Regionale Zulieferer profitieren - Tesla sorgt für Wirtschaftswachstum in Brandenburg

Fr 10.11.23 | 17:26 Uhr | Von Philip Barnstorf
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Tesla Gigafactory, Batteriefabrik. (Quelle: dpa/Jochen Eckel)
Audio: Antenne Brandenburg | 10.11.2023 | Philip Barnstorf | Bild: dpa/Jochen Eckel

Tausende E-Autos laufen jede Woche in Grünheide vom Band. In jedem sind Module von weiteren Brandenburger Firmen verbaut. Das macht sich inzwischen im Bruttoinlandsprodukt des Landes bemerkbar. Wie nachhaltig ist das Wachstum? Von Philip Barnstorf

Am Rande von Werneuchen (Barnim) arbeitet ein unscheinbares, aber hoch spezialisiertes Unternehmen: In einer Produktionshalle – in etwa so groß wie ein halbes Fußballfeld – stellt die Firma Scharnau Spezialklebeband her. Dafür kauft das Familienunternehmen zunächst große Rollen Klebefolie ein, aus der anschließend mit einem Laser bestimmte Formen herausgeschnitten werden.

Diese Teile verkauft Scharnau zum Beispiel an Autohersteller und Zulieferer in aller Welt, die damit etwa Parksensoren oder Türleisten an ihren Autos befestigen. Neuerdings ist auch Tesla unter den Kunden. "Wir haben Zulieferungen an Tesla, die bei uns zehn Arbeitsplätze gesichert haben", sagte Matthias Schach Chef von Scharnau, das insgesamt 135 Menschen beschäftigt.

Neben Tesla kaufen auch Unternehmen bei Scharnau ein, die einzelne Autoteile herstellen und diese dann wiederum an den US-Hersteller verkaufen. So gehen einige Klebeband-Maßanfertigungen aus Werneuchen zunächst nach Polen. Dort werden sie in Automodule verbaut und anschließend weiter nach Grünheide verkauft. Laut Geschäftsführer Schach geht rund eine halbe Million Euro von insgesamt 22 Millionen Euro Jahresumsatz seiner Firma auf Tesla zurück.

Tesla gibt sechs Prozent seines Einkaufs-Budgets in Brandenburg aus

Scharnau ist nicht das einzige regionale Unternehmen, das von der Tesla-Ansiedlung profitiert. So kauft der E-Autohersteller zum Beispiel Cockpit-Armaturen in Fredersdorf/Vogelsdorf. In der Branche gilt es als wahrscheinlich, dass Tesla außerdem Batterie-Komponenten aus Ludwigsfelde bezieht.

Insgesamt gibt der E-Auto-Hersteller nach eigenen Angaben sechs Prozent seines Einkauf-Budgets in Brandenburg aus. Außerdem braucht eine Autofabrik dieser Größe viele Dienstleistungen, um richtig zu funktionieren: von der Reinigungsfirma, über Security, Caterer bis zu Transportunternehmen. Laut Tesla sind täglich bis zu 2.000 Menschen von externen Firmen auf dem Fabrikgelände unterwegs. Einige stammen auch von Brandenburger Unternehmen.

Beim Wirtschaftswachstum ist Brandenburg die Nummer eins

Diese Entwicklung schlägt sich inzwischen auch im Brandenburger Wirtschaftswachstum nieder. Um sechs Prozent ist die Wirtschaft hierzulande im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen. Damit hat Brandenburg alle anderen Bundesländer weit hinter sich gelassen. "Wir sehen, dass der Kraftfahrzeugbau seinen Umsatz im ersten Halbjahr 2023 auf gut fünf Milliarden Euro mehr als vervierfacht hat. Das treibt das Wirtschaftswachstum fast alleine", sagt Benjamin Gampfer vom Statistikamt Berlin-Brandenburg, das das Wirtschaftswachstum berechnet.

Tesla stellt mehr Teile in Grünheide selbst her

Für den kräftigen Zuwachs sind aber nicht allein Zulieferbetriebe wie Scharnau verantwortlich: Die meiste zusätzliche Wertschöpfung kommt von Tesla selbst. Das Unternehmen eröffnete seine Fabrik im ersten Halbjahr 2022. Ein Jahr später produziert Tesla in Grünheide nach eigenen Angaben rund 5.000 Autos pro Woche. Das treibt das Wachstum nach oben, auch weil Tesla inzwischen mehr Teile – wie etwa Spiegelkappen und Stoßstangen – nicht mehr außerhalb Brandenburgs einkauft, sondern sie in Grünheide selbst herstellt, sodass die Wertschöpfung vor Ort zu Buche schlägt.

