Räumungsklage - Spender stellen Kaution für gekündigten 84-Jährigen Mieter in Reinickendorf bereit

Fr 26.04.24 | 22:41 Uhr
  90
Manfred Moslehner, von Räumung bedrohter Mieter in der Siedlung "Am Steinberg" in Berlin-Reinickendorf bei einem Interview in seinem Haus am 26.04.2024 (Quelle: rbb).
Video: rbb|24 | 27.04.2024 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: rbb

Manfred Moslehner soll sein Geburtshaus räumen. Der Eigentümer will modernisieren und hat dem Mieter gekündigt. Auf Medienberichte hin hat eine Spenderinitiative jetzt das Geld für eine Kaution gesammelt – die soll dem 84-Jährigen Zeit verschaffen.

Der gekündigte 84-jährige Mieter eines Hauses in Reinickendorf kann vorerst dort wohnen bleiben. Spenderinnen und Spender haben binnen kürzester Zeit das Geld für eine vom Amtsgericht Wedding festgelegte Sicherheitsleistung gesammelt, in Höhe von knapp 4.300 Euro - und noch deutlich mehr. Das Geld gibt dem 84-jährigen Manfred, genannt "Manne", Moslehner Aufschub, bis der Fall letztinstanzlich entschieden ist. "Das ist für mich eigentlich kaum fassbar, dass das so schnell ging. Das hat mich ja völlig umgehauen, als ich das gehört habe", sagte Moslehner am Freitag dem rbb.

Der Eigentümer des Hauses, die "Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft", hatte Manfred Moslehner gekündigt, weil dieser über Jahre hinweg die vom Eigentümer geplanten Modernisierungsmaßnahmen verweigerte. Das Amtsgericht Wedding hatte die Kündigung am 22. April für rechtmäßig erklärt.

Modernisierungsarbeiten abgelehnt - aus Angst, sich die Miete nicht mehr leisten zu können

Moslehner lebt seit seiner Geburt 1939 in der Kleinhaussiedlung am Steinberg in Reinickendorf. Er ist alleinstehend und hat keine Kinder. Seine Eltern hatten das Haus aus den 1920er Jahren zuerst gemietet, sie betrieben dort einen Lebensmittelladen. Danach mietete ihr Sohn die etwa 70 Quadratmeter Wohnfläche, der aktuelle Vertrag mit einer Kaltmiete von knapp 400 Euro monatlich läuft seit 1978. Für ein durchsaniertes Haus in der Tegeler Siedlung werden aktuell 4.000 Euro kalt verlangt.

2010 wurde die Siedlung von der landeseigenen GSW an die private Entwicklungsgesellschaft "Am Steinberg" verkauft. Die Besitzer hatten Moslehner dann 2015 gekündigt. Die Begründung: Moslehner lehnte die geplanten Modernisierungsarbeiten ab. Er habe Angst, danach nicht mehr die erhöhte Miete zahlen zu können. "Die Sorge war sehr stark, sobald die reinkommen und anfangen zu modernisieren und ich raus muss, dann ist das schon für mich alles zu Ende", sagte Manfred Moslehner.

Hans Hartmut Lenz, Sprecher der Anwohnerinitiative "Am Steinberg" am 26.04.2024 (Quelle: rbb).
"Er kann es sich ja nach der Modernisierung gar nicht mehr leisten": Hans-Hartmut Lenz, Sprecher der Anwohnerinitiative.Bild: rbb

Gericht urteilte bereits 2021: Moslehner muss die Modernisierungsarbeiten dulden

Anfangs sollten es noch weitergehende Modernisierungen sein, ein Gericht erlaubte dann nur noch eingeschränkte Arbeiten. 2021 urteilte das Landgericht Berlin, dass Moslehner diese Arbeiten dulden und die Handwerker ins Haus lassen müsse. Der Mieterverein Berlin, der Moslehner vertritt, machte einen Härtefall geltend: Moslehner leide wegen der drohenden Sanierung seines Hauses und dem damit verbundenen Stress an einem reaktiv-depressivem Syndrom. Das Amtsgericht folgte dem nicht.

Der jahrelange Rechtsstreit ging nun vorerst zu Ungunsten des Mieters aus, die Kündigung durch den Eigentümer erklärte eine Richterin für rechtmäßig. Moslehner sagte am Freitag, er habe gedacht, dass da ein bisschen Rücksicht auf sein Alter und seinen Zustand genommen würde. "Mir geht es schlecht, ich fühle mich am Ende. Ich kann nachts kaum schlafen und wenn ich schlafe, habe ich Albträume. Mit dem Alter hat man ja auch nicht mehr diese Energie, die fehlt", sagte der 84-Jährige.

