Herthas 2:3 in Karlsruhe in der Analyse - Eine vielversprechende Niederlage

So 21.04.24 | 19:11 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Hertha-Trainer Pal Dardai (imago images/Eibner-Pressefoto/Memmler)
Video: rbb24 | 21.04.2024 | Simon Wenzel | Bild: imago images/Eibner-Pressefoto/Memmler

Hertha spielt gegen den Karlsruher SC eines seiner besseren Saisonspiele, verliert aber mit 2:3. Die Niederlage bestätigte vielversprechende Ansätze, aber auch anhaltende Probleme der Berliner. Trainer Dardai trifft keine Schuld. Von Marc Schwitzky

"Im Fußball zählt immer nur der nächste Pass", erklärt Pal Dardai immer wieder. Der Trainer von Hertha BSC weiß, dass es im Geschäft Profi-Fußball stets das neue Ziel braucht. Vergangene Erfolge zählen wenig. Angesichts des gesicherten Platzes zwischen oberer Tabellenhälfte, dem Mittelfeld und der geringen Aussicht auf das Erreichen von Rang drei, setzte der Ungar zuletzt einen Reiz für die nächsten Wochen. "Wir wollen zeigen, dass wir dreimal hintereinander gewinnen können. Das haben wir lange nicht geschafft."

Genau genommen gelang der "alten Dame" solch eine Serie zuletzt zwischen September und Oktober 2019. Damaliger Trainer? Nicht Pal Dardai, sondern sein damaliger Nachfolger Ante Covic. Dardai selbst gelang solch ein Dreierpack zuletzt zu Beginn der Saison 2016/17. Nach der 2:3-Niederlage beim Karlsruher SC muss Dardai einen neuen Versuch unternehmen, jene Serie zu wiederholen. Dabei traf den 48-Jährigen am Sonntag wenig Schuld.

Teile der Zutaten waren vorhanden

Doch was braucht es eigentlich, um gleich dreimal hintereinander als Sieger vom Platz zu gehen? Da wäre zum einen Konstanz. Und hierfür auch personelle Stabilität. Trainer Dardai sorgte dafür, indem er dieselbe Startelf gegen den KSC auf den Rasen schickte wie beim 4:0-Erfolg gegen Rostock aus der Vorwoche. Wenig überraschend, hatte der Heimsieg kaum Anlass für Kritik und somit personelle Umstellungen gegeben.

Jene Zutat verträgt sich bestens mit einer weiteren: Ein festes System und einstudierte Abläufe. Beim Sieg über Rostock stellte Dardai erstmals seit langer Zeit wieder auf ein 4-3-3 um - das System der ersten Saisonphase. Die etwas andere Aufteilung im Mittelfeld im Vergleich zum vorher üblichen 4-2-3-1 kam den Berlinern sichtlich zugute - so auch gegen Karlsruhe. Dort knüpften Herthas erste 30 Minuten an, wo die Berliner gegen Rostock aufgehört hatten - an famosen Ballbesitzfußball.

Die Hauptstädter bauten in einem 3-3-3-1 auf, in dem einer der Außenverteidiger neben die Innenverteidiger rückte und so eine Dreierkette entstehen ließ. Der andere Außenverteidiger, meist Michal Karbownik, rückte dafür ins Mittelfeldzentrum ein oder auf der Außenbahn weit nach vorne auf. Auch die zentralen Mittelfeldspieler ließen sich immer wieder in Halbräume fallen. So gelang es Hertha, die Deckung des KSC immer wieder durcheinanderzubringen und Räume für vor allem Flügelspieler Fabian Reese zu öffnen.

Hertha agierte entgegen seiner eigenen Natur

Immer wieder gab es äußerst ansehnliche Ballpassagen, die ins letzte Drittel führten und Gefahr auslösten. Dabei agierten die Gäste auch überaus geduldig. Am Ende der Begegnung hatte Hertha 53 Prozent Ballbesitz verzeichnet. Mit durchschnittlich 47,2 Prozent Ballbesitz liegt die Mannschaft im Ligavergleich ansonsten auf Rang zwölf. Aus der Umschaltmannschaft ist gegen Rostock und den KSC ein Ballbesitzteam geworden.

