rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: Inforadio | 08.04.2019 | Dietmar Ringel im Gespräch mit Karl-Christian Bergmann | Quelle: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Interview | Allergologe Karl-Christian Bergmann

"Durch den Klimawandel bleibt Allergikern kaum eine ruhige Zeit"

Tropische Nächte, extreme Regenfälle und trockene Hitze: Das Klima in Berlin und Brandenburg wird sich ändern - bis zu drei Grad Celsius wärmer könnte es 2100 sein. Damit dehnt sich auch die Pollensaison weiter aus - mit Folgen für Allergiker.  

rbb: Die Datenauswertung von rbb|24 hat ergeben, dass es deutlich wärmer wird in Berlin und Brandenburg, wenn der Klimaschutz nicht deutlich verstärkt wird. Herr Bergmann, sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und immer schlimmeren Allergien?

Karl-Christian Bergmann: Bei den Allergikern sprechen wir vor allem von Patienten mit Heuschnupfen und Pollenasthma. Die Pollen von den Bäumen, den Gräsern und den Kräutern werden durch den Klimawandel deutlich beeinflusst. Insbesondere geht es darum, dass die Pollen früher anfangen im Jahr zu fliegen. Die Haselnusspollen zum Beispiel schon im Dezember. Auf der anderen Seite fliegen die Pollen der Kräuter bis in den November hinein, also deutlich länger. Das bedeutet, dass Patienten mit Heuschnupfen durch Pollen von Bäumen, Gräsern und Kräutern kaum noch eine Zeit haben, in der sie keine Symptome haben, weil ständig die Pollen fliegen.

Zur Person

Prof. Dr. Karl-Christian Bergmann leitet die pneumologisch-allergologische Ambulanz an der Berliner Charité. Unter anderem forscht er zur Früherkennung von Atemwegserkrankungen.

Zum anderen haben wir beobachtet, dass einige Pollen dann auch in erhöhter Konzentration fliegen. Vielleicht haben einige dieses Jahr gemerkt, dass wir besonders viele Erlenpollen in der Region haben, was auch auf veränderte Temperaturen zurückgehen kann.

Gibt es auch Pflanzen, die durch den Klimawandel dann vielleicht weniger Pollen absondern?

Ja, wir beobachten in ganz Europa eine Abnahme der Beifuß-Pflanzen, der ja auch Heuschnupfen und Asthma hervorrufen kann.

Aber unter dem Strich sagen Sie, Allergiker spüren den Klimawandel ganz deutlich?

Ja, das ist ganz sicher so, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Aber in den Städten sind die Auswirkungen des Pollenflugs durch den Klimawandel noch stärker, weil wir teilweise auch klimabedingt durch größere Wärme mehr Feinstaub haben. Wir haben ganze Hitzeinseln in den Städten. Die Kombination von höheren Temperaturen und mehr Feinstaub verschlimmert die Symptome bei den bereits betroffenen Allergikern. Um es einmal so zu sagen: Gesunde, die keinerlei Beschwerden an Augen, Nasen, Bronchien haben, leiden kaum mehr, beziehungsweise werden dadurch nicht krank. Aber diejenigen, die bereits erkrankt, also wie wir sagen, vulnerabel oder empfindlich sind, die haben dann deutlich mehr Beschwerden.

Mehr zum Thema

rbb|24-Datenauswertung

Klimawandel: Das erwartet Berlin und Brandenburg bis 2100

   

Kann sich denn der menschliche Organismus auf diese Veränderungen einstellen und wird vielleicht resistenter?

Ja, wir wollen mal hoffen, vielleicht brauchen wir das. Auf eine Patientengruppe möchte ich noch besonders hinweisen, die besonders leidet: Patienten mit COPD, dieser chronisch opstruktiven Atemwegserkrankung, die häufig durch Rauchen ausgelöst wird. Die leiden dann besonders stark und haben dann besondere Verengungen der Bronchien. Aber auf Ihre Frage kann ich keine ganz konkreten Antworten geben, vielleicht gibt es Adaptierungen, aber wir sollten alles versuchen, um diesen Klimawandel soweit wir können, entgegenzutreten. 

Das sind Dinge, die sehr wahrscheinlich nicht heute und auch nicht im nächsten oder übernächsten Jahr wirken. Was können die Mediziner den Menschen anbieten, die so heftig betroffen sind?

Also zunächst ist es so, dass sich die Wirksamkeit von Medikamenten für Heuschnupfen und Asthma immer noch verbessert. Zudem können wir einige Dinge in unseren Städten verändern, um den Allergien vorzubeugen. Wir können weniger allergieauslösende Bäume, Gräser, Kräuter anpflanzen. Wir können Baumarten pflanzen, die mehr Schatten geben, die mehr zur Kühlung beitragen können.

Quelle: imago/anemel

Welche Bäume oder Pflanzen wären denn dafür geeignet?

Also ich beginne mal mit den nicht geeigneten: Bitte keine Haselnüsse pflanzen und auch keine Birken, obwohl die immer so schön aussehen in der Allee. Wir müssen sehen, dass sich der Götterbaum in unseren Städten möglichst nicht weiter verbreiten kann, weil auch der Allergien hervorruft. Ambrosia müssen wir nach Möglichkeit ausreißen. Wir können stattdessen Ulmen, Linden pflanzen und wahrscheinlich auch Platanen, bei denen wir nicht ganz sicher sind, ob die Allergien auslösen.

Der Götterbaum: Auch er kann Allergien auslösen. | Quelle: dpa/Harms

Wir haben mit der veränderten Witterungslage häufig lange Trockenphasen und dann starke Regenfälle. Wäscht das die Luft rein, kann der Allergiker wenigstens davon profitieren?

Ja kann er, aber er sollte nicht gleich in den ersten zehn Minuten wenn es regnet rausgehen, sondern den Regen erst vollkommen abwarten, sodass die Pollen gewissermaßen ausgewaschen werden aus der Luft. Dann lohnt es sich, einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen, die ist ja dann meistens auch etwas kühler.

Das Gespräch mit Karl-Christian Bergmann führte Dietmar Ringel für Inforadio. Dieser Text ist eine gekürzte und redigierte Fassung. Das komplette Interview können Sie oben im Beitrag im Interview hören.

Artikel im mobilen Angebot lesen