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Lehrstuhl für Baugeschichte an der BTU Cottbus-Senftenberg

Großbauten in der Antike

Von Baalbek bis BER – die wechselvolle Geschichte von Großbaustellen: Es scheint, als läge ein Fluch auf deutschen Großprojekten: Stuttgart 21, die Elbphilharmonie in Hamburg, der Berliner Flughafen BER. Alles wird deutlich teurer und später fertig als geplant. Das ist aber kein "Verdienst" der Neuzeit. Schon im Mittelalter und im römischen Reich wurde jahrhundertelang gebaut, mitten im Bau umgeplant und wurden Baupläne immer wieder verworfen. Architekten, Bauingenieure und Stadtplaner der BTU Cottbus-Senftenberg erforschen gemeinsam die "Historische Baukultur".

 

Schriftversion des Audio-Beitrags:

Sprecher: "Professor Klaus Rheidt und seine Mitarbeiter sind schon viel herumgekommen in der Welt und kennen bei großen Bauwerken jeden kleinen Stein. Und obwohl zum Beispiel die Stadtmauern von Pompeji, die Kathedrale von Santiago de Compostela und der Tempel von Baalbek im Libanon zu den am besten erforschten der Welt gehören, hat vor den Cottbusern noch niemand die Baugeschichte so umfassend unter die Lupe genommen."

Prof. Klaus Rheidt: "Also man ist immer wieder erstaunt heutzutage, dass wir über ganz bekannte Großobjekte so wenig wissen. Es ist so, dass bis noch vor 20, 30 Jahren die schiere Größe dieser Objekte die Forscher überfordert hat."

Sprecher: "Moderne Technik und viel Personal machen es möglich: Mit Lasern werden die Lage jedes Steins und jede noch so kleine Fuge vermessen. In Compostela haben die Forscher schon auf dem Altar und dem Dach gestanden."

Prof. Klaus Rheidt: "Wir versuchen immer erstmal als erstes Pläne dieses Objektes zu erstellen, wir versuchen in diesen Plänen Hinweise auf Veränderungen während der Bauzeit festzustellen, das heißt also mögliche Zerstörungen, Wiederaufbauten und so weiter, Baunähte zu identifizieren, wo also späteres Mauerwerk an ältere Reste stößt und so weiter. Und versuchen dann aus der Analyse dieser Baunähte uns zu überlegen was der Architekt sich gedacht haben könnte, was also geplant gewesen ist. Uns das geht erstaunlich gut."

Sprecher: "Unterschiedliche Farben bedeuten unterschiedliche Bauphasen. Dann kann man sich fragen: Warum wurde der Bau unterbrochen? Im libanesischen Baalbek zum Beispiel war ursprünglich etwas komplett anderes geplant, als das, was gebaut wurde:"

Prof. Klaus Rheidt: "Das, was jetzt da steht in Baalbek - die berühmten Säulen, die auf jedem libanesischen Geldschein zu sehen sind - die sind schon ein Relikt einer zweiten Planungsphase, bei der man dieses erste - vielleicht auch zu orientalische - Konzept völlig über den Haufen geworfen hat und etwas völlig anderes auf dieses angefangene Podium gebaut hat."

Sprecher: "Dieses angefangene Podium wurde offenbar von einem Bautrupp des Herodes gebaut und gleicht bis auf Millimeter genau den Stein- und Fugenmaßen der Klagemauer in Jerusalem - also den Resten des herodianischen Tempels. Während die Vorlage also aus dem Gebiet des heutigen Israels stammt, wurden in einer späteren Bauphase Granitsäulen aus Ägypten nach Baalbek geschafft - die Forscher interessiert deshalb auch die Baustellenlogistik und die Auswirkungen auf die Bevölkerung."

Prof. Klaus Rheidt: "Das bedeutet auch Baustellenstraßen und, dass bestimmte Bereiche der Stadt völlig abgesperrt sind, weil da gerade gebaut wird und man genau weiß, die nächsten zehn Jahre wird immer noch gebaut, und die nächsten 50 auch noch. Das ist auch das Thema, was letztlich die Tempel in Baalbek, die Kathedrale von Santiago de Compostela, die Stadtmauern von Pompei, die Heeresversuchsanstalt in Peenemünde und andere Großprojekte der Geschichte zusammenbindet, nämlich die Frage: Wie wird diese Baustelle als Baustelle von der Bevölkerung wahrgenommen, wird sie überhaupt wahrgenommen? Was hat sie für kulturgeschichtliche Aspekte und Auswirkungen auf ihr ganzes Umfeld?"

Sprecher: "Erste Ergebnisse zeigen: War der Bauherr spendabel, dann wuchs nicht nur der Bau, sondern auch die Zustimmung der Bevölkerung. Was kann man also aus historischen Großbauprojekten lernen? Darüber wollen die Forscher sich in einem Kolloquium austauschen."

Prof. Klaus Rheidt: "Das wäre so eine Idee, die wir jetzt haben. Und da arbeiten wir zur Zeit dran, da auch noch andere Kollegen, die an ähnlichen Projekten arbeiten zusammenzubringen und darüber zu diskutieren. Und vielleicht schaffen wir es dann auch mal ein paar Verantwortliche von der Elbphilharmonie oder vom BER dazu zu bekommen um möglicherweise auch das, was dort passiert, dann in einen größeren historischen Rahmen zu stellen."

Beitrag von Sascha Erler

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