Sonderstatus für ukrainische Flüchtlinge - Gleiches Asylrecht für alle gefordert

Mi 25.05.22 | 14:00 Uhr | Von Ann Kristin Schenten
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Frauen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, informieren sich über Arbeitsangebote, Archivbild (Quelle: DPA/Heiko Rebsch)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.05.2022 | Ann Kristin Schenten | Bild: DPA/Heiko Rebsch

Geflüchtete aus der Ukraine können auch ohne Asylantrag in Deutschland arbeiten. Das sollte auch für Menschen aus anderen Ländern gelten, fordern immer mehr soziale Einrichtungen. Doch kann die neue Regelung einfach übertragen werden? Von Ann Kristin Schenten

Exakt drei Monate sind vergangen, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Schon in den ersten Stunden des Krieges zeigte das ukrainische Fernsehen kilometerlange Autoschlangen auf den Straßen der Hauptstadt Kiew. Die Menschen wollten raus aus der Stadt, viele von ihnen direkt raus aus der Ukraine. In den letzten 90 Tagen sind über 600.000 Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland geflohen, die meisten über Berlin.

Am Berliner Hauptbahnhof wurden sie in den ersten Wochen des Krieges von Hunderten Freiwilligen empfangen. Sie bekamen Lebensmittel, Handykarten und Kleidung. Im Internet konnten Geflüchtete unbürokratisch eine Unterkunft für die ersten Nächte oder sogar Monate finden. Viele Berlinerinnen und Berliner stellten ihre Zimmer oder ganze Wohnungen zur Verfügung. Die deutsche und auch die europäische Asylpolitik wurde damit auf den Kopf gestellt.

Asylantrag nicht notwendig, lediglich Registrierung

Das führte dazu, dass nicht mal eine Woche nach dem russischen Angriff die EU-Massenzustrom-Richtlinie aktiviert wurde. Die besteht zwar schon seit den Balkan-Kriegen, kam aber noch nie zum Einsatz. Sie soll verhindern, dass das europäische Asylsystem überlastet wird. Seit Anfang März können sich Ukrainerinnen und Ukrainer nun selbst aussuchen, in welchem EU-Land sie leben möchten. Sie können sofort in eine eigene Wohnung ziehen oder bei Bekannten unterkommen und gleichzeitig anfangen zu arbeiten. Die wichtigste Neuerung: Sie müssen keinen Asylantrag stellen, sondern sich lediglich registrieren. Damit haben sie Anrecht auf Grundsicherung und können bis zu drei Jahre bleiben.

Die EU-Richtlinie gilt allerdings nur für Menschen mit der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Bei Menschen aus Drittstaaten, die ebenfalls aus der Ukraine flüchten mussten, wird das Asylverfahren neu aufgerollt. Auch auf ausländische Studierende trifft die Massenzustrom-Regelung nicht zu. Pro Asyl und die Landesflüchtlingsräte fordern daher ein zweijähriges Aufenthaltsrecht für alle Menschen, die aus der Ukraine flüchten müssen. Trotzdem ist die vereinfachte Migrationspolitik ein Novum.

Andere Geflüchtete warten oft Jahre auf ihr Bleiberecht

Als 2015 viele Geflüchtete aus Syrien in Europa Schutz suchten, entschied man sich dagegen, die Massenzustrom-Richtline zu aktivieren. Für Geflüchtete aus anderen Ländern als der Ukraine, etwa aus Afghanistan, Syrien oder afrikanischen Staaten, gilt immer noch, dass sie bei Ankunft in Deutschland sofort einen Asylantrag stellen müssen. Sie sind verpflichtet, mindestens drei Monate in einer sogenannten Erstaufnahmeeinrichtung zu bleiben. In dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten oder eine Ausbildung anfangen. Ein Recht auf Grundsicherung haben sie nicht, die Unterstützung durch das Asylbewerberleistungsgesetz deckt meist nur die Minimalversorgung.