Brandenburger Wirtschaft hinkt dem Bundesdurchschnitt hinterher

Allerdings sollte der satte BIP-Zuwachs nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Brandenburger Wirtschaft immer noch vergleichsweise klein ist. Das liegt vor allem daran, dass in Brandenburg weniger Menschen leben als in den meisten anderen Bundesländern. Im Land werden pro geleisteter Arbeitsstunde Waren und Dienstleistungen im Wert von durchschnittlich 57 Euro erwirtschaftet. Das ist zwar mehr als in allen anderen ostdeutschen Flächenländern, aber gut sechs Euro weniger als im Bundesdurchschnitt. "Wir sind jetzt in einer Wachstumsphase aber immer noch auf niedrigerem Niveau", sagte Benjamin Gampfer vom statistischen Landesamt.

Übers gesamte Jahr könnte das Wachstum nachlassen

Um bei der Wirtschaftskraft zu westdeuschen Bundesländern aufzuschließen, muss Brandenburg weiter kräftig wachsen. Wie nachhaltig sind also die sechs Prozent? "Im August lagen die Umsätze im gesamten verarbeitenden Gewerbe unter dem Vorjahresniveau", sagt Benjamin Gampfer. Außerdem würden Dienstleistungen in der Bilanz übers gesamte Jahr stärker gewichtet. Schließlich bleibt abzuwarten, wie stark Tesla seine Produktion in der zweiten Jahreshälfte steigern kann.

Aus dem Fabrikumfeld ist zu hören, dass nur in manchen Wochen die verkündeten 5.000 Autos produziert würden und dass die 6.000er Marke besonders schwer zu knacken sei. Außerdem machten zuletzt Nachrichten von vielen Arbeitsunfällen die Runde. Daher ist es gut möglich, dass Brandenburg die sechs Prozent nicht übers gesamte Jahr halten kann.

Mehr Zulieferer erwartet, wenn der Platz reicht

Mittelfristig könnte sich das aber ändern: Laut der neuesten Genehmigungsunterlagen sollen in einigen Jahren bis zu eine Million Autos pro Jahr in Grünheide vom Band rollen. Wenn der Konzern außerdem, wie von Elon Musk angekündigt, das geplante Model 2 in Grünheide baut, dürfte das für weiteren Aufschwung sorgen.

Auch bei den Zulieferern könnte sich noch was tun: Je mehr Autos Tesla produziert, desto mehr Teile muss das Unternehmen hinzukaufen. Deren Transport kostet. Daher steigt mit den Tesla-Produktionszahlen die Wahrscheinlichkeit, dass Zulieferer Werke in Brandenburg errichten, deren Wertschöpfung dann ins Brandenburger BIP einfließt. Fraglich ist, ob es für alle Anfragen genug Gewerbegrundstücke geben wird. Hierbei dürfte es auch darauf ankommen, wie schnell die Kommunen den Wasserstreit mit dem WSE beilegen und mehr Gewerbegebiete ausweisen.

Arbeitskräftemangel könnte das Wachstum schmälern

Scharnau in Werneuchen will jedenfalls weiter mit Tesla wachsen. "Wir planen gerade eine weitere Produktionsstraße, wenn Tesla nächstes Jahr eine zweite Produktionslinie in Betrieb nimmt", betonte Geschäftsführer Schach. Trotz der Ausbaupläne blicke er "zwiespältig" in die Zukunft. "Uns gehen in Brandenburg langsam die Arbeitskräfte aus. Wir können diverse Stellen nicht besetzen. Damit sind die Produktionsvolumen begrenzt."

Fachkräfte seien zwar noch zu finden. Aber einfache Arbeiter gebe es kaum noch. Der Arbeitskräftemangel könnte das Brandenburger Wachstum also hemmen. Dann sind Scharnau und Tesla plötzlich nicht mehr nur Geschäftspartner sondern auch Konkurrenten.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.11.2023, 08:30 Uhr

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Beitrag von Philip Barnstorf

80 Kommentare

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  1. 80.