Hertha konnte aber auch anders. Ergab sich die Lücke, wurde das Spiel urplötzlich pfeilschnell. So wie in der 23. Minute, als Innenverteidiger Marc Oliver Kempf, den startenden Reese erspähte und ihn mit einem hervorragenden langen Ball bediente. Reese war daraufhin nicht mehr einzuholen und legte das Tor von Haris Tabakovic zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleichstor auf.

Hertha schläferte sich selbst ein

Doch die meiste Zeit war Herthas Ballbesitzspiel ruhig angelegt, irgendwann allerdings zu ruhig. Die Berliner kontrollierten das Spiel zwar, doch mit der Zeit mangelte es den eigenen Aktionen an Punch. "Wir sind hier zum Fußballspielen, nicht zum Schlafen", brüllte Trainer Dardai seinen Spielern um die 40. Minute herum entgegen.

Und so schläferten sich die Berliner selbst ein. War es beim 0:1 noch der entscheidende Zweikampf im Strafraum, den Hertha nicht bestritt, war es beim 1:2-Treffer des KSC eine eher kollektive Schlafmützigkeit. Die Berliner verteidigten bei langen Bällen des Gegners die Tiefe nachlässig, konnten so die einfache Flanke und den daraus resultierenden Kopfballtreffer von Igor Matanovic nicht verhindern. "Wir haben in der ersten Halbzeit in manchen Momenten dominiert, aber waren zu hochnäsig", fasste Tabakovic zusammen.

Die letzten Prozentpunkte fehlen

Dem Rückstand lief Hertha den Rest des Spiels hinterher, ohne aber aufzustecken. Die Berliner spielten weiter konstruktiv nach vorne, erspielten sich eine Vielzahl an sehr vielversprechenden Angriffen, denen jedoch zu oft der entscheidende Pass, der Abschluss oder schlicht das letzte Quäntchen Glück fehlte.

Zudem war es lobenswert, dass Hertha bei allen Offensivbemühungen defensiv keine größeren Strukturprobleme zuließ. Die Mannschaft verteidigte weiterhin konsequent als Verbund, gewann viele zweite Bälle und ließ nur wenige Karlsruher Umschaltmomente zu. Und dennoch fiel auch das dritte Gegentor. In der 77. Minuten verteidigten die Berliner erneut zu passiv, ein einfacher Doppelpass nahm gleich drei Herthaner aus dem Spiel, sodass Marvin Wanitzek zum 1:3 einnetzen durfte. Schwächen einer Defensive, die in der Rückrunde die meisten Gegentreffer der gesamten zweiten Liga kassiert hat.

Keine Niederlage wie die andere

Zwar kam Hertha durch einen verwandelten Foulelfmeter noch zum 2:3-Anschlusstreffer, die Niederlage konnte aber nicht mehr verhindert werden. Die Enttäuschung im Berliner Lager dürfte groß sein - doch nicht aus denselben Gründen wie bei anderen Niederlagen. Denn diese Niederlage war keine wie andere. Selten hat der Hauptstadtklub ein Spiel verloren, in dem er die eigentlich bessere Mannschaft war. Trainer Dardai hatte seine Spieler gut eingestellt, ihnen klare Muster im Ballbesitz an die Hand gegeben und so an das Rostock-Spiel angeknüpft. Daraus ergaben sich 53 Prozent Ballbesitz, 19:9 Torschüsse und ein xGoals-Wert von 2,27 zu 0,66. Hertha hat sich gegen den KSC weit mehr erspielt als bei so manchem Saisonsieg.

