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Asylverfahren in Deutschland

Ein Flüchtling kommt nach Brandenburg

Das deutsche Asylverfahren ist komplex: Es gibt verschiedene Wege, die einen Aufenthalt ermöglichen. Jeder Antrag auf Asyl muss einzeln betrachtet werden, was mitunter Monate dauert. Und auch eine Ablehnung bedeutet noch lange keine Ausreise. Der Weg eines Flüchtlings in Brandenburg. Von Friederike Schröter

Die Ankunft

Auf der Ladefläche eines Lkw, mit dem Zug bis zum Berliner Hauptbahnhof, zu Fuß über die polnische Grenze - Flüchtlinge kommen auf unterschiedlichen Wegen nach Deutschland. Fest steht: Wer sich nicht illegal aufhalten will, muss sich als asylsuchend melden. Das kann der Eingereiste direkt an der Grenze tun oder bei jeder Behörde im Land, zum Beispiel der Polizei.

Hat sich der Asylsuchende gemeldet, wird er zunächst einem Bundesland zugeteilt. Das wird mit Hilfe des Computersystems "EASY" ermittelt, auf das jede Behörde zugreifen kann. Die Auswahl hängt von einer Quote ab, die nach Einwohnerzahl und Steuereinnahmen berrechnet wird, dem sogenannten Königssteiner Schlüssel. Nach ihm muss Brandenburg zum Beispiel 3,1 Prozent aller Flüchtlinge aufnehmen, Nordrhein-Westfalen 21, 2. Es spielt aber auch eine Rolle, wieviele Kapazitäten die Bundesländer aktuell noch haben. Und auch, in welchem Bundesland das Bundesamt für Migration und Flüchlinge (BAMF) das jeweilige Herkunftsland des Flüchtlings bearbeitet.

In der Regel steht nach einigen Stunden fest, wohin der Flüchtling kommt. Soll er zum Beispiel nach Brandenburg, erhält er die Adresse der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt - und ein Zugticket.

Das Erstaufnahmelager

Der Flüchtling kommt in Eisenhüttenstadt an einem großen eingezäunten Gelände an. Mehrstöckige Wohnhäuser stehen auf dem Geländer, 500 Personen leben hier mit Gemeinschaftsbädern- und Küchen auf den Fluren. Zusätzlich sind vier Wohncontainer aufgestellt worden, die zusätzlich 200 Flüchtlinge aufgenommen haben. Der ankommende Flüchtling wird registriert, er bekommt einen Ausweis, mit dem er das überwachte Gelände betreten darf. Schlafen wird er in der Regel in einem Gebäude, das von Menschen aus seiner Heimat bewohnt wird.  

In Eisenhüttenstadt hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Außenstelle. Dort wird er schließlich offiziell seinen Antrag auf Asyl stellen. Das Bundesamt erfasst seine Personaldaten. Sofern er über 14 Jahre alt ist, werden Fingerabdrücke genommen und Fotos gemacht. Mit den Angaben wird überprüft, ob er bereits in Deutschland oder in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt hat.

Eine sogenannte Aufenthaltsgestattung erlaubt ihm, in Deutschland zu bleiben, bis über seinen Asylantrag entschieden ist. In einigen Bundesländern gilt jedoch die Residenzpflicht: Der Asylbewerber darf sich nicht im ganzen Bundesgebiet frei bewegen. Eine Brandenburger Asylbewerber darf zum Beispiel nur nach Berlin reisen.

Die Flüchtlingsunterkunft

Im Idealfall lebt der Flüchtling etwa sechs Wochen in der Erstaufnahmeeinrichtung. Spätestens jedoch nach drei Monaten sollte er – wieder nach einer per Computer ermittelten Quote – einem Brandenburger Landkreis oder einer Stadt zugewiesen werden. Dort zieht er in eine der zur Verfügung stehenden Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnungen, zum Beispiel in das ehemalige Kinder- und Jugendheim in Müncheberg.

Der Asylantrag

Nach seiner Ankunft muss der Flüchtling warten, bis sein Asylantrag entschieden ist. Das Verfahren kann wenige Wochen, aber auch mehrere Monate dauern. Für seinen Lebensunterhalt erhält er fast überall in Brandenburg einen monatlichen Geldbetrag (nur im Kreis Oberhavel und Oberspree-Lausitz werden noch Gutscheine verteilt). Für einen alleinlebenden Erwachsener sind das 362 Euro.

