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Serie "Wahlfahrt" | Inforadio | 22.08.2014

Zwölf Wochen ohne Physik

Eltern beklagen sich über Unterrichtsausfall, der Lehrermangel sorgt mancherorts dafür, dass keine Noten auf den Zeugnissen standen. System oder Einzelfall? Wie schlimm es mit dem Unterrichts-Ausfall wirklich aussieht, zeigt ein Beispiel aus Lehnin. Von Alex Krämer

Dass Noten im Zeugnis ausfallen müssen, weil gar nicht genügend Unterricht erteilt wurde - das ist in Lehnin nicht passiert. Aber Probleme gab es schon. Im Winter betraf es den Physikunterricht der 7. Klasse, erinnert sich Elternsprecherin Yvonne Varchmin. "Ein Lehrer ist krank geworden, es war ja auch die Grippezeit. Da sind viele Stunden ausgefallen - insgesamt über zwölf Wochen."

Zwölf Wochen kein Physik: Schulleiter Dirk Lenius drängelte, die Eltern auch. Irgendwann schickte das Schulamt einen Vertretungslehrer. Kurz darauf wurde das so genannte Vertretungsbudget eingeführt - die Schulen bekommen jetzt Geld, mit dem sie selbst Vertretungskräfte einkaufen können. Vielleicht hätte das schon geholfen, meint Schulleiter Lenius.

Dennoch sieht er auch bei dem neuen Vertretungsbudget zwei große Probleme. "Das eine ist der unwahrscheinlich große bürokratische Aufwand," sagt Lenius. "Zum anderen ist es so, das man ja trotzdem auch Fachkräfte benötigt." Grade im Sekundarbereich sei das schwierig. An seiner Schule habe er zum Beispiel vier Bewerberinnen für dieses Vertretungsbudget -  allerdings seien die nur bereit, in den unteren vier Klassen zu unterrichten. Der Grund: Es handelt sich um Erzieherinnen – gut, um in der Grundschule einzuspringen, aber keine Lösung für die 7. Klasse, meint auch Elternvertreterin Yvonne Varchmin. "Vom Fachlichen her glaube ich nicht, dass das passt. Nicht, dass ich den Kolleginnen etwas absprechen möchte, aber auf die Dauer ist das für den Fachunterricht nicht geeignet."

Jüngere Lehrer und bessere Berufsorientierung

Von den neu eingestellten Lehrern, über die die Landesregierung gerne redet, sind in Lehnin aber tatsächlich auch welche angekommen. Jetzt gibt es hier, zum ersten Mal seit Langem, auch wieder Lehrer unter 30.

In Lehnin lässt sich außerdem besichtigen, wie Berufsorientierung aussehen kann. Die fordern vor allem Ausbildungsbetriebe immer wieder von den Schulen, damit Lehrlinge besser vorbereitet bei ihnen anfangen. Die Lehniner Schüler machen also ab der 7. Klasse immer wieder Praktika in Ausbildungszentren und Betrieben und bauen in Projekten auf dem Schulgelände mit Beton und Holz. Lehrerin Ines Meyer organisiert das alles. "Für unsere Schüler bringt das sehr viel", bestätigt sie. Zum einen lernten die Schüler eine Vielzahl von Berufen kenne, die nicht unbedingt Alltagsberufe sind. "Sie lernen aber auch ihre Stärken und Schwächen kennen – und es kann sogar zu einer Ausbildung führen."

In jedem Fall kämen die Schüler stückweit gereifter aus den Praktika zurück, weil sie in den Betrieben ein anderes Arbeitsumfeld kennenlernen. Und vielleicht werden sie dadruch auch zielstrebiger - im vergangenen Schuljahr jedenfalls haben alle Abgänger einen Abschluss gemacht.

