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Quelle: imago.images/Frank Sorge

Corona-Krise

Mehr Anfeindungen gegen asiatische Community registriert

Der Verein Korientation berichtet von einer starken Zunahme rassistischer Anfeindungen gegen die asiatische Community in der Corona-Krise. Selbst die südkoreanische Botschaft ist besorgt und versucht, Betroffene gegen stärkeren Rassismus zu wappnen. Von Sigrid Hoff

Gemma Choi ist vor knapp fünf Jahren nach Deutschland gekommen. Eigentlich wollte die Chemikerin noch einmal studieren, doch dann fand sie Arbeit in einem internationalen Unternehmen. Sie hat sich schnell eingelebt, liebt die deutsche Kultur und bewundert die deutsche Gesellschaft, die sie bis vor kurzer Zeit als offen erlebt hat.

Doch mit den Nachrichten über das Coronavirus aus China habe sich die Situation verändert, sagt sie. Die Koreanerin, ihre Freunde und Kollegen seien zur Zielscheibe rassistischer Anfeindungen geworden, erzählt Choi. "Nach der Arbeit war ich mit meinem Auto auf dem Nachhauseweg. An einer Ampel kam ein Mann vorbei und spuckte mir auf die Scheibe", berichtet die 41-Jährige. "Das hat mich sehr beleidigt."

Einem Freund, der an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main studiert, hätten Jugendliche "Corona, Corona" hinterhergerufen, als er spätabends auf dem Heimweg von der Bibliothek war, sagt Choi. Den schlimmsten Übergriff habe eine Kollegin Mitte März erlebt, als Deutschland bereits selbst mit der Krise kämpfte und die ersten Ausgangsbeschränkungen einführte. Ein Mann sei auf die Asiatin zugelaufen und habe ihr seinen Finger in den Mund gesteckt. Er sei schon mit dem Virus infiziert, habe er lachend ausgerufen, aber er liebe asiatische Frauen. Aus Angst vor weiteren Anfeindungen würde sich die Kollegin nicht mehr auf die Straße trauen, erzählt Choi.

Organisation berichtet von vermehrten rassistischen Anfeindungen

Seitdem die Corona-Krise in Deutschland angekommen sei, hätten rassistische Übergriffe auf Asiaten zugenommen, sagt Jeen-Un Kim, Geschäftsführerin der Organisation Korientation. Das Netzwerk versteht sich als Plattform für Asiaten und Asiatinnen in Deutschland sowie für Deutsche asiatischer Herkunft.

Diskriminierung, sagt Jeen-Un Kim, habe sie seit ihrer Kindheit häufig selbst erlebt. In den vergangenen Wochen hätten die Berichte von Betroffenen in den sozialen Medien exponentiell zugenommen. Dass Menschen in Supermärkten oder auf der Straße auf Distanz zu denjenigen gingen, die sie als asiatisch identifizierten und die möglicherweise noch einen Mundschutz trügen, sei dabei noch das Geringste.

"Da wirken ganz viele Ebenen zusammen", sagt die Tochter koreanischer Einwanderer, "befördert durch die Medien und die gesellschaftlichen Diskussionen werden bestehende Denkmuster und Bilder aktiviert." Sie habe seit ihrer Kindheit wegen ihres asiatischen Aussehens unter Diskriminierung gelitten. Dass sie in Deutschland geboren worden sei und akzentfrei Deutsch spreche, habe keine Rolle gespielt. Auch wenn sich jetzt das Zentrum der Corona-Krise von Asien nach Europa und in die USA verlagert habe, blieben alte Vorurteile gegenüber Asiatinnen und Asiaten bestehen.

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Südkoreanische Botschaft verteilt Merkblätter

Wie ernst die Lage für Menschen asiatischer Herkunft ist, beweist die Reaktion der diplomatischen Vertretungen. Sie bieten den in der Diaspora von Diskriminierung und Rassismus Betroffenen Unterstützung an. Die südkoreanische Botschaft hat Merkblätter ausgelegt mit Notfall-Telefonnummern und Ratschlägen, wie man sich davor schützen kann.

Das positive Bild, das Asiaten von Deutschland haben, habe Risse bekommen, sagt die Koreanerin Gemma Choi. Im Jahr 2016 sei sie ganz bewusst nach Deutschland gekommen, weil sie das Land bewundert habe: "Zur Zeit bin ich enttäuscht von den Deutschen, die ihre gute Kultur verlieren. Wir tragen daran keine Schuld. Ich wünsche dem Land von Herzen, dass es die Corona-Krise überwindet."

Auch asiatische Einwanderer, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sind durch die Erfahrungen in der Corona-Krise verunsichert. Jeen-Un Kim, die Geschäftsführerin von Korientation, beobachtet das in der eigenen Familie. Ihre Eltern seien immer voller Dankbarkeit gegenüber den Deutschen gewesen, sie hätten sich in der Bundesrepublik gut aufgehoben gefühlt. Jetzt seien sie skeptischer, aufgrund der negativen Erfahrungen, und würden sich beispielsweise fragen, ob sie den Supermarkt mit Mundschutz betreten könnten, ohne Anfeindungen ausgesetzt zu sein. "Das sind Entwicklungen, die neu sind für mich, dass meine Eltern auch ganz ausdrücklich auf den Rassismus eingehen und vorsichtiger werden", bekennt die Tochter.

Das Netzwerk Korientation will zur Aufklärung beitragen und die Betroffenen ermutigen, rassistische Vorfälle öffentlich zu machen und anzuzeigen.

Beitrag von Sigrid Hoff

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