    "Rasensprengen...ans Limit gebracht-Warnungen ?" WSE wurde einmal gerügt; 2018 -trockenster Sommer. ? Sie gehen in einen x-beliebigen Supermarkt im 5-min-Umkreis und kaufen die saftigsten Äpfel u.a. aus Brandenburg und abends duschen sie mit Wasser, dass es nur durch Brandenburg gibt. Außerdem regiert da in Grünheide ein seltsamer "Förster" . Sie mögen den sehr ? Aha.

  2. 79.

    So kann man auch ausdrücken, wenn man bei Ansiedlungsvorschlägen die einfachsten Dinge vergisst. Und es hinterher teuer bezahlen muss. So teuer, dass es ein Minusgeschäft wird. Wirtschaftlich wie Volkswirtschaftlich. Ist ganz leicht nachzurechnen. Ganz leicht.

  3. 78.

    „Alles Gejaule und Besserwisserei nützt jetzt eh nix mehr, weil die Fabrik steht da wo sie steht und nun gilt es das beste draus zu machen“
    Das ist genau eine von vielen Stellen, warum seit 34 Jahren alle Großprojekte scheitern. Machen Sie die Augen auf. Lernen Sie. Sonst bleibt es so.

  4. 77.

    Welche "Erden" braucht man für Batterien? Die Brandgefahr stört komischerweise bei Verbrennern nicht. Marianne hat nur bei aktuellen Wohnmobilen plausible Argumente geliefert.

  5. 76.

    Damit nicht so viele Autos auf Halde gebaut werden, gibt es für Verbrenner großzügoge Rabatte, bei BEV sind die seltener.

  6. 75.

    Ja, immer schön auf Halde. Das ist Schwachsinn. Aber Sie haben den Kontext eh nicht verstanden, so what.

  7. 74.

    aber eventuell gibt es keine technischen Lösungen für jedes Problem der E ~ Mobilität.Als da wären die Erden für die Batterien oder die Brandgefahr.Was Marianne schreibt scheint teilweise plausibel.In Ballungsräumen machen E~Autos Sinn ,da die Luft rein bleibt. Die Meisten wollen aber so sicher wie möglich ankommen,deswegen der Trend zu tonnenschweren Autos,weswegen Brücken kaputt gehen .Die Autos werden fast nur von einer Person gefahren,das ist Verschwendung von Ressourcen auch wenn es E~ Autos sind.Aber insgesamt sind Autos nicht das große Umweltproblem ,sondern die Abholzung des Regenwaldes beispielsweise .Das Sensoren mit Klebeband befestigt werden ist nicht neu, aber kein großer Wirtschaftsfaktor

  8. 73.

    Warum vergessen *Sie* immer wieder, dass die Bürger rund um Grünheide selber schuld an der Limitierung der billigen Trinkwasserversorgung sind? Zu viele haben bekanntlich trotz Warnungen des WSE durch exessives Rasensprengen am frühen Abend das Trinkwassernetz immer wieder ans Limit gebracht.

  9. 71.

    Na, nu ist die Wahrheit doch ans Licht gekommen. Wäre ja auch mit jeder anderen Industrieansiedlung passiert. Also steht Öko und Umwelt doch erst an 2. Stelle.

  10. 70.

    Na ist ja auch kein Wunder bei 4 Cent pro KWh. Nebenbei sind die Norweger eh kein Reisevolk, habe ich bei unserer Kreuzfahrt durch die Reiseleiter erfahren. Weil es dort so günstigen Strom gibt, wird die Innenbeleuchtung,zumindest in den Fenstern, auch am Tage, nicht ausgeschaltet.

  11. 69.

    "Abgesehen von dem schlechten politischen Management einschließlich Standortwahl ist der Weg von Tesla die Zukunft,"
    Diese beiden Punkte haben in der Tat sehr viel Pozellan zerschlagen und wirkten sich negativ auf die Akzeptanz des Produktes aus. Ähnliches erleben wir regelmäßig mit der LG.

  12. 68.

    Warum vergessen Sie immer wieder, dass die Bürger rund um Grünheide selber schuld an der Limitierung der billigen Trinkwasserversorgung sind? Zu viele haben bekanntlich trotz Warnungen des WSE durch exessives Rasensprengen am frühen Abend das Trinkwassernetz immer wieder ans Limit gebracht.

  13. 67.

    Wasserstoff krankt heute an den gleichen Problem wie 2013 die batterieelektrische Mobilität: Es mangelt an Möglichkeiten, Energie zuzuführen. Dem gegenüber gibt es in so gut wie jedem süditalienischen Bergdorf Strom, so dass man zu Hause laden kann. Aus meiner Sicht war es die beste Idee von Tesla, ein eigenes Ladenetz aufzubauen.