Bildung als Wahlkampfthema

Die Berufsorientierung in der Schule taucht in den Wahlprogrammen durchaus auf. In großer Einigkeit fordern CDU, SPD und Linke, sie zu verstärken. Beim Thema Unterrichtsausfall und Lehrereinstellungen ist die Einigkeit dafür nicht so groß, hier heißt das Motto, "Wer bietet mehr?" Die SPD will 400 zusätzliche Lehrer, die Grünen 500, die Linken 800. Und die CDU plant 50 Millionen Euro zusätzlich ein - das entspricht in etwa 600 bis 700 Lehrerstellen.

Bildung - Das wollen die Parteien

SPD

Die SPD will die Qualität der Kinderbetreuung in den Kitas verbessern und dafür den Betreuungschlüssel für unter 3-Jährige anheben. Eine Erzieherin soll künftig 5 Kinder statt bisher 6 betreuem. Zum Betreuungsschlüssel für 3- bis 6-Jährige finden sich keine Angaben - den wollen CDU, Linke und Grüne ebenfalls anheben.

An den Schulen will die SPD unterm Strich 400 zusätzliche Lehrer in der Legislaturperiode einstellen. Zudem will die SPD an den Oberschulen eine "vertiefte Bildung" einführen, die den dortigen Schülern ermöglichen soll, nach 13 Jahren das Abitur ablegen zu können. An den bisherigen Schulformen will die SPD festhalten.

Die acht Hochschulen des Landes sollen 75 Millionen Euro zusätzlich erhalten, damit soll die Zusammenarbeit mit Unternehmen verbessert, duale Studiengänge gefördert, die Zahl der Studienabbrecher gesenkt und berufs- und familienbegleitetes Studieren vereinfacht werden.

Zudem will die SPD die Zahl der Ausbildungs-Abbrecher senken und dafür eine Jugendberufsagentur schaffen sowie "Türöffner-Netzwerke" aufbauen. Darin sollen ehrenamtliche Mentoren Jugendliche in Schule und Ausbildung unterstützen.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger SPD

CDU

Auch die CDU will die Qualität in den Kitas verbessern und mit 50 Millionen Euro die Personalsituation verbessern. Eine feste Zahl für zusätzliche Erzieherinnen nennt die CDU nicht, will aber – ebenso wie die SPD – einen Betreuungsschlüssel von 1:5 für Unter-3-Jährige. In den übrigens Kitas soll eine Erzieherin nicht mehr als 11 Kinder betreuen.

An den Schulen will die CDU ebenfalls 50 Millionen Euro für zusätzliche Lehrer zur Verfügung stellen und damit dafür sorgen, dass weniger Unterrichtsstunden ausfallen. Der "akute Lehrermangel", wie es heißt, soll durch Zugangserleichterungen und eine Qualifizierungsoffensive für Quereinsteiger abgefedert werden. Zudem will die CDU von Rot-Rot beschlossenen Kürzungen für freie Schulen zurücknehmen, die Eigenständigkeit der Schulen stärken und den Religionsunterreicht fördern.

Was die Hochschulen betrifft, spricht sich die CDU gegen Eingriffe in die Hochschulautonomie aus wie bei der Fusion der BTU Cottbus und der FH Senftenberg. Die Uni und Fachhochschulen sollen sich zu exzellenten Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen entwickeln, die Familienfreundlichkeit soll verbessert werden.

Zudem setzt sich die CDU dafür ein, für musikalisch oder künstlerisch begabte Kinder und Jugendliche ein Stipendien-System aufzubauen. Auch sollen Anreize geschaffen werden, damit diese Kinder Spitzenleistungen in nationalen und internationalen Wettbewerben erzielen.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger CDU

Linke

Die Linke will in den Kitas den Betreuungsschlüssel bei den 1- bis 3-Jährigen auf 5 Kinder (statt bisher 6) und bei den 3- bis 6-Jährigen auf 11 (statt bisher 12) verbessern. Dazu will die Partei 1500 Erzieherinnen und Erzieher ausbilden und einstellen. Zudem sollen die Kitas zu inklusiven Einrichtungen ausgebaut werden.