Hertha hat nicht verloren, weil es spielerisch nicht gereicht oder es kein klares Konzept gegeben hätte. Hertha aufgrund von kleinen Nachlässigkeiten in der Defensive, mangelnder Effizienz und einem eiskalten Gegner verloren. Es sind genau diese Niederlagen, die sich ein Verein in einer Übergangssaison erlauben darf. Weil Ansätze zu erkennen waren, die sich über das einzelne Spiel hinaus bezahlt machen werden. Ja, es bleiben Kritikpunkte: Hertha muss die individuellen Abwehrfehler abstellen und im letzten Drittel noch bessere Entscheidungen treffen. Auch das Spiel durchs Zentrum muss sich noch verbessern.

Doch sind all das Probleme, die angegangen werden können. Anders als viele Spiele zuvor macht das 2:3 in Karlsruhe nicht die grundsätzlichen Fragen wie die um die Trainerpersonalie auf. Gegen Karlsruhe fehlten Details. Details, die die Verantwortlichen ärgern, aber nicht zweifeln lassen müssen. Das Rezept zum dritten Sieg infolge mag noch nicht geklappt haben, einige Zutaten sind aber schon da.

Sendung: rbb24, 21.04.2024, 21:45 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

23 Kommentare

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  1. 23.

    Das ist ja das große und süße Geheimnis, was so glücklich macht : Die Fans werfen brav ihre sauer verdienten Taler in die laufenden Kredite, und hoffen, das irgendwann sich das mal irgendwie auszahlt und als eventueller Erfolg oder auch Misserfolg, zurück kommt. Das Prinzip Glaube funktioniert nicht nur bei Religionen, sondern auch hier. Das es nicht nur schwarze Löcher im Universum, sondern hier gibt, die alles schlucken und nichts mehr herauslassen, ist noch nicht überall in Zuschauerkreisen bekannt.

  2. 22.

    "Eine vielversprechende Niederlage" nach einer "ausgeglichener Partie"?
    Nun, die Literaten verfügen über eine beschränkte Auswahl an Artikelbilder, wie man immer wieder sehen darf. Entweder Hertha Super Star Reesi oder das Xte Bild von der beleidigten Leberwurst.
    Gut, damit ist am Ende der Saison Schluß.
    Vielleicht auch damit, dass unter der Woche fast ausschließlich über Hertha BCC berichtet wird, statt sich auch der anderen Berliner Vereine anzunehmen.

  3. 21.

    Es heißt immer Hertha hätte gar nicht schlecht gespielt, verliert aber trotzdem und belohnt sich nicht. Ich kann es nicht mehr hören. Hertha ist und wird immer die graue Maus bleiben, bei der man nie weiß, wie sie nächste Woche spielen werden. Ob berliner Weg oder nicht

  4. 20.

    Hertha BSC ist in den letzten Jahren ja so erfolgreich gewesen , mut Abstieg, Schulden, Betrügereien usw. Menschenkinder, manche Dinge sind einfach extrem komisch ...
    Viele Grüße.

  5. 19.

    Mainz ist natürlich in den letzten Jahren äußerst erfolgreich gewesen(Ironie) Menschenskinder, manche Dinge sind einfach extrem komisch ...
    Grüße

  6. 18.

    Wer in 30! Spielen seine Abwehr und Abwehrverhalten nicht in den Griff bekommt sollte sich hinterfragen. Schon in der Einleitung zu schreiben " Dardai trifft keine Schuld" ist ansich schon fragwürdig. Selbst die sogenannten Fußball Experten sagen das bei Hertha die Grundlagen des Spiels fehlen.

  7. 17.

    Hertha wäre wahrscheinlich eine Spitzenmannschaft in der 3. Liga, obwohl man auch daran zweifeln könnte, denn die Jungs können auch Fußball spielen, nur ihre Gehälter sind wesentlich kleiner.

  8. 16.

    "Trainer Dardai trifft keine Schuld." Dass ich den Satz noch einmal lesen darf... überrascht mich positiv!

  9. 15.

    Damit ist klar: Auch nächste Saison wieder nur zweitklassiger Sport in Charlottenburg.

