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Video: Brandenburg aktuell | 13.10.2017 | Michael Schon | Quelle: imago/Martin Müller

Kreisgebietsreform Brandenburg

"Die Regierung ist zum Erfolg verdammt"

Die Kreisgebietsreform wird für die Landesregierung Brandenburgs zur Schicksalsfrage. Die Regierungsmehrheit bröckelt, die Nerven liegen blank. Die Diskussion wird mittlerweile komplett irrational geführt, sagt unser landespolitischer Korrespondent Dominik Lenz im Gespräch.

rbb: Herr Lenz, was ist denn dran an den Gerüchten: Hat Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke wirklich mit Rücktritt gedroht, falls sich weitere SPD-Abgeordnete gegen die Kreisgebietsreform sträuben?

Dominik Lenz: Offiziell bestätigt ist das nicht. Der Regierungssprecher sagt, das Wort "Rücktritt" sei auf gar keinen Fall gefallen, man habe nur verschiedene Versionen durchgesprochen, was passieren könnte, wenn denn das Gesetz Mitte November im Landtag durchfällt.

Fakt ist offenbar, dass es massive Zweifel von einzelnen Abgeordneten gibt. Von einer Abgeordneten - Kerstin Kircheis aus Cottbus - ist schon lange klar, dass sie sich enthalten wird. Sie sitzt zwischen den Stühlen, denn diese Kreisgebietsreform ist in Cottbus ganz besonders unbeliebt. Die anderen beiden sind offenbar wieder eingefangen worden. Wie groß der Druck war, der ausgeübt wurde, kann ich nur vermuten.

Wie gefährdet ist denn das Projekt?

Da muss ich jetzt auf die offizielle Sprachregelung zurückgreifen. Laut Fraktionschef ist alles gut: Es werde am 15. November eine Mehrheit geben. Allerdings hat die Koalition nur sechs Stimmen mehr im Parlament, das ist nicht besonders viel. Wenn man es durchrechnet, könnte es eben doch eng werden. Ich denke aber, im Endeffekt wird es nicht dazu kommen.

Aber wenn es nicht klappen sollte im November: Was wären dann die Folgen?

Das würde mit Sicherheit die Regierung in eine tiefe Krise stürzen, und meines Erachtens wären dann Neuwahlen auch nicht ausgeschlossen.

Wieso hält die Regierung so beharrlich an dieser Reform fest, die offenbar immer weniger wollen?

Ich glaube, dass die Regierung zum Erfolg verdammt ist, weil es – zumindest in der Außenwahrnehmung – ihr einziges Projekt ist. Es ist das Herzensprojekt der SPD. Die Opposition hat ebenfalls nur dieses eine Thema: Sie sind dagegen. Für die Regierung heißt jetzt die Schlüsselfrage: Wie kriegen wir diese Reform durch, ohne das Gesicht zu verlieren? Denn der Gegenwind ist immens, und er wird immer stärker. Es läuft ja gerade ein Volksbegehren gegen  die Reform, und auch Anfang der Woche hat man bei der Mammutanhörung im Innenausschuss gesehen: Da haben Landräte, Bürgermeister und eben auch SPD-Genossen massiv gegen den Vorschlag geschossen.

Hat die Landesregierung handwerkliche Fehler gemacht?

Das glaube ich nicht. Die Regierung hat ja auf die Kritik reagiert, auch bei der Verteilung der Aufgaben und Kompetenzen. Letztlich fehlt meines Erachtens einfach der Wille bei Städten, Kreisen und Kommunen zur Umgestaltung.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Ich glaube, die politische Sprengkraft dieser Reform ist lange unterschätzt worden.  Der Innenminister ist zwar sehr viel durch die Lande gefahren und hat mit den Menschen ganz viel geredet – und das auch schon sehr frühzeitig. Damals haben sich aber vor allem Kreisbedienstete für das Thema interessiert, und die haben das natürlich abgelehnt. Dann kam die Opposition und setzte die Kreisreform schlicht und einfach mit dem Verlust der Heimat gleich. Und wer will schon seine Heimat verlieren? Meines Erachtens ist das eine Diskussion, die inzwischen komplett irrational geführt wird.

Ist vielleicht auch zu viel geredet und verhandelt worden?

Die Regierung hat sehr viel über die Reform geredet, vielleicht hätte sie im Endeffekt ein bisschen weniger darüber reden und einfach sagen müssen: Wir machen das. Aber hinterher ist man immer schlauer. Ich denke, es passt im Moment auch ein bisschen in die Zeit, dass man im Zweifel lieber nichts ändern möchte.

Ist es vorstellbar, dass die Reform noch abgeblasen wird?

Vorstellbar ist, glaube ich, alles, Was immer mal wieder im Raum stand war, dass es jetzt ein Moratorium gibt, also dass man sagt: Wir halten dran fest, aber angesichts der ganzen Diskussionen wollen wir das Projekt nochmal überarbeiten und halten es jetzt erst nochmal an. Das ist theoretisch vorstellbar, aber ich glaube, auch das geht eigentlich nicht mehr.

Die Fragen stellten Oliver Rehlinger und Nele Haring

Sendung: Inforadio, 13.10.2017, 13:05 Uhr

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