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Audio: Stephanie Baczyk | Inforadio | 18.08.2020 | Quelle: www.imago-images.de

Interview | Union-Präsident Dirk Zingler

Präventive Coronatests: "Es ist nicht nur ein Thema des Fußballs"

Der 1. FC Union Berlin kämpft darum, wieder vor Zuschauern zu spielen. Um das zu gewährleisten, haben die Köpenicker eine Leitidee vorgestellt, die auf präventiven Tests beruht. Im Interview erklärt Union-Präsident Dirk Zingler, wie das funktionieren soll.

Herr Zingler, wie sieht die Leitidee Ihres Konzepts aus?

Wir haben uns auf die Suche gemacht nach einem zusätzlichen Hygienetest, weil wir festgestellt haben, dass Abstand und Mundschutz nicht für jede Form von Veranstaltung geeignet sind. Darunter auch Fußballspiele – mit ihrer Emotion und Nähe. So sind wir auf die Idee gekommen einen präventiven Coronatest durchzuführen, weil uns die Wissenschaft bestätigt, dass man 24 bis 48 Stunden nicht infektiös ist. Deswegen halten wir es für Veranstaltungen solcher Art für geeignet.

Sie sprechen für einen Fußballverein, wobei dieses Konzept nicht nur für Fußballvereine gilt.

Das ist uns ganz wichtig, weil wir gerade in Berlin Bedarf an Lösungen haben. Die Kultur- und Veranstaltungsszene liegt seit mehreren Monaten brach. Und wir fühlen uns im weitesten Sinne auch als Veranstalter. Wir veranstalten Fußballspiele, aber haben im letzten Jahr auch 250 Veranstaltungen gehabt, die keine Fußballspiele waren. Deswegen ist es nicht nur ein Thema des Fußballs, sondern für alle Veranstaltungsformate, in denen Abstand nicht möglich ist.

Begreifen Sie dieses Konzept als in Stein gemeißelt oder als Grundlage für weitere Diskussionen?

Wir haben es ganz bewusst Leitidee genannt, weil wir damit einen Prozess eröffnen wollen, über neue Lösungen nachzudenken. Unsere Leitidee ist kein Hygienekonzept, diese Leitidee muss übersetzt werden in die konkrete Veranstaltungsform. Wir haben derzeit Abstand und Mundschutz und wir würden es begrüßen, wenn als Hygienemaßnahme der präventive Test hinzukäme. Veranstalter sollen sich aussuchen können, welche Maßnahme sie anwenden. Klar ist: Wir brauchen Hygienemaßnahmen. Wir wollen nichts weglassen, sondern ergänzen.

Wie soll dieses Procedere ablaufen?

Ich registriere mich zum Ticketkauf und gebe meine Daten ein - wie bei vielen Veranstaltungen. Gleichzeitig stimme ich zu, dass ich einen negativen Coronatest brauche, um die Veranstaltung besuchen zu können. Das Ticket kommt zunächst auf eine Blacklist und ist noch nicht für das Spiel freigeschaltet, berechtigt aber zu einem Coronatest, weil wir die Testkosten für diejenigen übernehmen, die zur Veranstaltung wollen. Dann gehe ich mit Ausweis und Ticket zum Coronatest. Das Ticket wird dann per QR-Code mit der Probe und später durch das Labor mit dem Testergebnis verknüpft. Und wenn man am Veranstaltungstag bis 10 Uhr ein negatives Testergebnis bekommt, kann man sich auf den Weg machen. Tickets, die nicht mit einem negativen Testergebnis verknüpft werden können, werden nicht freigeschaltet und gewähren keinen Zugang zur Veranstaltung.

Wie bekommen Menschen ihr Ergebnis, die positiv getestet werden? Und was hat das zur Folge?

Wenn das Labor einen positiven Test feststellt, wird es sofort dem Gesundheitsamt gemeldet und die verschlüsselten Daten auf dem Ticket gegenüber dem Amt klargeschaltet. Zudem wird das Ticket gesperrt und der Karteninhaber benachrichtigt, dass er sich beim Gesundheitsamt melden und nicht am Stadion erscheinen soll.

Wann, wo und wie soll der Test stattfinden?

Der Test muss professionell durch medizinische Fachkräfte durchgeführt werden. Je nach Anzahl der zugelassenen Zuschauer werden wir mit professionellen Partnern und Laboren mehrere dezentrale Teststellen in Berlin aufbauen, damit wir im Zeitraum von 24 bis 48 Stunden bleiben.

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Sind Sie mit solchen Partnern schon im Gespräch?

Wir waren überrascht, als wir vor vier Wochen ganz bewusst an die Öffentlichkeit gegangen sind, um Reaktionen zu erzeugen, positive wie negative. Und die Industrie hat sich gemeldet.

Wir wollen nur überschüssige Kapazitäten verwenden. Vorrang haben Schule, Bildung, Gesundheit. Derzeit melden 140 Labore an das Robert-Koch-Institut, insgesamt haben wir in Deutschland 440 Labore, die medizinische Tests durchführen. Und wir haben derzeit 600.000 Tests bei rund 1,2 Millionen Testkapazität. Nachfrage erzeugt aber auch Angebot. Wenn wir der Industrie signalisieren, dass jedes Wochenende eine Million Tests gebraucht werden, dann wird es in naher Zukunft auch eine Million Tests pro Wochenende geben.

Wie stellen Sie eine Nachverfolgung sicher?

Wir werden nach einer Veranstaltung alle Teilnehmer anschreiben und sie fragen, ob sie Symptome haben. Wir werden mit den Gesundheitsämtern eng zusammenarbeiten und engere Raster bilden, damit wir eine gute Nachverfolgung haben und wissen, welche Person wo gestanden oder gesessen hat.

Mit welcher Resonanz rechnen Sie angesichts der relativ eindeutigen Aussagen der Kanzlerin und der Gesundheitsminister, dass bis 31. Oktober wohl kein Fußball vor Zuschauern stattfinden wird?

Die Verordnungslage in Berlin besagt, dass ab dem 1. September 4.999 Zuschauer erlaubt sind. In diesen Kategorien denken wir. Es ist wichtig für Veranstalter und Wirtschaft, dass Verlässlichkeit im Handeln der Politik entsteht. Wir können Eindämmungsverordnungen nicht permanent ändern. Berlin hat sich ein Ampelverfahren gegeben und alle Ampel stehen auf Grün. Ich gehe also davon aus, dass die Eindämmungsverordnung Berlins nicht verschärft wird. Ich glaube, was Frau Merkel und die Gesundheitsminister meinten, sind Lockerungen über die jeweiligen Eindämmungsverordnungen hinaus. Aber damit rechnen wir gar nicht, sondern bleiben bis zum 24. Oktober bei den 4.999 Besuchern und wollen unsere Hygienemaßnahmen in dieser Größenordnung anwenden.

Sendung: Abendschau, 18.08.2020, 18:30 Uhr

Das Interview führte Dietmar Teige für die Abendschau

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