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Audio: Inforadio, 26.06.2019, Interview von Irina Grabowski | Quelle: dpa/Kay Nietfeld

Interview | Klimaforscher über Hitze

"Wir verlieren die Kontrolle über das Klimasystem"

Über Deutschland liegt eine Gluthitze, auch in Berlin und Brandenburg werden Rekordwerte gemessen. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist überzeugt, dass die Extremtemperaturen Folge des Klimawandels sind.

rbb: Herr Rahmsdorf, ist diese Hitze noch normal?

Stefan Rahmsdorf: Eigentlich gar nicht. Denn die Hitze wird immer größer, wir erwarten heute einen Rekordwert. Überhaupt werden wir für den Juni den bisherigen Rekordwert zumindest im Osten Deutschlands überschreiten. Wir haben hier auf dem Telegrafenberg in Potsdam eine Wetterstation, die seit 1893 misst. Und da war der höchste Monatsmittelwert im Juni 20,2 Grad - im Jahr 1917. Der wird wahrscheinlich jetzt um gut zwei Grad überboten.

Zur Person

Stefan Rahmstorf ist Ko-Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor an der Universität Potsdam.

Das rbb Fernsehen sendet um 20:15 Uhr das Spezial "Saharahitze in Berlin und Brandenburg"

Was sagen Sie Leuten, die immer noch an der Erderwärmung zweifeln und fragen, ob der Sommer nicht einfach nur zufällig so heiß sei?

Die werden das wahrscheinlich auch im Jahr 2040 noch fragen. Aber es gibt zum Beispiel eine Auswertung über die Sommertemperaturen in Europa seit dem Jahr 1500. Das haben Schweizer Kollegen gemacht: Vor dem 19. Jahrhundert kann man mit Baumrinden Temperaturen rekonstruieren und man sieht, dass die fünf heißesten Sommer seit 1600 in Europa 2008, 2010, 2003, 2016 und 2002 waren. Das hat mit Zufall nichts mehr zu tun, sondern ist voll erklärbar durch die globale Erwärmung.

In Italien sind es jetzt 28 bis 30 Grad. Warum kommt es ausgerechnet bei uns zu Hitzewellen?

Das liegt an der Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Die verändert sich auch im Zuge der globalen Erwärmung und ist ein sehr aktuelles Forschungsthema. Es gibt eine ganze Reihe Studien die zeigen, dass die typische Bewegung der Wettersysteme von West nach Ost sich verlangsamt hat. Dadurch kriegen wir weniger Wetterwechsel und länger anhaltende Wetterlagen. Das hat auch mit den Wellen im Jetstream zu tun. Die Ursache, dass das jetzt immer häufiger passiert, liegt in der besonders starken Erwärmung der Arktis, die sich ja rascher erwärmt als der globale Mittelwert.

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Wann ist der Moment erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt, an dem die Permafrostböden aufgetaut sind?

Die Permafrostböden setzen beim Auftauen CO2 und Methan frei und verstärken dadurch die Erwärmung. Das ist ein Prozess, der langsam einsetzt. Bis Ende des Jahrhunderts wird das wahrscheinlich höchstens ein halbes Grad zusätzlich an Erwärmung bringen. Längerfristig aber ist darin eine große Gefahr zu sehen, weil das ein unaufhaltsamer Prozess wird. Durch den gelangen noch viele Jahrhunderte immer mehr Treibhausgase in die Luft, selbst wenn wir unsere direkten Emissionen durch Verbrennung fossiler Brennstoffe längst eingestellt haben. Wir verlieren die Kontrolle über das Klimasystem.

Wie können wir diese Entwicklung noch beeinflussen?

Das ist in Paris eigentlich alles klar beschlossen worden: Im Pariser Abkommen steht, die globale Erwärmung soll deutlich unter der zwei Grad Grenze gestoppt werden, möglichst sogar bei 1,5 Grad. Da waren sich alle Staaten einig. Selbst Saudi-Arabien und Russland und solche Länder, die an fossilen Brennstoffen verdienen, haben das verstanden. Das Pariser Abkommen muss jetzt nur einfach umgesetzt werden. Und da sind nur wenige Staaten bisher auf einem guten Weg. Deutschland leider auch nicht.

Normalerweise freuen sich Wissenschaftler wenn sie mit ihren Prognosen richtig liegen?

Ich freue mich nicht drüber. Ich habe zwei Kinder und mache mir große Sorgen über die Welt, in die sie hineinwachsen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Stefan Rahmsdorf führte Irina Grabowski, Inforadio. Das Interview nachhören können Sie mit Klick auf den Audio-Button im Bild.

 

Die Fieberkurve der Erwärmung in Berlin und Brandenburg:

Historische Messwerte des DWD dokumentieren die bisherige Erwärmung: Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 ist die Jahresmitteltemperatur in der Region bereits um rund ein Grad gestiegen. Die folgende Grafik zeigt die Werte für die einzelnen Jahre.

Die folgende Karte zeigt Ihnen die Jahresmitteltemperaturen, im Stil der "Wärmestreifen" des britischen Klimawissenschaftlers Ed Hawkins. Sie sehen zunächst die Daten für die gesamte Region Berlin-Brandenburg. Wenn Sie die Daten für einen bestimmten Landkreis, eine kreisfreie Stadt, Berlin oder  Brandenburg gesamt abrufen wollen, können Sie den Bereich in der nachfolgenden Karte oder im Dropdown wählen. Bei Auswahl einer Region erhalten Sie regionalisierte Daten sowohl für diese Grafik, als auch für zwei weitere Grafiken unten im Text.

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