Moslehner: Rente von knapp 1.000 Euro im Monat

Von den 38 Häusern der Siedlung seien in den vergangenen Jahren bereits 20 verkauft worden, sagt die Anwohnerinitiative "Siedlung am Steinberg", die sich für Moslehner einsetzt. Seither würden ehemalige Bewohner systematisch rausgedrängt. Laut Gerichtsurteil würde die Miete nach der Modernisierung auf knapp 1.300 Euro im Monat steigen. Moslehner gab gegenüber dem rbb am Freitag an, über eine Rente von monatlich knapp 1.000 Euro zu verfügen. Vor Gericht hatte er keine Auskunft über seine Vermögensverhältnisse gegeben. Angebotene Ersatzwohnungen für die Dauer der Arbeiten habe er ohne sie zu besichtigen nicht in Anspruch nehmen wollen, heißt es in der Begründung des Gerichtsurteils, die dem rbb vorliegt.

"Der Beklagte begründet noch nicht ansatzweise, ob und ggf. in welchem Umfang die nach der Modernisierung zu erwartende Gesamtmiete, die die Klägerin bei einem Erhöhungsbetrag zwischen 700,00 € bis 850,00 € mit voraussichtlich zwischen 1.110,00 € und 1.260,00 € pro Monat beziffert, von ihm nicht zu leisten ist", steht in der Begründung.

"Er kann es sich ja nach der Modernisierung gar nicht mehr leisten. Die 1.300 Euro Mindestsumme ist aber die vage Schätzung. Der Eigentümer behauptet jetzt, aufgrund der Preissituation und der ganzen Situation im Bauwesen kann er erst Wochen, Monate später nach Vollendung eine Abschlussrechnung machen und dann feststellen, wie viel auf die Minimalforderung, die jetzt feststeht, noch raufkommt", entgegnete Hans-Hartmut Lenz, Sprecher der Anwohnerinitiative, am Freitag im Gespräch mit dem rbb. Hilfe vom Amt will Moslehner nicht, wie er sagt.

Helena Steinhaus, Gründerin und Geschäftsführerin der Initiative "Sanktionsfrei e.V." (Quelle: Presse / Oliver Betke).
"Ich selber war auch schon mal von einer Räumungsklage betroffen. Und wenn man dann noch so alt ist, weiß ich nicht, wie man das verkraften soll": Helena Steinhaus von "Sanktionsfrei". | Bild: Presse / Oliver Betke

14.900 Euro gesammelt

Bereits kurz nach dem Erscheinen eines Artikels über die Gerichtsentscheidung, dass die Kündigung gegen Moslehner rechtmäßig ist, meldete sich eine Zuschauerin beim rbb. Sie sei bereit, die knapp 4.300 Euro Sicherheitsleistung zu zahlen. Aber auch die Initiative "Sanktionsfrei e.V." bekam Moslehners Fall mit. Sie rief zu einer Spendenaktion auf. "Es haben sich in kürzester Zeit so viele Menschen bei uns gemeldet. Das hat mich selber überrascht", sagte Helena Steinhaus, Gründerin und Geschäftsführerin von "Sanktionsfrei" am Freitag dem rbb. 679 Leute hätten gespendet, 14.900 Euro seien zusammengekommen. Die größte Einzelspende seien mehr als 2.100 Euro gewesen, im Durchschnitt seien es 20 Euro gewesen.

"Wir haben jetzt mit der Anwohnerinitiative vereinbart, dass davon einerseits dieser Sicherheitsbetrag zurückgelegt wird, dann ein Betrag für den Fall, dass Manne umziehen muss, weil das wird auch sehr viel Geld kosten. Alles, was darüber hinausgeht, halten wir auch für die Initiative zurück, weil wahrscheinlich noch andere Bedarfe entstehen. Manne ist ja nicht der Einzige, der langfristig da wahrscheinlich raus muss oder mit solch einer Klage konfrontiert ist", sagte Steinhaus. Das Geld werde auf einem separaten Konto zurückgelegt.

Eines der Häuser der Siedlung "Am Steinberg" in Berlin-Reinickendorf am 26.04.2024 (Quelle: rbb).
Die Siedlung am Steinberg. | Bild: rbb

"Hoffnung, dass ich vielleicht noch mal wieder ein bisschen Mut kriege"

Lenz sagte, gemeinsam mit den Anwälten gegen das Urteil vorgehen zu wollen. Man sei aber nicht zuversichtlich, dass man siegreich aus der Sache hervorgehen werde. Klar ist jedoch: Keine Zwangsräumung in drei Monaten, Manne Moslehner kann sein Zuhause behalten - zumindest bis die letzte gerichtliche Instanz entschieden hat. "Ein bisschen Hoffnung habe ich, dass es nicht zu Ende geht, sondern es sich verlängert. Dass ich dann vielleicht noch mal wieder ein bisschen Mut kriege und mich nach einer neuen Wohnung vielleicht umsehe, oder irgendwie noch eine Unterkunft finde", sagte Moslehner. Gegen das Urteil ist Berufung am Landgericht möglich.

Sendung: rbb24 Abendschau, 26.04.2024, 19:30 Uhr

 

Die Kommentarfunktion wurde am 27.04.2024 um 20:30 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

90 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 89.

    Ob die Richterin gut schlafen kann? Bestimmt.

  2. 88.