    Während seitdem die Energiediche der Batterien deutlich zugenommen hat und die Ladezeiten deutlich gesunken sind, hat sich an Effizienz der Brennstoffzelle und der Energiedichte des Wasserstoffs wenig bis nichts geändert. 2013 war der Mirai noch konkurrenzfähig gegenüber damals erhältlichen BEV. Heute dagegen nimmt die Zahl an 700bar-Tankstellen sogar schon wieder ab. Knapp 4.000 Mirai II ist Toyota 2022 los geworden. Wegen der voluminösen Tanks ist dessen Kofferraum kaum grösser als der eines Polo. Wieviel würde wohl davon bei einem Auto in der Größe eines i4 oder id.2 übrig bleiben, wenn es noch eine Reichweite oberhalb eines eUp haben soll?

  14. 66.

    Sie immer mit Ihren schlauen Kommentaren, Wissen Sie warum in Norwegen jeder eine E Karre kauft? Weil der Strom dort fast umsonst ist, dort hat ein durchschnittlicher Haushalt ca. 15000 bis 20000 kwh im Jahr. Dafür würden Sie in Deutschland ein Vermögen bezahlen! In Deutschland fahren Sie mit dem Verbrenner immer noch teilweise günstiger auf 100km als mit Strom. Und bitte jetzt keine Rechnung um jeden Cent!

  15. 65.

    "Oder Tesla an einen geeigneten Standort angesiedelt worden wäre, statt Millionen € zu „verbraten“?"
    Sie vergessen dabei leider, dass Wasser zwar essentiell für einen Wirtschaftsstandort aber wirtschaftlich meist irrelevant ist. Im Fall Tesla einstellige EUR/KfZ. Daher spielt es bei der Entscheidung eine untergeordnete Rolle.
    Dazu kommt im speziellen der Fakt, dass die schon lange vorhandenen Probleme durch Tesla nur verschärft bzw. endlich offenbar wurden. Da waren und sind sie auch ohne Tesla. Das sollte Ihnen als, insbesondere über brandenburgische Probleme, sehr gut informierten Bürger doch bekannt sein.
    Einen Alternativvorschlag innerhalb der Landesgrenzen mit in Summe besseren Voraussetzungen haben Sie bis heute nicht genannt.
    Alles Gejaule und Besserwisserei nützt jetzt eh nix mehr, weil die Fabrik steht da wo sie steht und nun gilt es das beste draus zu machen. Menschen die immer wieder nur in 34 Jahren Vergangenheit denken, können das aber durchaus hinbekommen.

  16. 64.

    Was sind denn nun Ihre konstruktiven Vorschläge? Alles wieder Abreißen und jedes mal einen Volksentscheid, ob sich überhaupt ein Investor ansiedeln darf?
    Die meisten Menschen sind mit der Standortentscheidung zufrieden. Denen die sich an Tesla und dem BER stören sei gesagt dass 1991 an jedem Baum in Grünheide folgendes Schild hing: "Kein Ausbau des Flughafens Schönefeld". 1996 kam die Entscheidung. Jeder, der sich dort angesiedelt hat sollte sich doch vorher informieren.

  17. 62.

    „Sie kochen hier immer wieder Dinge auf“
    Niemals darf vergessen werden, wie mit den Bürgern umgegangen wurde, einschließlich der Flugroutendiskussion und Wasserrationierungen in Grünheide. Einfach zur Tagesordnung übergehen bedeutet ja, immer wieder die gleichen Fehler zu machen und zu tolerieren. Nein, die Gründe für 34jährige Fehlentscheidungen müssen erkenntnisgewinnend auf dem Tisch bleiben...Übrigens, die Mauer war auch ein Fehler...28 Jahre lang.
    Irgendwann will man auch die letzten Plätze verlassen. Sie nicht?

  18. 61.

    Apropos USA: 2035 ist Schluß mit den Verkauf von PKW und leichten Nutzfahrzeugen ohne Kabel, 2036 gilt das auch für schwere Nutzfahrzeuge. Zudem drohen Fahrverbote. Zig weitere Bundesstaaten haben die Regelung übernommen.

    In Europa ist Norwegen Vorreiter bei der E-Mobilität. Hyundai verkauft dort schon nichts mehr mit Zündkerzenstecker, zum Jahreswechsel folgt VW.

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