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Audio: Inforadio | 01.09.2018 | Johannes Frewel | Quelle: rbb/Martin Spiller

Telefunken-Fahrräder, Grundig-Kühlschränke

Auf der Suche nach der deutschen Unterhaltungselektronik

Siemens, Grundig, Braun, Nordmende, Telefunken oder Teufel: Auch bei der diesjährigen IFA dürfen die deutschen Namen nicht fehlen. Aber die Unternehmen hinter den Namen gibt es manchmal gar nicht mehr. Von Martin Spiller

Was wäre eine Funkausstellung ohne flackernde Fernsehwände? Natürlich gibt es die auch bei dem fränkischen Traditionsunternehmen Grundig in Halle 25. Doch auch wenn das Logo Vertrautheit vermittelt, hat dieses Grundig mit dem einst von Max Grundig gegründeten und 2003 in die Insolvenz gegangenen Unternehmen nichts mehr zu tun. Die heutige Grundig Intermedia ist Teil der Arçelik A.S. und diese wiederum Teil der türkischen Koç-Gruppe. Entwicklung und Produktion sind in der Türkei beheimatet.

Fernseher spielen immer noch eine wichtige Rolle, betont Grundig. Auf der Messe aber drängen sich eher Küchen-Kleingeräte in den Vordergrund. Für die wirbt ein Sternekoch auf der IFA als Markenbotschafter.

Grundig Küchengeräte | Quelle: rbb/Martin Spiller

Design in the Mixer

Überhaupt wird auf der Funkausstellung in diesem Jahr auffallend viel gekocht. Das ist bei Grundig so, bei Siemens, aber auch bei Braun. Auch Braun war einmal für Fernseher und Stereoanlagen bekannt. Mehr noch: Mit seinem klaren Design und der berühmten orangefarbenen Taste hat Braun Designgeschichte geschrieben. Doch auf der IFA finden sich weder Hi-Fi-Geräte noch Elektrorasierer von Braun, sondern Stabmixer und Dampfbügeleisen – und zwar am Stand von De'Longhi. Die Italiener haben vor wenigen Jahren vom US-Multikonzern Procter & Gamble eine Lizenz für die Nutzung der Marke Braun erworben.

Loewe: stylisch und nicht ganz billig | Quelle: rbb/Martin Spiller

In Franken wird noch gebaut

Unweit vom Grundig-Stand präsentiert mit Loewe eine andere deutsche Designikone ihre Produkte in einer Art Wohnbox: schlicht, stylisch und nicht ganz billig. Loewes Fokus liegt auf großformatigen Fernsehern in moderner OLED-Technik –  überwiegend im hochpreisigen Segment. Nach wie vor entwickelt und produziert der Hersteller im fränkischen Kronach. Lediglich die benötigten OLED-Panel werden zugeliefert.

Das einst in Berlin-Friedenau gegründete Unternehmen gehört zusammen mit Metz aus dem fränkischen Zirndorf zu den letzten traditionellen Fernsehherstellern aus Deutschland. Beide Unternehmen hatten Anfang der Achtzigerjahre lange zu kämpfen, Besitzerwechsel und Insolvenzen zu überstehen. Heute blickt Loewe wieder optimistisch in die Zukunft. Trotz vorübergehender Kurzarbeit in diesem Sommer scheint die große Krise überwunden. Dafür wurde Loewe Technologies auf rund 540 Beschäftigten gewissermaßen "gesundgeschrumpft".

Nordmende am Stand von Technisat | Quelle: rbb/Martin Spiller

Auch Nordmende ist wieder da

Andere Marken tauchen wieder auf, nachdem sie längst von der Bildfläche verschwunden schienen – etwa Nordmende. Die in Dresden gegründete Firma hatte deutsche Wohnzimmer jahrzehntelang mit hölzernen, aber wohlgeformten Designfernsehern ausgerüstet. Doch Ende der Achtzigerjahre war Schluss.

Wer heute Nordmende-Geräte auf der Funkausstellung sichtet, befindet sich am Stand von Technisat. Das Unternehmen aus der Eifel hat sich die Lizenz gesichert für die Nutzung der Marke in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen und den Benelux-Ländern. "Es gibt viele Ü40/Ü45-Konsumenten, die Nordmende noch als hochwertige und designorientierte Marke kennen. Die wollten wir erreichen", sagt Marketingleiter Tyrone Winbush.