Der Asylbewerber wird mindestens einmal zu einer Anhörung vor einem Mitarbeiter des BAMF geladen. Dazu bekommt er einen Dolmetscher. Bei der Anhörung muss der Flüchtling seinen Asylantrag begründen und dafür Details und Gründe seiner Verfolgung darlegen, möglichst mit Beweisen. Die Entscheidung über das Verfahren wird auf Grundlage dieser Anhörung und zusätzlicher Ermittlungen gefällt. Von dem Entscheider sollten ausführliche Informationen über das Herkunftsland eingeholt werden: mit Hilfe des Auswärtigen Amtes, des Flüchtlingshilfewerks, amnesty international, Instituten, Medien und Fachliteratur. Das Bundesamt legt Wert darauf, dass bei der Entscheidung immer das Einzelschicksal berücksichtigt wird. Die Entscheider seien gut ausgebildet, erfahren und einfühlsam. Sie hätten umfassende Kenntnisse über die jeweiligen Herkunftsländer und des Asyl- und Ausländerrechts.

Entscheidung: Angenommen

Wird dem Flüchtling Asyl gewährt, wird er damit dem deutschen Staatsbürger nahezu gleichgestellt. Er erhält eine Aufenthaltserlaubnis, darf arbeiten, reisen und hat Anspruch auf soziale Leistungen sowie Maßnahmen zur Integration (Sprachkurse etc.). Seine nächsten Angehörigen erhalten denselben Status, der Nachzug von Familienmitgliedern wird erleichtert. Nach drei Jahren können sie ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erhalten, nach sechs Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft.

Entscheidung: Abgelehnt

Die wenigsten Anträge in Deutschland werden positiv beschieden. In Brandenburg gibt es derzeit lediglich 28 anerkannte Asylbewerber. Doch auch nach der Ablehnung von Asyl gibt es für Flüchtlinge die Möglichkeit, in Deutschland zu bleiben. In Brandenburg gibt es derzeit über 2.000 geduldete Flüchtlinge. Ihr Antrag wurde abgelehnt, doch aus unterschiedlichen Gründen wird die Abschiebung nicht vollzogen. Zum Beispiel weil die Abschiebung in ihr Heimatland lebensgefährlich wäre oder weil eine Chance auf Wiederaufnahme des Verfahrens besteht. Im Status der Duldung kann dem Flüchtling erlaubt werden, eine Arbeit aufzunehmen. Nach 18 Monaten kann er eine befristeten Aufenthaltserlaubnis bekommen. Jedoch sind unbefristeter Aufenthalt oder gar Einbürgerung ausgeschlossen, auch wenn der Flüchtling über viele Jahre geduldet ist.

Abschiebung

Wird der Antrag auf Asyl abgelehnt und der Flüchtling nicht geduldet, bekommt er zusammen mit dem Ablehnungsbescheid eine Aufforderung zur Ausreise und eine Abschiebungsandrohung. Es kann Abschiebungshaft angeordnet werden. Für die Abschiebung zuständig ist in der Regel die Bundespolizei. Normalerweise bringen Beamte der Bundespolizei oder der Landespolizei die Flüchtlinge in eine Maschine eines Linienflugzeuges, bei nichtkooperativem Verhalten wird der Flug begleitet.

Klage

Gegen die Ablehnung des Antrags kann der Flüchtling vor den Verwaltungsgerichten klagen – und mögliche Verfahrensfehler anprangern. Nach Erschöpfung aller Instanzen steht ihm auch die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht oder gar die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte offen.

Hintergrund

Flüchtlinge in Brandenburg: Die Zahlen

In Brandenburg leben zurzeit insgesamt 12.055 Flüchtlinge (Stand Mai 2015). Ende 2013 waren es 5.272.

Davon befinden sich 7.844 im Asylverfahren. Bei über 3.000 Flüchtlingen wurde der Asylantrag bereits abgelehnt - ihr Aufenthalt in Deutschland ist aus unterschiedlichen Gründen geduldet (zum Beispiel wegen der politischen Situation in ihren Heimatländern). 104 leben als asylberechtigt in Brandenburg. Dazu kommen etwa 1.026 Personen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention einen Schutz in Deutschland genießen.

Hauptherkunftsländer der in Detuschland aufgenommenen Flüchtlinge waren laut Angaben des Innenministeriums Syrien, Serbien, Eritrea, Afghanistan und Albanien. Ende 2013 waren es vor allem Menschen aus Afghanistan, Kenia, Somalia und dem Tschad.

