Erneuter Bundestagswahlkampf - Klinken putzen für die Wiederholungswahl

Mi 24.01.24 | 11:32 Uhr | Von Franziska Hoppen
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Linke-Kandidat Schirmer klingelt bei einem Wohnhaus in Pankow im Rahmen des Winterwahlkampfs.(Quelle:rbb)
Video: rbb24 Abendschau | 24.01.2024 | F. Hoppen | Bild: rbb

Die Vorbereitungen für die Teilwiederholung der Bundestagswahl laufen auf Hochtouren, die Parteien buhlen auf den Straßen Berlins um jede Stimme. Für die Wählerinnen und Wähler zählen mittlerweile andere Themen als vor zwei Jahren. Von Franziska Hoppen

Egal, auf welche Klingel Maximilian Schirmer drückt, die Tür zum Pankower Mehrfamilienhaus, vor dem er steht, bleibt verschlossen. "Ja?" knistert es nach sechs oder sieben Versuchen aus der Gegensprechanlage. "Schönen guten Tag", spricht Schirmer freundlich hinein: "Die Linken auf der Tour durch die Nachbarschaft. Könnten wir rein?" Schweigen am anderen Ende. "Die Linken?" "Ja", antwortet Schirmer. "Und was wollt ihr?" "Über Politik reden. Kannst du uns reinlassen?" "Nee, mache ich nicht." Aufgelegt.

Nicht die Anzahl der Gespräche zähle, macht sich der Co-Chef der Berliner Linken Mut, sondern dass man die Menschen wirklich erreiche. Natürlich geht es Schirmer auch um Stimmen bei der anstehenden Teilwiederholung der Bundestagswahl. In Pankow vor allem um Zweitstimmen, denn Chancen auf ein Direktmandat haben die Linken hier kaum. Aber Schirmer sagt, es gehe um noch mehr: "Es ist jetzt eine Möglichkeit, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen. An einem Zeitpunkt, wo antidemokratische Kräfte sich im Geheimen treffen und überlegen, wie sie an der Demokratie das Beil anlegen, müssen Demokraten zusammenstehen."

Andere Themen im Fokus

Irgendwann macht ihm dann auch jemand auf. Eine junge Frau mit Kopftuch öffnet sogar ihre Wohnungstür. Sie frage sich, wie lange sie noch geduldet werde von der Gesellschaft, sagt sie. Der Rechtsruck sei spürbar. Schirmer macht sich Notizen. Auch, als seine Partei kritisiert wird: Wofür stehe Die Linke noch, nach der Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht, will die junge Frau wissen. Zweieinhalb Jahre nach der verpatzten Bundestagswahl in Berlin zählen für die Wählerinnen und Wähler eben auch andere Themen als damals.

FDP muss Aufklärungsarbeit leisten

Währenddessen muss die FDP in Wilmersdorf erst noch Aufklärungsarbeit leisten. Ihren Stand mit den gelben Flyern, die der Wind immer wieder quer über den Bürgersteig weht, haben sie an der Nassauischen Straße aufgebaut. Dort darf aber nur die linke Seite neu wählen, die rechte nicht. "Da kommen dann auch so Fragen wie: Sind denn auf der einen Seite die schlaueren Wähler als auf der anderen?", berichtet Johannes Heine. Dabei haben die Fehler 2021 gar nicht die Wählenden gemacht.

Stimmung so schlecht wie das Wetter

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann verteilt Giveaways, dick eingepackt in seine Winterjacke. Wilmersdorf ist eine von vielen Stationen in seinem Terminkalender. Viel Aufwand dafür, dass das Berliner Wahlergebnis - mit seinen verhältnismäßig wenigen Stimmen - am Kräfteverhältnis im Bundestag nichts ändern wird. Und viel Kritik, die Lindemann, stellvertretend für die Regierungsarbeit der Ampel, von Passanten einstecken muss. "Ach, wissen Sie, die Politiker, die können sie alle in die Pfeife rauchen", schimpft ein älterer Herr. Lindemann nickt. "Alle?" "Alle!", bekräftigt der Herr: "Ich fühle mich von denen ständig verarscht." Das Argument, seine Stimme zähle auch diesmal, scheint ihn nicht zu überzeugen. Vielleicht auch, weil es schon das dritte Mal ist, dass er innerhalb von drei Jahren zur Urne muss.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Wahl zu wiederholen, sei zu spät gekommen, sagt Lindemann. "Viele würden heute anders wählen als vor zwei Jahren." Das Wahlergebnis in Wilmersdorf von 2021 werde die FDP diesmal wohl nicht mehr erreichen, gibt der Abgeordnete zu Bedenken. "Aber ich hoffe, dass wir nah drankommen."

