"Anschlag auf Stadtnatur" - Umweltverbände werfen Senat massive Schwächung des Naturschutzes vor

Mo 18.03.24 | 17:58 Uhr
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Eichenmischwald der Wuhlheide am 12.07.2013 in Berlin nahe des Freizeit- und Erholungszentrums FEZ. (Quelle: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 radioeins | 18.03.2024 | A. Nestmann | Bild: rbb

Der Berliner Senat plant ein Gesetz, um Bauvorhaben zu beschleunigen. Die Umweltverbände BUND und Nabu kritisieren, nach den bisherigen Entwürfen könnten dann sogar geschützte Biotope bebaut werden. Die Senatsverwaltung widerspricht.

  • Berliner Senat plant Gesetzesänderungen für schnelleren Wohnungsbau
  • Umweltverbände befürchten massive Einschnitte beim Naturschutz
  • Geschützte Biotope könnten nach ihrer Ansicht zur Bebauung freigegeben werden
  • Stadtentwicklungsverwaltung widerspricht: Es handele sich um einzelne Vorschläge für Gesetzesentwurf

Die Umweltverbände BUND und Nabu werfen dem Senat vor, die Axt an das Berliner Naturschutzrecht zu legen. Für sein geplantes "Schneller-Bauen-Gesetz" wolle Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler den Naturschutz erheblich schwächen, kritisieren die Verbände.

Nabu und BUND beziehen sich auf einen internen Entwurf zur Änderung des Berliner Naturschutzgesetzes aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Demnach sollten geschützte Biotope wie Feuchtwiesen, Feldhecken und naturnahe Eichen-Mischwälder wie in der Wuhlheide ganz aus dem Gesetz gestrichen werden. Außerdem solle die Beteiligung von Umweltverbänden erheblich eingeschränkt werden.

Nabu: "Anschlag auf die Berliner Stadtnatur"

Der Entwurf würde sogar die Bebauung von Flächen ermöglichen, die bisher nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützt seien, nämlich dann, wenn "überwiegende öffentliche Belange" wie der Wohnungsbau dies rechtfertigten.

"Gaeblers Entwurf ist ein Anschlag auf die Berliner Stadtnatur", kritisiert Melanie von Orlow vom Naturschutzbund Berlin. Der Senat werfe leichtfertig Biotop- und Artenschutz über Bord, obwohl der Wohnungsbau zuallererst wegen der hohen Baukosten und des Fachkräftemangels ins Stocken geraten sei.

"Offensichtlich hat Bausenator Christian Gaebler den Naturschutz als Sündenbock für das Berliner Versagen beim Wohnungsbau ausgemacht", schrieb BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser. Er betonte: "Angesichts von Klimakrise und Artensterben kann es Berlin sich nicht leisten, den massiven Natur- und Flächenverbrauch wie gehabt weiterzuführen."

Behörde spricht von Vorschlägen für Gesetzentwurf

Die Stadtentwicklungsverwaltung weist die Nabu-Kritik als "Unterstellungen" zurück. "Die Koalition hat sich darauf verständigt, mit dem 'Schneller-Bauen-Gesetz' den Wohnungsbau zu beschleunigen, nicht den Naturschutz abzuschaffen", sagte ein Sprecher der Verwaltung dem rbb. Notwendig sei es in diesem Zusammenhang, die Anforderungen des Landes-, Bundes- und Europarechts genau anzusehen, "um zu identifizieren, an welchen Stellen eine Beschleunigung der Prozesse möglich ist."

Dem Sprecher zufolge handelt es sich bei den zitierten Punkten um einzelne "Vorschläge und Prüfaufträge" aus der Vorbereitung eines internen Abstimmungstermins zwischen der Stadtentwicklungs- und der Umweltverwaltung. Welche davon in welcher Form in den Gesetzentwurf aufgenommen würden, wird demnach noch intern diskutiert.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.03.2024, 19:30 Uhr

33 Kommentare

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  1. 33.