Je nach Situation müssen die Asylsuchenden deutlich länger als drei Monate in den Erstaufnahmeunterkünften bleiben, berichtet der Neuköllner Fachanwalt für Migrationsrecht Udo Grönheit. Er vertritt seit Jahrzehnten Menschen in Asylverfahren und kritisiert die aktuelle Vorgehensweise: "Unsere Migrationspolitik ist in einem großen Bereich davon bestimmt, Menschen abzuwehren und nicht davon, sie einzuladen zu kommen. Dabei wäre Deutschland wahrscheinlich ohne die vielen Flüchtlinge, die wir in den letzten Jahrzehnten hier hatten, nur noch bei 17 Millionen Einwohnern und nicht bei den 82 Millionen, die den Laden hier am Laufen halten." Die neuen Regeln für ukrainische Geflüchtete betrachte er mit einem lachenden und einem weinenden Auge, so Grönheit.

"Wir sehen jetzt, was möglich ist"

Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin bei Pro Asyl, sagt ebenfalls, dass sich die Situation von allen Geflüchteten verbessern muss: "Wir sehen jetzt, was bei den ukrainischen Flüchtlingen möglich ist: Direkter Zugang zum Arbeitsmarkt, keine Verpflichtung in großen, abgelegenen Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen und der Wechsel aus dem Asylbewerberleistungsgesetz in die reguläre Sozialhilfe." Wäre der politische Wille da, könnte Deutschland diese Dinge schnell ändern, so Judith.

Doch die Praxis ist komplizierter. Sogar bei den ukrainischen Geflüchteten zeigt sich momentan, wie hoch die bürokratischen Hürden sind. Judith beobachtet eine große Überlastung bei den Ausländerbehörden: "Es dauert sehr lange, bis man einen Termin bekommt, um einen Antrag zu stellen. Wir sehen Verzögerungen, bis die Menschen aus der Ukraine tatsächlich eine Arbeitserlaubnis bekommen, da sind andere EU-Mitgliedsstaaten schneller. Außerdem sehen wir, dass Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine ohne Staatsbürgerschaft unter Druck gesetzt werden, auszureisen. Dabei ist ihr Aufenthalt in Deutschland auf jeden Fall bis zum 23. August legal." Das hätte auch Auswirkungen auf die Asylanträge anderer Geflüchteter, sagt sie. Viele Anträge und Verlängerungen blieben aktuell auf der Strecke.

Abschaffung von Bürokratie bedeutet Sicherheit

Eine Vereinfachung der Regeln auch für andere Geflüchtete sei aber ein wichtiges Ziel, sagt Udo Gönheit: "Das würde für die Menschen bedeuten, dass sie ein Stück Sicherheit haben und nicht mehr das Gefühl haben, auf Abruf zu sein." Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag bereits einige Änderungen des Asylrechts beschlossen, beispielsweise beim Familiennachzug. Wiebke Judith sieht jetzt einen guten Moment, dass auch die reguläre Migrationspolitik verändert werden könnte: "Viele Menschen sehen jetzt die Probleme und es wurden für die Ukrainerinnen und Ukrainer Dinge verändert. Ich denke, dass nun viele merken, dass sich die auch für andere Geflüchtete ändern müssen."

Allerdings können nicht alle Punkte im Asylrecht von der Bundesregierung verändert werden. Wie schwer oder leicht man es Menschen macht, über die EU-Grenze zu kommen, das ist Sache der EU-Gesetzgebung. Die Bundesregierung hätte aber durchaus Möglichkeiten, bürokratische Hürden zu senken oder abzuschaffen, damit sich das Zwei-Klassen-System bei Geflüchteten nicht verfestigt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.05.2022, 15 Uhr

Beitrag von Ann Kristin Schenten

42 Kommentare

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  1. 42.

    Autsch. Ich vermute mal, Sie spielen auf Syrien im Vergleich zur Ukraine an. In Syrien hat der Diktator die Mäner in den Wehrdienst gezwungen. Da ist es natürlich, dass diese fliegen, in der Ukraine wurden zwar auch die Männer in den Wehdienst gerufen, aber zur Verteidigung eines Angriffes von Außen. Wenn es in Syrien möglich gewesen wäre, wären Frauen und Kinder wohl auch eher geflohen. In der Ukraine mussten die Frauen und Kinder förmlich gedrängt werden, zu fliehen. Im Ergebnis ist es aber gleich, warum wer vor welcher Art Krieg flieht. Warum also Unterschiede machen? Moralische Bewertung? Wollen Sie das wirklich?

