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Interview mit dem Präsidenten der Universität Potsdam

10 Fragen an Prof. Oliver Günther

Die Universität Potsdam ist mit ihren gut 20 Jahren ein Jungspund unter den Hochschulen. Dennoch hat sie schon "forschungsstarke Profilbereiche" wie die Erd- oder Kognitionswissenschaften herausgearbeitet, sagt Oliver Günther, Präsident der jungen Universität.  Der Professor für Wirtschaftsinformatik wünscht sich, dass Bund und Länder zukünftig bei der Hochschulfinanzierung besser zusammenarbeiten können und, "dass Potsdam in Zukunft genauso für exzellente Wissenschaft bekannt ist, wie für seine Schlösser und Gärten".

 

1. Mit welchen großen Zukunftsfragen beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher an der Universität Potsdam?

Frei nach Faust: Wir wollen wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Trotz erst 20-jähriger Existenz hat die Universität Potsdam forschungsstarke Profilbereiche herausgearbeitet, die sich wichtigen Zukunftsfragen widmen. Dazu gehören die Erdwissenschaften mit der Frage: Wie funktioniert das System Erde und welchen Einfluss hat der Mensch? Dazu gehören die Kognitionswissenschaften mit der Frage: Wie funktioniert unser Gehirn und wie kann Unterstützung aussehen, wenn es an Leistungsfähigkeit verliert?

2. Was sind für Ihre Universität die größten Herausforderungen für 2014?

Die größte Herausforderung ist natürlich die Finanzierung. Um die Qualität der Lehre zu sichern, mussten wir schon 2013 davon absehen, den bisherigen Wachstumskurs fortzusetzen. 2014 könnte die Studierendenzahl deutlich unter 20.000 Studierende sinken – das wäre nicht gut für unser Land, denn es gibt kein besseres Mittel, um begabte Menschen nach Brandenburg zu holen und hier zu halten als die Hochschulen. Inhaltlich wollen wir unsere Profilbereiche weiter stärken und auch neue etablieren. Die Gesundheitswissenschaften oder die Religionswissenschaften z.B. bieten ein unglaubliches Potential, das wir ausschöpfen wollen.

3. Was macht die Qualität der Wissenschaftslandschaft Berlin-Brandenburg aus und wo sehen Sie Probleme?

Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es eine solche Dichte hochklassiger Wissenschaft. Dadurch wird zum einen interdisziplinäres Arbeiten sehr leicht und zum anderen lockt dieses gewinnbringende Umfeld Spitzenwissenschaftler aus der ganzen Welt an. Das kommt am Ende auch der Universität Potsdam zu Gute. Auf die Professorenstellen an der neuen "School of Jewish Theology" z.B. erhalten wir Bewerbungen über alle Kontinente hinweg. Das einzige Problem ist wieder die Finanzierung: Im Vergleich zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch zu den Berliner Universitäten sind wir stark unterfinanziert.

4. Die Hochschulfinanzierung muss neu geordnet werden. Wie wünschen Sie sich die Neuordnung?

In erster Linie muss endlich eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern möglich werden. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre die Aufhebung des so genannten Kooperationsverbotes, das die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Hochschulbereich stark behindert. Ich bedaure, dass dieses Vorhaben die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union offensichtlich nicht überstanden hat. In jedem Fall muss die Landesregierung darüber nachdenken, wie sie ihre Universitäten ausstattet. Es ist unverantwortlich, dass wir weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen, was die Zuwendungen pro Studierendem betrifft.

5. Die Förderung vieler wissenschaftlicher Projekte ist zeitlich befristet. Wie sinnvoll erachten Sie dies?

Meiner Ansicht nach funktioniert das Zusammenspiel von langfristiger Grundfinanzierung und zeitlich beschränkter Drittmittelfinanzierung in Deutschland recht gut, wobei die Balance stimmen muss. Drittmittel decken ja die Grundbedürfnisse wie Raum und Energie nur teilweise ab, deswegen kann man das nicht beliebig ausweiten. In den Drittmittelprojekten arbeiten vor allem Nachwuchswissenschaftler, die sich natürlich auch personell weiterentwickeln sollen.  Dabei helfen unsere Potsdam Graduate School und das Potsdam Research Network Pearls. Beide Einrichtungen sollen zeitnah verstetigt werden.