AfD in Französisch Buchholz unterwegs

In Französisch Buchholz meint die AfD schon Anzeichen für eine "blaue Welle" zu sehen. Laut hupend fährt ein Auto an Götz Frömming vorbei. Der Bundestagsabgeordnete - mit Leiter unter dem Arm - triumphiert: "Brandenburger Kennzeichen. Das war Zustimmung." AfD-Pressesprecher Ronald Gläser trägt die Plakate mit Frömmings Konterfei. Eigentlich lächelt der Gymnasiallehrer schon von vielen Pankower Laternen. Doch oft würden sie herunter gerissen. Auch Angriffe auf Wahlkreisbüros und gegen Mitarbeitende habe es gegeben.

Vorwürfe, dass Mitglieder seiner Partei mit Rechtsextremisten über die Deportation von hunderttausenden Menschen diskutiert haben sollen, weist Frömming zurück. Der Bundestagsabgeordnete empfindet die derzeitige Debatte über die Nähe von AfDlern zu Rechtsextremisten als Propaganda. "Ich glaube, viele Bürger durchschauen dieses Staatsschauspiel sehr gut", sagt Frömming. "Gerade hier im Ostteil der Stadt. Aber wir stellen natürlich auch klar, dass wir nach wie vor gemäß unserer Programmatik auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und zu Rechtsstaat und Demokratie stehen." Es gebe keinerlei Nähe zu "Rechtsextremismus wie er sonst immer definiert wird", so Frömming weiter.

Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Teilen als gesichert rechtsextremistisch ein. Die Einkaufenden vor einem Supermarkt, an dem Frömming seinen Wahlkampf macht, scheint das nicht zu stören. Augenzwinkernd nimmt ein älterer Herr die Wahlwerbung entgegen. Ein anderer bleibt interessiert stehen. "Schlimm genug, was über die AfD gesagt wird, sehr negativ", findet er. "Wird wahrscheinlich so kommen, dass man wieder in diese Richtung wählt."

Frömming ist durch den Zuspruch selbstsicher. 2021 kam die AfD in Pankow nur auf 9 Prozent. Diesmal sieht der Abgeordnete sogar die Chance, die Grünen als stärkste Kraft abzulösen und ein Direktmandat zu holen. Was wirklich passiert, wird man erst am 11. Februar wissen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.01.2024, 13:00 Uhr

Beitrag von Franziska Hoppen

28 Kommentare

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  1. 28.

    Klinkenputzen? Haben die keine Stände in der Stadt, also bei uns sehen sie alle bürgernah in der Altstadt oder an Supermärkte. Die AFD, so kann ich sagen, ist dabei sehr beliebt und willkommen bei den arbeitenden Bürgern.

  2. 26.

    Na ja, das Klinkenputzen von Max mag man als Leidenschaft werten, die meisten Menschen betrachten es eher als aufdringliches Verhalten eines nervigen Besserwissers,

  3. 25.

    Was man bisher nicht über die Medien oder per schlüssigem Konzept erreicht hat, sollen jetzt Klinkenputzer übernehmen? Was viele zu Basisproblemen geschrieben haben, wurde nicht umgesetzt. Unbequeme Punkte in die extreme Ecke gedrückt. Und das will man jetzt so richten? Politik für die eigenen Bürger machen. Real und bezahlbar.

  4. 24.

    Wir wollen hier keine Rechten oder Linken, aber es gibt aktuell keine Politik für die Mitte! Was also tun? Nicht wählen zu gehen ist keine Option!

  5. 23.

    Ja, bitte, liebe Politiker, kümmert euch erst einmal um unsere Basisprobleme: Arbeitsplatzerhalt, finanzierbare Mobilitätswende, uns nicht überfordernde Klimakosten. Strom, Heizung und Mobilität müssen bezahlbar sein, die Unternehmen brauchen wieder Rahmenbedingungen, damit die weitere Abwanderung aus Deutschland sehr schnell gestoppt wird!

  6. 22.

    Leute zu Hause zu belästigen, ist absolut übergriffig. Für mich wäre das ein Grund, eine Partei, die sowas tut, nicht zu wählen, da sie ganz offensichtlich meine Privatsphäre nicht respektiert.
    Im übrigen muss die Politik nicht ihre Erklärungen verbessern - die Leute sind ja nicht doof, die verstehen ganz genau, was passiert. Die Politiker sollten nicht die Leute zutexten, sondern mal auf sie hören und im Interesse der Wähler handeln, statt gegen sie zu agieren.
    Interessant finde ich die Verteilung der Wahlplakate. Am Stadtrand gibt es so gut wie kein einziges Laternenplakat von Grünen, Linken und SPD. Auf meinem Wege beginnen die ersten Linkenplakate ca. 10 km stadteinwärts, weitere 5 km kommen dann einzeln Grünen-Plakate dazu, dann auch wenige von der SPD. Als ob die Parteien den Stadtrand aufgegeben hätten, weil da sowieso nichts für sie zu holen ist.

  7. 20.

    Ich gehe auch wählen, obwohl ich den Wahlversprechen nicht glaube, einfach um das geringere Übel zu wählen und nicht der Schande für Deutschland das Feld zu überlassen. Ich weiß, dass es viele so machen.