  2. 41.

    Hallo Gina,
    also haben Sie mit Kriegsflüchtlingen nur Mitleid, wenn es Mütter mit Kindern sind.
    Das finde ich sehr schade, denn auch junge Männer sind KRIEGSFLÜCHTLINGE, die in unserem Land Schutz suchen.

  3. 40.

    Genug Dönerbuden haben wir ja. Aber wo sind die vielen arabisch stämmigen Maurer, Elektriker, Maler Kfz Mechaniker usw. Wir müssen uns nur weiterhin die Augen verkleistern und daran glauben, das ohne diese Menschen unsere Wirtschaft zum Erliegen kommt.

  4. 39.

    Edit:
    Und von den EU-Binnenfreiheiten haben Sie wohl auch noch nix gehört oder?

  5. 38.

    Von der Reisefreiheit in der EU haben Sie aber schon mal gehört oder?
    (Das ist so meine ich auch der maßgebliche Grund, warum "Dublin 2015 gescheitert" war.)
    Und die EU hat den Sonderstatus beschlossen.
    Link: www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-schutzstatus-fluechtlinge-ukraine-101.html

  6. 37.

    "Schon mal auf die Landkarte geguckt wer die Nachbarländer" Syriens sind?
    Oder was wollen Sie damit sagen?

  7. 36.

    Ja, die meisten hat Polen aufgenommen. Die Ukrainer werden wohl kaum in Nachbarländer flüchten, die von Russland kontrolliert und bestimmt werden. Ihre seltsamen Argumente sind vollkommen weltfremd.

  8. 35.

    "es macht schon einen Unterschied ob man sich als Kriegflüchtling in ein Nachbarland rettet, oder etliche andere Länder duchquert um das bevorzugte Land zu erreichen."

    Schonmal auf die Landkarte geguckt wer die Nachbarländer der Ukraine sind? Und wer die meisten Flüchtenden aufnimmt?

    https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen

    https://aktiv.fluechtlingsrat-bw.de/zahlen-und-fakten.html

  9. 34.

    Die Liberalisierung des aktuell kodifizierten Asylrechts ist unumgänglich. Zuerst muss man endlich menschenrechtlichen Standards gerecht werden und diese unsäglichen Lager auflösen, die Abschreckungsinfrastruktur durch Behörden, teils kriminelle Sicherheitsdienste, teils willkürliches Polizeihandeln unterbinden und ahnden und letztlich Menschen in Wohnungen unterbringen, so schnell wie möglich in Bildung oder Arbeit überführen. Zusätzlich ist die Bürokratie so weit abzuschaffen, dass die ständige Schikane, nichts anderes sind die Duldungsvorgänge etc., dass eine schnellstmögliche Registrierung realistisch ist und die Leute nicht verloren gehen, weil sie nirgends gemeldet sind. Die Ungleichbehandlung vor dem Gesetz ist in jedem Fall verfassungswidrig.

    Ferner gilt das nicht nur im Zshg. mit Geflüchteten, sondern bzgl. allen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die Ausgrenzungen sind massiv - und allesamt illegal und illegitim.

  10. 33.

    Zu Ihrer Meinung über die Arbeitslust der Ausländer kann ich nur sagen: Ohne ausländische Beschäftigte wäre der deutsche Gesundheitsdienst pleite. Ob im Krankenhaus oder in der ambulanten Pflege wäre ich ohne Ausländer elend umgekommen. 1/4 meiner Hauspflegerinnen ist nicht in D geboren. Ich kann mich nur immer wieder bei ihnen bedanken. Sie sollten sich für Ihre Äußerungen entschuldigen.

  11. 32.

    "Fast alle islamischen Staaten sind Diktaturen, Atheist und Christ zu sein, ist lebensgefährlich.
    Der Islam greift massiv in alle privaten Bereiche der Menschen ein!"

    Haben sie außer ihrer Islamophobie auch Argumente?

    "Und ihren "feuchten" speziellen Traum können sie ja gern dort ausleben - wenn ja alle Kulturen gleich zu bewerten sind..."