    Mensch bleiben, tja was soll dieser Kommentar?
    Das Gericht hat in dieser Sache entschieden, und die Gesetze gelten für Alle im diesem Land
    Geht es auch ohne Anspielung, dass man kein Mensch ist, nur weil es für den Herrn Moslehner nicht so lief, wie er es sich erhofft hatte?
    Übrigens, diese übertriebene Empörung. in Ihrem, und vielen anderen kommentaren ist mehr als befremdlich.

  3. 87.

    Lasst doch den alten , armen Mann in dem Häuschen...was soll das?

  4. 85.

    Und ich bin überrascht wie man Tatsachen so verdrehen kann. Der alte Mann wollte weiter so leben wie bisher.

  5. 84.

    Ich sehe das ganz anders. Ein sehr interessanter Mensch will sich der Willkür der Gier nicht beugen. Für mich schon ein Held.

  6. 83.

    Wieso hatte er Zeit und wofür denn? Er will nicht weg. Punkt. Stellen Sie sich vor, jemand würde das im Alter mit Ihnen machen. Selber Schuld, sagt dann das Umfeld. Was sagt das über diejenigen aus, die so gleichgültig urteilen?

  7. 82.

    Toll, wie schnell dem Mann nun noch geholfen werden konnte, weil es Menschen gibt, die sich ihre Menschlichkeit bewahrt haben und,anders als die politisch Verantwortlichen, nicht wegschauen, sondern handeln !!

  8. 81.

    Das ist nicht ganz richtig. Es gab private Mehrfamilienhausbesitzer, weshalb das Zivilgesetzbuch der DDR ausdrücklich auch den Eigenbedarf an Wohnraum regeln musste. Wie schon erwähnt Entscheidung nur über Gericht und bei Ersatzwohnraum. Da letzteres wohl in der Regel schwer zu beschaffen war, dürften sich die Fälle in Grenzen gehalten haben.

  9. 80.

    Es sollte wieder Mehrgenerationenhäuser gefördert geben. Dann hätten wir die Kita-Problematik und die Alterspflege-Problematik nicht mehr. Die asiatischen Länder machen es vor. Auch müsste es die Möglichkeit geben, dass man ab 67. Lebensjah egal ob als Rentner oder nicht 24.000 EUR p.a. steuerfreie Einnahmen hat.

  10. 79.

    Schämt Euch!!!!
    Einen alten Mann aus seinem Umfeld zu zerren

  11. 78.

    Ja, 9 Jahre lang hatte der Mann Zeit. Ihm angebotene Ersatzwohnungen hat er sich nicht einmal angeschaut. Und jetzt überrascht sein... Das versteht man wirklich nicht.

  12. 77.

    Das ist korrekt. Es ist eine selbstverschuldete Situation in die sich dieser Mann gebracht hat. Leider auch schlecht beraten über durch die Vertreter des Mietervereins. Er hatvdie letzten 9 Jahre nicht gut für sich genutzt.

  13. 76.

    Sie haben den Artikel falsch gelesen. Bitte erst richtig lesen und verstehen, dann kommentieren.

  14. 75.

    Lesen hilft! Der Eigentümer wollte kein Einvernehmen, der will maximalen Profit.

  15. 74.

    Woher nehmen Sie sich das Recht heraus, über den Gesundheitszustand eines Ihnen unbekannte Menschen so final zu entscheiden?
    Sind Sie im Fall involviert oder gar kaufinteressiert und wollen keinen kalten Menschen gänzlich zugrunde richten? Wie wäre es, wenn man, so Sie so alt würde, über Ihren Kopf hinweg entscheiden würde?

  16. 73.

    Wie würde denn die Realität für Manfred Moslehner aussehen, wenn er wirklich in ein betreutes Wohnen kommen sollte? Er verliert auf einen Schlag alle seine Kontakte, die ihm noch geblieben sind, Kinder hat er keine. Wenn ihn also dort keiner aus der Siedlung "Am Steinberg" besuchen würde, würde er auf einem Schlag alle Menschen verlieren, die er bis dahin in seinem Umfeld hatte. Was meinen Sie, wie er das verkraften würde?

  17. 72.

    Weder Sie noch ich können wirklich den Gesundheitzustand des Mannes beurteilen. Allerdings steht ja im Text:

    "Der Mieterverein Berlin, der Moslehner vertritt, machte einen Härtefall geltend: Moslehner leide wegen der drohenden Sanierung seines Hauses und dem damit verbundenen Stress an einem reaktiv-depressivem Syndrom. Das Amtsgericht folgte dem nicht."

    Das finde ich dann schon schade, dass das Gericht den Härtefall nicht bestätigt hat. Vielleicht ist das ja allerdings seine Chance in einem eventuellen Berufungsverfahren.
    So oder so, ich finde es absolut traurig, dass dieser Mann die letzten Jahre seines Lebens in dieser Art und Weise verbringen muss: in völliger Unsicherheit wo und wie es für ihn weitergeht.

  18. 71.

    "Eine Rente von knapp 1000€ glaube ich nicht so ganz."
    Wieso glauben Sie das nicht? So selten ist das ja nun leider auch nicht in Deutschland, dass Menschen von weniger als 1000 Euro Rente im Monat leben müssen.

Nächster Artikel