Neue Asylbewerber in 2015

Nach der aktuellen Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge muss das Land Brandenburg im Jahr 2015 über 13.800 Flüchtlinge aufnehmen (Stand: Mai 2015).

Im Jahr 2014 wurden in Deutschland beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 202.834 Asylanträge gestellt. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 waren es 127.000. Das ist eine Steigerung um fast 60 Prozent.

Die Verteilung der Flüchtlinge

Die Aufteilung der Flüchtlinge regelt ein Verteilungsschlüssel, der sogenannte "Königsteiner Schlüssel". Er wurde im Jahr 1949 eingeführt, ursprünglich um die Anteile der Länder bei der Finanzierung von Forschungseinrichtung festzulegen. Er wird jährlich neu festgelegt und berücksichtigt zu zwei Dritteln das Steueraufkommen und zu einem Drittel die Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes.

Nach dem Verteilungsschlüssel 2014 muss Brandenburg etwa 3,1 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen muss mit 21,2 Prozent die meisten Flüchtlinge aufnehmen.

Auch für die Verteilung innerhalb Brandenburgs auf die einzelnen Landkreise und Städte gibt es einen entsprechenden Schlüssel, der im Wesentlichen nach der Bevölkerungszahl richtet. Demnach muss der Landkreis Märkisch-Oderland laut Prognose die meisten Flüchtlinge (8,2 Prozent) aufnehmen. Nach Frankfurt (Oder) kommen die wenigsten Asylbewerber (2,1 Prozent).

Die Unterbringung

Alle Asylbewerber landen zuerst in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt, sie wird vom Land betrieben. Wurden dort im Jahr 2007 lediglich 565 Personen aufgenommen, registrierte die Einrichtung im Jahr 2014 über 6.300 neu ankommende Flüchtlinge.

Das Gelände hatte ursprünglich Kapazitäten für 500 Personen, mit Hilfe zusätzlicher Container sind dort inzwischen wesentlich rund 1.400 Menschen untergebracht. Weitere Flüchtlinge leben in Außenstellen.

Nach spätestens drei Monaten müssen die Asylbewerber auf die Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnungen in Brandenburg verteilt werden. Zurzeit gibt es in den Kommunen 75 Gemeinschaftsunterkünfte, in denen insgesamt 6.899 Personen untergebracht sind. Außerdem sind Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht (derzeit 918 Wohnungen). Hier leben etwa 2.587 Flüchtlinge. Aufgrund der deutlich steigenden Flüchtlingszahlen werden in den nächsten Wochen und Monaten weitere Gemeinschaftsunterkünfte eröffnet sowie weitere Wohnungen für die Unterbringung in den Kommunen bereitgestellt.

 

Kosten für Land und Kreise

Für das Jahr 2014 werden den Kreisen und kreisfreien Städten vom Land Brandenburg voraussichtlich insgesamt 2,5 Millionen Euro für den Bau von Gemeinschaftsunterkünften ausgezahlt.  

Für Unterbringung, Betreuung sowie die Erbringung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erstattet das Land den Kreisen und kreisfreien Städten pro Person eine Jahrespauschale von 9.219 Euro. Zusätzlich werden pro Gemeinschaftsunterkunft Bewachungskosten in Höhe von 6.900 Euro monatlich pauschal gezahlt.

Die Gesamtausgaben Brandenburgs für die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen beliefen sich im Jahr 2013 auf 30,7 Millionen Euro und im Jahr 2014 auf 51,3 Millionen Euro.

Die Residenzpflicht

Am 1. Januar 2015 wurde die so genannte Residenzpflicht für viele Flüchtlinge abgeschafft. Sie verbat es Asylbewerbern, ein bestimmtes Gebiet - ein Bundesland, ein Regierungsbezirk oder eine Stadt - zu verlassen, dem sie zugewiesen wurden. Seit Januar dürfen sie sich in der Regel nach Ablauf von drei Monaten frei im Bundesgebiet bewegen.

Die Arbeitserlaubnis

Anerkannte politische Flüchtlinge erhalten eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis. Für Asylbewerber und Geduldete wurde die Frist, in der sie in Deutschland nicht arbeiten dürfen, verkürzt: Ihnen ist es erlaubt, nach drei Monaten Aufenthalt zu arbeiten. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, beispielsweise müssen deutsche Bewerber und EU-Bürger bei der Vergabe von Tätigkeiten bevorzugt werden. Manchmal muss in konkreten Fällen auch die Bundeagentur für Arbeit zustimmen. Diese Einschränkungen entfallen nach 15 Monaten.

Beitrag von Friederike Schröter

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