    Das Naturschutzrecht unterliegt weitgehend der Abweichungsgesetzgebung nach Art. 72 Abs. 3 GG. Daher können die Länder von der Bundesgesetzgebung abweichen. Es gilt dann das zeitlich letzte Gesetz.

  2. 32.

    Sticht Bundesgesetz nicht Landesgesetz bzw. kann man auf Landesebene einfach Umgehungen zum Bundesgesetz verabschieden, die gerichtsfest sind?
    Oder führt dies nicht zwangsläufig zur Klage vor den zuständigen Gerichten, nebst BVerfG?

  3. 31.

    Aus der Sicht des Senats ist es so richtig. Allerdings sprechen die aktuellen Klimaänderungsdaten eine völlig andere Sprache, d.h.Die meisten Rechtsextremen kommen gleichwohl weiterhin aus einem extremistisch geprägten sozialen Umfeld. Sie sind Teil von rechten Kameradschaften, Hooligan-Milieus, rechten Parteien oder der Reichsbürgerbewegung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht von rund 32.000 rechtsextrem gesinnten Bundesbürgern aus, rund 8.000 mehr als im Vorjahr – darunter sind erstmals die schätzungsweise 7.000 Anhänger des "AfD-Flügels" und der Jugendorganisation "Junge Alternative“. Etwa 13.000 davon schätzt das Amt im März 2020 als gewaltbereit ein. Eine "gefährliche Dynamik“, die aus "vielen Quellen gespeist wird“, kommentiert Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. bpb

  4. 30.

    Um dem Anliegen der Naturschützer gerecht zu werden könnten die bekannten Wohnungsportale den Naturfreunden Baumhäuser anbieten.

  5. 29.

    Sticht Bundesgesetz nicht Landesgesetz bzw. kann man auf Landesebene einfach Umgehungen zum Bundesgesetz verabschieden, die gerichtsfest sind?
    Oder führt dies nicht zwangsläufig zur Klage vor den zuständigen Gerichten, nebst BVerfG?

  6. 28.

    Ihre Vereinfachung führt am Thema vorbei. Problematisch ist, dass eine Reihe bisher gesetzlich geschützter Biotope aus diesem Schutz entlassen werden sollen.

  7. 26.

    Meine „Vereinfachung“ wird hier aber besser verstanden, oder laufen Sie mit einem Gesetzbuch unterm Arm durch die Welt?

  8. 25.

    Richtig, aber der Rentner soll seine Altersvorsprge an irgend jemanden vermieten. Während einige Politiker noch großzügiger leben als andere. Ich müsste mich mit meinen 42 qm Mietswohnung komplett neu einrichten und ausserdem bezahle ich für eine 1 Zimmerwohnung mehr als für meine. Fahre den S-Bahnring lang. Die Grundstücke die verkommen werden alle schön in Ruhe gelassen.

  9. 24.

    Es sollten erst einmal die Flächen/ Gebäude genutzt werden, die teilweise seit Jahrzehnten brach liegen (z.B. Gehrenseestr.)
    Oder das ehemalige Hotel Ecke Mollstr./Otto- Braun-Str. Dort sind viele Appartements vorhanden. Aber es soll abgerissen werden und ein Bürohaus gebaut werden. Was für ein Irrsinn. Auch in Bezug auf Klimaschutz.

  10. 23.

    Ganz einfach: wer in Berlin Büros baut, muss auch Wohnungen bauen. Sonst kein Auftrag.

  11. 22.

    Leben Sie auf einem Baum, bis auf mal wegen Tesla? Was ist wichtiger, für den Großteil der Bevölkerung - eine bezahlbare, bewohnbare, nicht am Nordpol gelegene, Wohnung für eine Rente um 1100 EUR oder lange Rotphasen an den Ampeln für die Schnecken und Ameisen - falls nicht der Kolkrabe kommt...

  12. 21.