6. Stichwort Plagiate: Funktioniert die Selbstkontrolle in der Wissenschaft oder muss sich etwas ändern?

Die Selbstkontrolle funktioniert mittlerweile sehr gut, wenn auch noch nicht perfekt. Die Enthüllungen der letzten Jahre haben zu einer enormen Verbesserung geführt. Die Laissez-Faire-Praktiken, die an einigen Universitäten zu Tage traten, gab es bei uns allerdings schon länger nicht mehr. Es gibt eine Kontrolle durch externe Dritte, eidesstattliche Versicherungen und wir nutzen auch Kontrollsoftware, wenngleich diese nicht immer befriedigende Ergebnisse liefert.

7. Befristete Verträge, unsichere Perspektiven im Wissenschaftsbetrieb: Warum sollten junge Akademikerinnen und Akademiker lieber in die Wissenschaft als in die Industrie gehen?

Diesen unsicheren Perspektiven versuchen wir mit dem Tenure-Track-Programm zu begegnen. Es sieht eine 6-jährige Probezeit als Juniorprofessor oder Juniorprofessorin vor, an die eine Professur auf Lebenszeit anschließen könnte. Wir gehen derzeit davon aus, dass 70 bis 90 Prozent der Teilnehmer dadurch in die Festanstellung kommen.

8. Stichwort Gleichstellung: Welches Konzept zur beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau verfolgen Sie?

Zur Zeit ist über die Hälfte unserer Studierenden weiblich. Innerhalb des Lehrpersonals spiegelt sich diese erfreuliche Zahl allerdings nicht wieder. Das wollen wir verbessern und versuchen das z.B. durch familienfreundliche Vorlesungszeiten, das kommt im Übrigen auch den Studenten und Studentinnen mit Kindern zu Gute. Wenn Professorenstellen neu zu besetzen sind, bevorzugen wir bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen.

9. Wer im Ringen um Drittmittel die Nase vorne haben will, muss die Öffentlichkeit auf seine Seite ziehen. Welche Kommunikationsstrategie verfolgen Sie?

Bei der Werbung um Drittmittel sind wir schon sehr erfolgreich. Wir haben eine Quote von 47 Prozent quer durch alle Fakultäten und das wird sich nur schwer steigern lassen. Um das Niveau zu halten, wollen wir noch stärker in die überregionale Presse. Ich wünsche mir, dass Potsdam in Zukunft genauso für exzellente Wissenschaft bekannt ist, wie für seine Schlösser und Gärten. Ihr Projekt hier ist da schon mal ein guter Anfang.

10. Welche Frage würden Sie gerne mal beantworten?

Warum braucht eine moderne Volkswirtschaft noch Universitäten? - Weil diese dem gesellschaftlichen Wohl noch mehr dienen als noch vor 30 Jahren - durch intensive, auch anwendungsorientierte Forschung, durch die positiven demographischen Effekte, durch Start-Up-Unternehmen und vertiefte Kooperationen mit der regionalen Wirtschaft.  Ich verbringe viel Zeit damit, der Politik und der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass Universitäten Arbeitsplatzmaschinen und Quellen von Firmengründungen sein können und schon sind. Die Universität Potsdam ist im nationalen Gründerranking seit Jahren vorn dabei. So tragen wir mittelfristig auch zu einem höheren Steuervolumen bei. Deswegen sind Investitionen in die Hochschulen auch "Investitionen" – sie bringen einen positiven finanziellen Ertrag.

Beitrag von Alexander Goligowski, Stand: 04.12.2013

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