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Quelle: Lisa Ducret/dpa

Existenzkampf der Berliner Clubs

"Wenn wir ehrlich sind, sind wir eigentlich alle insolvent"

40 der 140 Berliner Clubs haben Soforthilfe IV vom Berliner Senat erhalten. Im Schnitt 81.000 Euro, aber sehr ungleich verteilt. Und gerettet sind sie damit nicht. Clubs wie das "Cassiopeia" hoffen vielmehr auf nachhaltige Konzepte. Von Henrike Möller

Er sei wirklich dankbar, betont Florian Falkenhagen immer wieder. Er ist Geschäftsführer vom Cassiopeia, einem Club mit 15-jähriger Geschichte auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain. Und trotzdem: "Das ist nichts, wo man jetzt sagen kann, ok, wir haben’s geschafft, wir können jetzt durchatmen."

89.000 Euro hat das Cassiopeia vom Senat bekommen. Das ist mehr als die meisten anderen Clubs, deren Antrag auf Soforthilfe IV genehmigt wurde. Länger als drei Monate wird das Geld aber dennoch nicht reichen, sagt Falkenhagen.

Mini-Events für die Community - nicht fürs Geld

Wie viele andere Clubs auch veranstaltet das Cassiopeia in seinem Außenbereich inzwischen zwar kleine Events wie Open Air-Kneipenquizze, Flohmärkte oder Biergarten-Abende. Geld bringen diese Alternativ-Konzepte aber kaum, sagt Florian Falkenhagen: "Das ist alles ein Tropfen auf den heißen Stein, machen wir uns nichts vor. Tatsächlich machen wir diese Aktionen, um unsere Mitarbeiterinnen ein Stück weit aus dem Kurzarbeiter-Geld rauszuholen."

Das sagt auch Eli vom "About Blank": "Und um die soziale Funktion, die das About Blank hat, aufrechtzuerhalten und dem Stammpublikum etwas zurückzugeben." Seit Anfang Juli hat der Club am Ostkreuz seinen Sektgarten geöffnet.

Eine große treue Community hat sich für die Berliner Clubs unter Corona als überlebenswichtig erwiesen. 130.000 Euro hat das "About Blank" durch Crowdfunding eingenommen - mehr als die meisten anderen Berliner Clubs. Ohne den Support ihres Publikums wäre auch das Schwuz in Neukölln nach eigenen Angaben bereits Ende Mai in die Insolvenz geschlittert.

Hoffnung auf Fördergelder

"Wenn wir ehrlich sind, sind wir im Grunde eigentlich alle insolvent oder zumindest die meisten von uns, weil wir keine Rücklagen haben", sagt Pamela Schobeß, Betreiberin des "Gretchen" am Mehringdamm. "Einige haben Kredite beantragt, obwohl sie jetzt schon im Grunde gar nicht wissen, wie sie sie zurückzahlen sollen." Ihr eigener Schuldenberg beläuft sich inzwischen auf 50.000 bis 75.000 Euro. "Die meisten von uns vertrauen darauf, dass die Förderungen kommen und dass wir darüber unsere Schulden zurückbezahlen können", so Schobeß.

Sie hofft auf die zweite Welle der Soforthilfe IV. Im August startet die Bewerbungsfrist. Diesmal können auch kleine Clubs wie das Gretchen mit weniger als zehn Mitarbeitern Anträge stellen. Bei der ersten Welle der Soforthilfe IV waren diese Clubs von der Antragsstellung ausgenommen. Das Gesamtvolumen der neuen Soforthilfe IV beträgt laut Senatsverwaltung für Kultur 30 Millionen Euro.

Open Air-Veranstaltungen sollen retten

Was die Clubs ebenfalls ein Stück weit aus ihren Schulden hieven könnte, wären Open Air-Veranstaltungen, glaubt Pamela Schobeß, die auch Vorsitzende der Club Commission ist, der Interessenvertretung der Berliner Clubs: "Es gibt ja überall illegale Raves. Da achtet aber niemand auf Mund-Nasen-Schutz oder auf die Abstandsregel. Deswegen wäre das eigentlich eine Win-Win-Situation für alle, wenn es Open-Air-Veranstaltungen gäbe, die organisiert wären, wo sich halt auch Leute entsprechend kümmern und die Verantwortung übernehmen."

Für mehr genehmigte Open Airs in Berlin in der jetzigen Situation setzt sich auch der SPD-Politiker Daniel Buchholz ein. "Das gibt wenigstens ein bisschen Entlastung", sagte er am Freitag im rbb-Inforadio. Bezirke sollten "etwas toleranter schauen", an welchen Orten es Möglichkeiten gibt, um die wichtige und bunte Kulturlandschaft in Berlin zu erhalten, so Buchholz.

Clubs bleiben lieber geschlossen und erhalten Förderung

Dass sie weiterhin geschlossen sind, dafür haben die meisten Berliner Clubs Verständnis. Zumal eine Öffnung unter Abstandsregeln sie erst recht in den finanziellen Ruin treiben würde. Florian Falkenhagen vom Cassiopeia sagt: "Wir brauchen ja auch eine gewisse Anzahl an Personen, um überhaupt unsere Kosten decken zu können. Und mit 1,50 m Abstand schaffen wir das nicht. Meine Angst ist, dass gesagt wird, ok, ihr könnt unter den und den Auflagen aufmachen, und das war's jetzt mit der Unterstützung." Falkenhagen hofft, dass die Clubs solange geschlossen bleiben, "bis es tatsächlich ein Konzept gibt, dass sowohl die Sicherheit der Menschen als auch die wirtschaftliche Sicherheit der Clubs sichert."

Sendung: Inforadio, 17.07.2020, 6:55 Uhr

Beitrag von Henrike Möller

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