    Also keine und deswegen werden sie persönlich. Und verstanden was ich geschrieben habe haben sie auch nicht. Zur Erinnerung: "Oder haben die einen nur "Glück" mehr unserem Kulturkreis zu entsprechen? Und wer legt das fest? "

    Wo lesen sie da "wenn ja alle Kulturen gleich zu bewerten sind" heraus? Oder lesen sie nur was sie lesen wollen? Btw. ein schöner freudscher Versprecher, selbstverständlich sind alle Kulturen gleich zu bewerten, sie sind nur nicht "gleich".

  12. 31.

    Würde die Arbeitserlaubnis für jeden die Schwarzarbeit unterbinden? Dann wäre es gut. Alle haben gleiche Rechte, zahlen Steuern. Allerdings bezweifele ich, dass die Wirtschaft da mitspielt Jene, die immer mehr billige Arbeitskräfte anwerben(Schattenwirtschaft), ausbeuten und wegschmeißen. Entwertung der Arbeit eben. Die Schwarzarbeit steigt gerade um 12%, 420 Milliarden am Fiskus vorbei.

  13. 30.

    "Dass die Ukraine direkt an die EU angrenzt, vielleicht und dass es sich in der Ukraine nicht um einen Bürgerkrieg handelt? Tut doch nicht immer alle so, als könnten Menschen sich nur nach Europa in Sicherheit bringen. Die Ukrainer haben faktisch keine andere Chance."

    Ich habe keine andere Ausrede erwartet. Wollen sie ensthaft behaupten in Afghanistan und Syrien hat ein Bürgerkrieg gewütet?

  14. 29.

    Ganz einfach: es fehlt ein Asylgrund. Außerdem scheint sie mit ihrem verfahren schon durch zu sein?

    Steuern zu zahlen reicht nicht für einen dauerhaften Aufenthalt. Außerdem gelten armenische Kurden als nicht verfolgt

  15. 28.

    „ Die EU-Richtlinie gilt allerdings nur für Menschen mit der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Bei Menschen aus Drittstaaten, die ebenfalls aus der Ukraine flüchten mussten, wird das Asylverfahren neu aufgerollt. Auch auf ausländische Studierende trifft die Massenzustrom-Regelung nicht zu.“

    Und so etwas finden Sie korrekt? Aber Ihr letzter Satz sagt schon genug über Ihr Rechtsempfinden aus.

  16. 27.

    Gleiches Recht könnte auch durch Abschaffung der Privilegien geschaffen werden. Denn es gibt keinen sachlichen Grund, Ukrainer zu bevorzugen.

  17. 26.

    Letztlich dürfen Ukrainer eh nur 3 Jahre in Deutschland bleiben und haben kein Recht auf Asyl. Ebenso gilt Polen als sicheres Drittland.

    Es müssen alle Flüchtlinge gleich behandelt werden, egal ob aus der Ukraine oder der restlichen Welt. Das Recht ist für alle gleich.

    Der Unterschied ist nur, dass Ukrainer kein Recht auf Asyl haben

  18. 25.

    Eben nicht. Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber müssen alle gleich behandelt werden. Es kann nicht sein, dass Ukrainer bevorzugt und wesentlich besser behandelt werden, als alle anderen Flüchtlinge.

  19. 24.

    Nun würde ich gerne wissen wollen was daran nun falsch ist? Den Ukrainern helfen ist doch in Ordnung und wer aus einem anderen Land über die Ukraine zu uns kommt muss sich eben den für ihn geltenden Regelungen unterwerfen oder er kehrt in sein Heimatland zurück. Daran hindert ihn doch kein Mensch. Übrigens hält sich bei vielen Flüchtlingen die Lust auf Arbeit in sehr engen Grenzen und das liegt nicht nur an der Sprache oder der Ausbildung.

  20. 23.

    Na ja, in den Maghreb Staaten sind keine kriegerischen Konflikte aber es gibt viele Flüchtlinge. Weiterhin sind die Asyslbewerbeleistungen immer noch höher als das Einkommen in den Magrebh Staaten, insofern reicht das.

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