    Meinen Sie wirklich während "Weiter so" waren die Vorhaben realistisch und für den Bürger nachvollziehbar? Es wurde doch vieles einfach schleifen gelassen, kaputt gespart oder windigen Investoren überlassen. Marode Straßen, Bahngleise, Schulen und KITAS sind doch nicht erst in den letzten Jahren entstanden. Um es mal mit einem DDR-Witz zu sagen: «Gestern standen wir kurz vor dem Abgrund, heute sind wir schon ein Stück weiter.»

  8. 19.

    Ick find Max super. Der brennt für die Sache!

  9. 18.

    Wahlwerbung hat mich noch nie interessiert. Im Gegenteil, sie nervt und es ist schade um das viele Geld, das damit verpulvert wird. Ich mache meine Wahlentscheidung davon abhängig, wie die Parteien in der davor liegenden Wahlperiode gearbeitet haben und wie sie sich zu anstehenden Problemen verhalten, egal ob in Regierungsverantwortung oder in der Opposition. Im Wahlkampf gehen doch mit allen die Pferde durch, das darf man nicht so ernst nehmen. Und diese Klingelputzerei geht gar nicht!

  10. 17.

    „Über Politik reden. Kannst du uns reinlassen?"
    Also jeden reinlassen, dass mache ich schon lange nicht mehr der vor meiner Tür steht wie ein Vertreter. Was will ein Politik- Klingel-Putzer vertreten, verbessern? Überzeugen, dass seine Partei eine bessere Politik macht? Dazu müsste jede Partei vor einer Wahl eine bessere Kommunikation zum Bürger praktizieren. Die Wähler erreicht man am besten, wenn sie einem vor der Wahl keine Visions- Märchen erzählen, die sie nach einer Wahl nicht einhalten bzw. nur als reine Theorie verblasst. Verantwortung für die Demokratie übernehmen? Ein vernünftiger Bürger sieht seine Verantwortung zur Beibehaltung der Demokratie im Land, jedoch kommen manche ins Zweifeln, wenn eine gewählte Regierung sie nicht für alle zulässt. Die Wahl zu wiederholen, sei zu spät gekommen? Was wurde in dieser Zeit von der Politik gegen Rechtsextremisten unternommen? Es wurde meistens nur diskutiert.

  11. 16.

    Sie unterschätzen das Potential von Start-Up-Unternehmen gewaltig, wenn Sie so argumentieren.

  12. 15.

    Ja und? Dann trennt sich eben die Spreu vom Weizen, trotzdem bleiben diverse bestehen. Und nun?

  13. 14.

    StartUps sind doch meistens Eintagsfliegen, die genau so schnell verschwinden wie sie gegründet wurden. In Berlin kann man am schnellsten Fördergelder abgreifen, aus diesem Grund die hohe Zahl von Neuanmeldungen in dieser Stadt. Spätestens nach 3-6 Monaten trennt sich die Spreu vom Weizen.

  14. 13.

    "... Warum ist dann Berlin immer noch eine der wichtigsten Städte für Start-Up-Unternehmen? ..."
    Dazu braucht man sich nur einmal die Fördermittel/-zuschüsse in Berlin (auch Brandenburg) anschauen.

  15. 12.

    In der Schule erhält man Zeugnisnoten für die in der Vergangenheit geleistete Arbeit. Und die Parteien denken, sie bekämen eine Beurteilung für eine künftige Leistung?

  16. 11.

    "Viele glauben Wahlversprechen nicht mehr"

    Und trotzdem gehen viele wählen; teilweise auch wieder mehr.

    "Einigkeit innerhalb einer Partei ohne ständige Streitigkeiten, nachvollziehbare, realistische Vorhaben"

    Das alles war noch vor wenigen Jahren verpöhnt und wurde als "politischen Einheitsbrei" und "Weiter so" diffamiert.

  17. 10.

    Genauso ist es. Wozu jetzt wieder - oder überhaupt vor Wahlen - diese unsäglichen Wahlplakate überall hängen "müssen", ist mit ein Rätsel. Keiner wählt nach Plakaten, sondern die Leute bilden sich ihre Meinung woanders. Und wenn vor den Wahlen immer total viel angekündigt und versrochen wird, was hinterher nicht eingehalten wird, dann muss sich keiner wundern, wenn Menschen wahlmüde und politikverdrossen werden. Es wird ja auch immer mehr am Willen der Wähler vorbei regiert. Statt Parteien, die sich nur noch um sich selbst drehen, sollten wir besser Themen wählen, dann jeweils wirkliche Fachleute für die Bereiche einsetzen. Dann könnte es wieder klappen mit diesem Land.

  18. 9.

    Genau.
    Bin auch gerade mit so einem Papier "beglückt' worden. Nicht mehr als abgenutzte Slogans. Das einzig brauchbare war die freie Rückseite. Also noch zum (Probe-)Druck geeignet. Besser wäre es gewesen, diesen Unsinn gar nicht erst auf eine Seite zu bringen. Auch wenn das Lächeln jünger ist.
    Das Papier landet irgendwann in der blauen Tonne. Zwischenzeitlich wenigstens noch einen Nutzen!

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