTUM!

  3. 24.

    Tut... tut... im Ernst. Es ist keinem geholfen wenn Asylbewerber den Niedriglohnsektor "bereichern".

    Keinem. Auch nicht dem Steuerzahler.

  4. 23.

    Ach ja, und weil er so funktioniert, deswegen nimmt der Kapitalismus hunderttausende Asylbewerber auf, versort sie, und verbietet ihnen zu arbeiten.

  5. 22.

    Lesen Sie erst ein Paragraph 5 Asylbewerberleistungsgesetz. Dort werden keine Arbeiten als Billiglöhner, sondern lediglich Arbeiten im Bereich der Asyleinrichtungen und gemeinnützige Arbeiten als zulässig benannt. Der Landrat hat sich streng an das Gesetz gehalten, was die zuständige Senatorin nicht tut zu Lasten der Steuerzahler!

  6. 21.

    Warum wird eine Arbeitspflicht für Asylbewerber von der Senatorin kategorisch abgelehnt.
    Wir Steuerzahler kommen für den Lebensunterhalt von Asylbewerbern auf und diese sollten - natürlich nur die Gesunden - auch für die Allgemeinheit einen freiwilligen Beitrag leisten.

  7. 20.

    ..so funktioniert nun mal der Kapitalismus, mit seiner fiesen Fratze…

  8. 19.

    "Ganz besonders kennen viele keinerlei Fahrräder und keine damit verbundenen Regeln. "

    Alltagsrassismus in Reinkultur.

  9. 18.

    "Leider ist Frau Kiziltepe wieder einmal sehr realitätsfern. "

    Vielmehr sind hier einige Leute nicht der deutschen Sprach mächtig, ausgerechnet von denen sollten sie dann Deutsch "lernen"? Sehen sie sich doch mal um.

    Paula schafft es nicht weiter wie zur Überschrift zu lesen, denn ihre Frage wird im Text beantwortet. Simoe scheitert schon am eigenen Namen und versteht nicht was präkere Arbeit ist.

  10. 17.

    Arbeitsverbot sofort abschaffen! Die meisten die kommen sind nicht auf den Kopf gefallen. Und die meisten träumen von einer Karriere hier und nicht davon, in unserem sozialen Netz abzuhängen, wie es die fremdenfeindliche AfD gerne unterstellt. Sprache lernen und arbeiten können von Anfang an Hand in Hand gehen. Wir brauchen junge motivierte Leute. Vor allem auch im Servicebereich. Je nachdem was einer kann oder lernen will.

    Eine Arbeitspflicht praktisch ohne Lohn lehne ich auch ab. Dann jammern die Ankömmlinge erwartungsgemäß herum und landen tatsächlich in den Sozialsystemen.

  11. 16.

    Sie reden über Menschen, die sich selbst ernähren, ihre Miete selbst bezahlen und alles andere auch. Selbstverständlich sollen die nicht zu Dumpinglohn arbeiten müssen.
    Ich sag es ja: Geschriebenes zu interpretieren, das ist für manche Kommentatoren schwierig bis unmöglich.

  12. 15.

    Tja, das passiert wenn man der deutschen Sprache nicht mächtig ist. "Was für Probleme hat Cansel Kiziltepe damit?"

    Steht doch da: "Asylbewerber für 80 Cent die Stunde verpflichtend arbeiten zu lassen, ist weder eine Wertschätzung der Arbeit noch eine akzeptable Bezahlung", sagte Kiziltepe rbb|24."

    Wir brauchen nicht noch mehr Billiglohnarbeitende in ausbeuterischen Abhängigkeitsverhältnissen.

  13. 14.

    Auch von mir volle Zustimmung. Es ist den Asylbewerber und der Bevölkerung geholfen. Einfache aber sinnvolle Arbeiten mit der Chance auf Kontakt und Integration und jeder Menge Anerkennung.

  14. 13.

    Die Grundsicherung fließt weiter und Zuverdienste müssen immer abgerechnet werden. Also, nix Neues!

  15. 12.

    Die Arbeitserlaubnis sollte zuerst kommen, nach einem halben Jahr die Pflicht. Ich kann mir vorstellen, dass eine gemeinschaftliche Arbeit sehr bei der Integration hilft und beim Fühlen der Achtung und des Respekts vor unserer Infrastruktur und unseren Regeln. Ganz besonders kennen viele keinerlei Fahrräder und keine damit verbundenen Regeln. Da würde dann ein Austausch und Arbeiten auf Gehwegen sehr helfen, zu verstehen.

  16. 11.

    Wer arbeitet, hat einen Anspruch auf Lohn. Wem Arbeit verboten ist (Asylbewerber), darf doch nicht vorgeworfen werden nicht zu arbeiten!

  17. 10.

    Dem kann ich nur zustimmen.
    Habe 2015 im Nebenjob in einer Flüchtlingsunterkunft gearbeitet. Einige Migranten haben z.B. gern in der Küche geholfen, einfach um etwas zu tun und nicht rumzusitzen. Dadurch haben sie auch deutsch gelernt.
    Wo ist das Problem, etwas zurück zu geben, wenn man Hilfe bekommt?
    Leider ist Frau Kiziltepe wieder einmal sehr realitätsfern.

  18. 9.

    Sie sprechen mir aus der Seele. Das Argument von Frau Kiziltepe, Asylanten müssten erstmal Deutsch lernen hinkt: erstens haben die nicht 24/7 Sprachkurs und dann lernt man eine Sprache immer noch besser im Umgang mit Muttersprachlern. Als prekär würde ich die Tätigkeiten auch nicht bezeichnen: das ist eine Herabwürdigung von guter Arbeit für die Gemeinschaft.

  19. 8.

    Mit Billiglöhnen fing damals das Elend an,das keine Tariflöhne mehr bezahlt wurden. Heute regt man sich über Lohndumping auf
    Wurde aber vom Arbeitsamt nicht gefordert jede Stelle auch wenn sie nicht der eigentlichen Qualifikation entspricht anzunehmen.Ansonsten drohen Sanktionen.
    Jetzt sollen die Flüchtlinge ihren guten Willen durch extremen Niedrieglohn zeigen.Arbeiten ja,aber zu vernünftigen Konditionen und Willen dazu.8

  20. 7.

    Wenn ich irgendwo zu Gast bin, räume ich nach dem Essen - wenn es gewünscht und erlaubt ist - den Esstisch mit ab. Damit kann ich mich ein wenig für die Gastfreundschaft und den kostenlosen Abend erkenntlich zeigen kann. Genau so handhabe ich es als Übernachtungsgast.

    Was für Probleme hat Cansel Kiziltepe damit?

    Diese Arbeitspflicht würde die Akzeptanz von Flüchtlingen in der Bevölkerung drastisch hochschnellen lassen und ich bin sicher, auch die Flüchtlinge würden das begrüßen.

    Nicht das Füllhorn von Geschenken an die Bevölkerung, dass die SPD so gern ausschüttet, sondern solche Regelungen sind für alle Beteiligten der richtige Weg zum Miteinander.

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