Auch was die Anzahl der Lehrer an Schulen betrifft, macht die Linke größere Versprechungen als die SPD. Die Partei hält die Einstellung von 800 zusätzlichen Lehrkräften für erforderlich und will die Rahmenbedingungen bei der Einstellung von Lehrern attraktiv gestalten. Zudem spricht sich die Linke für die Einführung einer Gemeinschaftsschule aus und will Leistungs- und Begabungsklassen abschaffen.

Den Etat für die Hochschulen will die Linke um 50 Millionen aufstocken und damit die prekäre Beschäftigung zurückdrängen. Es sollen zusätzliche Stellen geschaffen und langfristige Beschäftigungsverhältnisse abgeschlossen werden. Die Kinderbetreuung soll ausgebaut und die Hürden für die Zulassung zum Studium oder dem Wechsel zwischen Studiengängen gesenkt werden.

Um mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, will die Linke eine Ausbildungsplatzumlage schaffen – Betriebe, die selbst nicht ausbilden, sollen eine Abgabe zahlen. Außerdem sollen junge Erwachsene zwischen 25 und 35 ohne abgeschlossene Ausbildung besser gefördert werden.

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Grüne

Für mehr Qualität in den Kitas wollen die Grünen 150 Millionen Euro investieren. So wie CDU und Linke will die Partei den Betreuungsschlüssel für 1-3-Jährige auf 1:5 und für 3- bis 6-Jährige auf 1:11 anheben. Zudem soll die Bezahlung der Erzieherinnen verbessert, die Mittel für den Spracherwerb erhöht und die Qualität besser kontrolliert werden.

In den Schulen wollen die Grünen 500 zusätzliche Lehrkräfte für den inklusiven Unterricht einstellen und dadurch kleinere Klassengrößen erreichen. Zudem setzen sie sich für längeres gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse ein. Oberschulen und Gymnasium in ländlichen Regionen sollen dafür zu Gesamtschulen zusammengeschlossen werden, auch freie Schulen sollen besser gefördert werden.

An den Hochschulen wollen die Grünen sich dafür einsetzen, den Bundesanteil für alle außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu erhöhen. Die frei werdenden Landesmittel sollen den Hochschulen zukommen Die Hochschulen sollen unabhängiger werden, prekäre Beschäftigung ein Ende haben, mehr Wohnraum für Studierende geschaffen werden.

In der Berufsausbildung wollen die Grünen Anreize schaffen, damit mehr Betriebe ausbilden. Für besonders benachteiligte Jugendliche sollen überbetriebliche Lernorte mit individueller Förderung geschaffen werden.

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FDP

Für Kitas nennt die FPD keine konkreten Ziele, was die Personalausstattung betrifft. Es soll vielmehr ein Konzept für eine Verbesserung der Betreuungsrelation erarbeitet werden. Die Erzieherinnen und Erzieher sollen besser bezahlt werden, außerdem soll es mehr Mittel für Sprachförderung geben.

An den Schulen will die FDP mehr Eigenverantwortung und insgesamt 1000 zusätzliche Lehrer einstellen – mehr als die Linken. Dadurch soll die Klassengröße verkleinert und mehr Sozialarbeiter und Psychologen eingestellt werden. Die Verbeamtung der Lehrer soll abgeschafft werden, das Thema sexuelle Identität verbindlich auf den Lehrplan.

An den Hochschulen steht die FPD ihren Worten nach für "marktfähige Innovation" und will die Kooperation zwischen Wirtschaft und Forschung erhöhen. Die zur Verfügung stehenden Mittel sollen künftig stärker nach Leistung vergeben werden. Zudem sollen die Hochschulen das Recht erhalten, Studiengebühren zu erheben.

In der Berufsausbildung will die FDP die Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen verbessern, um Ausbildungsabbrüche zu reduzieren. Die Betriebe sollen in eigener Verantwortung ausbilden.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger FDP

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Beitrag von Alex Krämer

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