Landwirtschaft unter Druck - "Bewässerungsanlagen boomen nach den trockenen Jahren"
Trotz aktueller Regenfälle müssen sich Brandenburgs Bauern langfristig auf Trockenzeiten einstellen. Einige Landwirte reagieren bereits mit der Bewässerung ihrer Felder. Aber auch diese Ressourcen sind begrenzt - und es gibt Alternativen. Von Veronika Fritz
Jedes Jahr ist es für die Landwirte im Frühling und Sommer das Gleiche: hoffen auf ausreichend und gut verteilten Regen. Die letzten beiden Jahre sah es damit in Brandenburg schlecht aus: "Die Luzerne, eine Futterpflanze ähnlich dem Klee, gilt mit ihren tiefen Wurzeln eigentlich als Trockenversicherung für das Viehfutter. Aber seit 2019 schwächelt selbst die", sagt Thomas Gäbert. Er leitet einen genossenschaftlich organisierten Mehrfamilienbetrieb mit knapp 4.000 Hektar Landwirtschaftsfläche in Trebbin.
In den vergangenen beiden Jahren hatte er wie viele Landwirte in Deutschland mit großen Ernteverlusten zu kämpfen. Die Kartoffel- und Getreideernte in Brandenburg lag 2018 und 2019 deutlich unter dem Durchschnitt der vorherigen Jahre. Und auch im langjährigen Verlauf lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Niederschlag in den Frühlingsmonaten und dem Ernteertrag pro Hektar erkennen.
Es gibt allerdings noch weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Ernte haben und erklären, warum ein höherer Niederschlag nicht in jedem Fall zu einem höheren Ertrag führt. Eine Rolle spielen Temperatur, Sturmschäden oder die Verteilung der Niederschläge. Denn zu viel Regen auf einmal ist auch nicht hilfreich.
Derzeit sind viele Landwirte - zumindest voerst - etwas optimistischer. Der Frühling hat in Brandenburg zwar wieder sehr trocken begonnen und im April ist kaum Regen gefallen. Danach gab es allerdings immer wieder Niederschläge. Wesentlich für einige Arten ist nun der Niederschlag in den kommenden Wochen.
Trockenheit trotz Regen
Doch eine rbb|24-Datenanalyse zeigt: Brandenburg ist langfristig mit Trockenzeiten und vor allem mit trockenen Böden konfrontiert - selbst wenn zwischendrin Regen fällt. Darauf müssen sich Brandenburgs Landwirte einstellen. Einige reagieren mit künstlicher Bewässerung ihrer Felder. In Brandenburg wurden im Jahr 2015 nur rund zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Freiland bewässert. Aktuellere Daten zur Bewässerung werden erst dieses Jahr erhoben. Ekkehard Fricke vom Fachverband Feldberegnung sieht aber einen deutlichen Trend nach oben: "Die trockenen Jahre haben einen Boom der Bewässerungsanlagen ausgelöst."
Besonders im Gemüseanbau zeigt sich ein großer Effekt des künstlichen Regens. Die Kartoffelernte pro Hektar ist in Brandenburg im Schnitt deutlich höher, wenn die Pflanzen zusätzliches Wasser bekommen. Das zeigt eine stichprobenartige Erhebung des Landesamtes für Statistik. 2018 und 2019 fiel wenig natürlicher Niederschlag, der Mehrertrag von bewässerten Kartoffelpflanzen war auffallend groß.
Bewässerung muss eingeplant werden
"Wer heute anfängt, Kartoffeln oder Gemüse in Brandenburg anzubauen, sollte die Bewässerung auf jeden Fall direkt mitplanen", sagt Falk Böttcher, Agrarmeteorologe vom Deutschen Wetterdienst. Denn bei Kartoffeln und Gemüse kommt für Landwirte unter dem Strich ein Mehrgewinn raus, wenn sie bewässern. Bei Getreide ist die Rechnung nicht ganz so einfach: Hier muss ein Landwirt abwägen. Wie teuer ist die Anschaffung der Technik? Wie viel Arbeitskraft ist für die Bewässerung nötig? Inwiefern steigt der Ertrag oder die Qualität?
Auswirkungen auf die Umwelt
Die Wasserentnahme ist allerdings streng geregelt. Aus Sicht der Landwirte sind die Wasserbehörden bei der Erteilung der Genehmigungen sehr zurückhaltend, aus Sicht des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) sind sie sehr großzügig. "Eine Absenkung des Grundwasserspiegels kann dazu führen, dass umliegende Flächen, wie Wälder oder Feuchtgebiete, nicht mehr ausreichend Wasser haben", sagt Julia Mussbach vom Nabu, "denn die Grundwasserkörper sind unterirdisch großflächig vernetzt."
Aufgabe der Behörden ist es zu prüfen, ob durch die Wasserentnahme umweltschädliche Effekte auftreten. Bisher ist der Anteil der Landwirtschaft mit unter zwei Prozent an der gesamten Wasserentnahme allerdings verschwindend gering. "Ein Problem bekommen wir dann, wenn die Landwirtschaft in Zukunft stärker bewässert und zusätzlich die Niederschläge im Frühjahr ausbleiben. Das kann regional sehr unterschiedlich ausgeprägt sein", sagt Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt. Genau dieser Regenmangel im Frühjahr ist allerdings der Trend, wie die Datenanalyse zeigt.
Grundsätzlich sind die Landwirte in Brandenburg wenig Niederschlag gewohnt. Denn die Region liegt auch im langjährigen Verlauf deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, wie eine Analyse vom mdr zeigt [mdr.de].
Eine übliche Methode, um großen Ernteverlusten vorzubeugen, ist die Abwechslung auf den Feldern. Denn unterschiedliche Pflanzen benötigen zu unterschiedlichen Zeiten besonders dringend das Wasser. Wintergerste braucht im März und April Regen, für Mais ist das Wasser im Juli sehr wichtig. Wenn ein Monat extrem trocken ist, muss bei einem vielfältigen Anbau also nicht sofort die ganze Ernte kaputt sein.
Momentan sieht es aber so aus, als würden die herkömmlichen Methoden nicht mehr ausreichen. "Der Handlungsdruck auf die Landwirte ist da", sagt Tino Erstling vom Landesbauernverband Brandenburg. Deshalb gehen einige Landwirte in Brandenburg jetzt ganz neue Wege.
Hoffnungspflanze Kichererbse
Thomas Gäbert hat mit seinem Betrieb in Trebbin dieses Jahr ein Experiment begonnen: Neben Roggen, Mais und Raps wachsen auf einem kleinen Teil seiner Felder Kichererbsen. "Als ich gelesen habe, dass die Kichererbse trockene und nährstoffarme Böden braucht, dachte ich: Perfekt, genau das haben wir hier", sagt Gäbert. In Deutschland gibt es bisher kaum Landwirte, die Kichererbsen anbauen. Weiter verbreitet ist der Anbau in Indien und der Türkei. "Thomas Gäbert ist mit dem Anbau von neuen Arten ein Vorreiter, aber kein Einzelfall", sagt Erstling vom Bauernverband Brandenburg, "denn es liegt im eigenen Interesse der Landwirte, dass sie sich nach links und rechts umschauen und nach Arten suchen, die auf ihren Äckern am besten gedeihen."
Sendung: Inforadio, 02.07.2020, 10:00 Uhr