Vor einem Jahr erfolgte der Startschuss mit schicken Digitalradios und Fernsehern. Die wurden gut angenommen: "Man wundert sich, wer alles Nordmende noch in guter Erinnerung hat und damit Qualität und Design assoziiert", sagt Winbush. Auch wenn das Unternehmen dahinter nicht mehr dasselbe sei: Letztendlich gehe es darum, mit einer Marke Emotionen und Werte zu vermitteln. Die habe Nordmende behalten. Übrigens lässt auch Technisat seine Nordmende-Fernseher in Deutschland entwickeln, aber in einer ganz anderen Traditionsstätte zusammenbauen: dem ehemaligen RFT-Werk in Staßfurt bei Magdeburg.

Telefunken-Lizenzen: strenge "Branding"-Regeln | Quelle: rbb/Martin Spiller

Telefunken in aller Welt

Am Stand von Telefunken wiederum kann man gar keine Geräte sichten, sondern lediglich einen Künstler, der ein paar Retro-Kühlschränke bunt bemalt. Der Grund: Es handelt sich um keinen Hersteller, der seine Produkte anpreist, sondern um den Stand der Telefunken Licenses GmbH. Diese vergibt weltweit die Rechte daran, einen Fernseher oder ein Haushaltsgerät unter dem Namen Telefunken auf einen bestimmten Markt zu bringen. Man wolle die Marke Telefunken schützen, die "für Innovationen und deutsche Ingenieurskunst steht. Diese Werte wollen wir langfristig erhalten", erklärt Geschäftsführer Christian Mayer. Wichtig sei daher nicht nur die Auswahl der Produkte, sondern auch die der richtigen Lizenznehmer, um die Qualität sicherzustellen. Strenge Richtlinien sollen regeln, wie die Marke zu nutzen ist.

Die Vorsicht ist verständlich angesichts der Unternehmenshistorie. Bereits 1903 in Berlin gegründet, hat Telefunken im Laufe der Jahre eigentlich alles hergestellt, was irgendwie mit Elektronik zu tun hat. 1941 wurde Telefunken Tochtergesellschaft der AEG. Anfang der Achtzigerjahre wurde der Konzern dann in seine Bestandteile zerlegt.

Nach Angaben von Christian Mayer kannten noch 80 Prozent der Menschen in Deutschland Telefunken, als die Wiederbelebung vor zehn Jahren begann. Seitdem sei es gelungen, die Marke zu verjüngen, auch in neuen Segmenten. Inzwischen gibt es sogar Telefunken Pedelecs, also E-Bikes. Und so stellen heute weltweit gut 30 Allianz-Partner unter dem Namen Telefunken zwar nicht alles her, was mit Elektronik zu tun hat – aber doch wieder eine ganze Menge davon.

Lautes Geschäft: Teufel | Quelle: rbb/Martin Spiller

Ein Leben nach dem Vollsortimenter

Es gibt aber auch jüngere Unternehmen aus Deutschland, die sich trotz des Preiskampfes auf dem Markt behaupten konnten. Teufel aus Berlin stellt etwa Lautsprecher her. Entsprechend laut geht es in Halle 1.2 zu: "Boomster" oder "Rockster" heißen die Boxen, die genauso martialisch aussehen wie sie klingen.

Innovativ sind bei Teufel nicht nur die Geräte, sondern auch das Vertriebskonzept: Neben dem Onlineversand gibt es Showrooms. Doch die Geräte dürfen auch zu Hause nach Herzenslust getestet und gegebenenfalls zurückgebracht werden. Das schafft Markenbindung: "Wir nennen unsere Kunden tatsächlich Fans", erzählt Sprecher Florian Weidhase nicht ohne Stolz. Neben einem Showroom hat Teufel auch seine Büros im Bikinihaus bezogen. Ganz bewusst, um bei der Wiederbelebung des alten Berliner Westens mitzumachen, wo viele Unternehmen der Unterhaltungsindustrie einst ihren Anfang nahmen.

Beitrag von Martin Spiller

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