  10. 14.

    Bald wird Pal entlassen und ein hungriger Taktikfuchs geholt. Und dann gehts richtig abwärts. Hoffentlich kann man weiterhin auf die 50k Fans zählen, dass die brav ihre Taler in die laufenden Kredite werfen. Das heißt doch Berliner Weg im Endeffekt.

  11. 13.

    Ach, mal wieder ein Schwitzky-Bericht. Sorry, aber das hat mit Journalismus mal so gar nichts zu tun. Bessere Mannschaft? Nun ja, das sollte man nicht mal durch eine blauweiße Brille so sehen. Es war relativ ausgeglichen, aber Herthas Hintermannschaft vogelwild. Da braucht man sich dann nicht zu wundern. Außer Marc S. halt.

  12. 11.

    Welcher 2. Verein meinen sie ?
    Ich bin und bleibe Mainzer Fan. Egal ob es gut oder schlecht läuft.
    Ah, in der Blitztabelle stehen die auf einem Nichtabstiegsplatz.
    Diese Mannschaft tut momentan alles, es besser zu machen als letztes Jahr Hertha BSC.

  13. 10.

    Fehler in der Abwehr, und die war gut? Hä? Ausgewechselt wurden nur offensive Spieler? Und das liegt nicht am Trainer? Hätte ich das vorher gewusst, wäre ja meine jahrelange Arbeit als Trainer fehlerlos. Danke!
    Die Form von Spielern hängt von vielen Faktoren ab. Aber meine Aufgabe als Trainer ist es taktisch darauf zu reagieren. Passte heute nicht.
    Haben die ReporterInnen jetzt Angst vor dem nächsten Aussetzer? Es ist egal wie das Training ist, das Spiel zählt im Profisport.
    Eisernes HaHoHe

  14. 9.

    Hallo Horst, wie kommen Sie darauf, dass der Lieblingsverein vom Nils, also Mainz, nicht doch Absteigen könnte? Sein anderer Verein, der aus der Wuhlheide, könnte gleiches Schicksal ereilen!
    Nach den Leistungen.......

  15. 8.

    "dass Mainz doch nicht absteigt..."
    Abwarten. Relegation will auch erst gewonnen werden.

  16. 7.

    "Die letzten Prozentpunkte fehlen"
    Ja, wieviel denn? 20, 30, 50%?
    Selbst, wenn die Hertha-Redaktion es mit einer gewissen Verbissenheit schön schreiben will/muss, bleibt die Realität übrig: Hertha BSC ist und bleibt eine 2.Liga-Mannschaft.
    Und, hat 3:2 VERLOREN.
    Zu mehr reicht es eben nicht.
    Selbst wenn sie aufsteigen sollten, geht es nur um den Kampf mit den 1.FC Köln, wer wieoft absteigt.

  17. 6.

    Halten Sie sich mit Ihren pauschalisierenden Aussagen zu Hertha zurück. Nicht alle Herthaanhänger sind bekloppt. Die Meinung eines guten Spiels hat Schwitzky exklusiv. Freuen Sie sich lieber, dass Mainz doch nicht absteigt, anstatt hier weiter gege Hertha zu hetzen. Mit einem freundlichen HaHoHe.

  18. 5.

    Man fällt nicht wieder in die alten Muster zurück, sondern man war noch nie außerhalb der Muster. Deshalb waren auch viele Millionen nötig, um den ersehnten Abstieg zu ermöglichen und zu realisieren. Es gab hier im Forum auch etliche Stimmen, die sich die 3. Liga gewünscht haben. Diese wurden als Hertha-Hasser, Nestbeschmutzer und ständige Miesmacher beschimpft. Aber es wäre dem Niveau der Mannschaft angemessen. Schön spielen reicht eben nicht, wenn man europäisch mithalten will. Das ist ja weiterhin das Fernziel, aber erst in langer Zeit.

  19. 4.

    So ist halt der Berliner Weg .steinig und steil ( bergauf wie bergab !).

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