    Die Sache mit der Verdichtung bringt viel berechtigten (Nachbarschafts)Ärger. Unnötig, wenn die anderen Kietzstädte in Brandenburg den roten Teppich ausrollen... und nicht sich selber so unattraktiv machen.
    „Weil ich es darf“ oder „Ich finde“ sind keine schlauen Begleiter. Einen Stadtarchitekten gibt es nicht.
    Wenn eine Straße voll ist, ist sie voll. Man kann dann nicht da hin. Wenn doch, dann wollen am Ende alle da weg.

  13. 20.

    Was man so von der Stadtplanung hört, sind keine gute Nachrichten. Gibt es ein Freiraumkataster? Sind die jetzt riesigen Plätze ohne sichtb. Bebauung erfasst? Was soll mit den asphaltiert. Freiflächen werden? Man sollte sich doch erst einmal die ohnehin schon gestörten, industriell überformten Flä. & die riesigen Verbräuche vornehmen, die neue Industrieanlagen "einnehmen". Ich habe hier schon mal geschrieben, dass wir uns selbst ins Knie schießen, wenn wir nicht endlich dahin kommen, Flächen auch in mehreren "Etagen" zu nutzen. Das gilt für Industriebauten, was selbstredend technologisch s.anspruchsvoll ist u.es gilt auch für's Wohnen. Dennoch ist nicht jeder place in der Stadt für Hochhäuser geeignet. Statt sich die zwingend notwend. Freiräume größ. Ausdehnung, die Luft/Sauerstoff produzieren u. das nicht immer reichl. Niederschlagswasser 'auffangen/verarbeiten' freizuhalten, gehts um Zubauen. Wohnen ist nicht nur Dach über'n Kopf! Liegt im Prinzip alles vor; o. schon im Altpapier?

  14. 19.

    Berlin hat wohl etliche Industriebrachen, Baulücken, leere Bürotempel zum Umbau und "nach oben" ist wohl reichlich Platz. Bei den Grünflächen findet man es nicht unter den "Top 10" Deutschlands und mit rd. 59% Grünflächenanteil auf Platz 63. Meiner Meinung nach wäre der Senat gut beraten, diesen Anteil nicht weiter zu verringern, sondern vorhandene, bereits versiegelte und auch erschlossene Flächen zu nutzen. Kurzfristig könnte das zwar u.U. teurer werden, was aber eine lohnende Investition für die Zukunft sein kann.
    Meckern hilft jedenfalls nicht ;-).

  15. 18.

    Es geht hier um gesetzlich geschützte Biotope, und die finden sich nun einmal in den genannten Vorschriften. Ihre „Vereinfachung“ nützt da nichts.

  16. 17.

    Auch der Schreibtisch meines Sohnes nähert sich hin und wieder einem Biotop an.
    Bedeutet nix weiter als Lebensraum, der je nach Lebensarten besonders geschützt wird oder auch nicht.
    Der Schreibtisch gilt nicht als geschützt und darf auch gern abgewischt werden.

  17. 16.

    Recht so. Wir brauchen ganz dringend ein „Dümmer-Bauen-Gesetz“. Wer braucht schon Bäume, Sträucher, begrünte Fassaden und Biotope. Die behindern nur die freie Sicht auf die architektonischen Beton-Kleinode. Außerdem erhöhen sie die Heizkosten und verbrauchen Wasser. Beton speichert die Wärme und sorgt für Gemütlichkeit. Wieviele schöne Parkplätze gehen uns allein im Tiergarten verloren. Abholzen und Asphaltieren für den Fortschritt. „Immer feste Jungs, nur weiter so…!“ Es gibt doch Klimaanlagen.

  18. 15.

    „ https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/naturschutz/biotopschutz/gesetzlich-geschuetzte-biotope/“
    Hier können Sie gerne mal schauen.
    Köpenick hat übrigens sehr viele Biotope.

  19. 14.

    Gerade auch die beiden genannten Umweltverbände setzen sich dafür ein, dass bei dem Bau von Wiindrädern ökologische Interessen berücksichtigt werden. Erst informieren, dann kommentieren, könnte helfen.

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