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15.000 bei der Silent Demo für George Floyd | Quelle: Audio: Inforadio | 08.06.2020 | Jan Menzel

Verstöße gegen Corona-Auflagen

Grünen-Fraktionschefin fordert neue Regeln für Demos

Zehntausende demonstrierten am Wochenende in Berlin gegen rassistische Gewalt. Dabei ignorierten jedoch viele die Corona-Eindämmungsverordnung. Nun entbrennt eine Debatte über Demonstrationen in Corona-Zeiten.

Nach den großen Anti-Rassismus-Demonstrationen vom vergangenen Wochenende werden die Rufe nach neuen Konzepten für solche Veranstaltungen in der Corona-Krise immer lauter.

In Berlin verlangten die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek und der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber klare Regeln und Ideen für die nächsten großen Demonstrationen. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte das bisherige Vorgehen. Dem "Tagesspiegel" hatte Lauterbach gesagt, solche Demonstrationen seien der "Sargnagel für die noch bestehenden Regeln". Durch die Sprechchöre seien "Unmengen an Aerosolen auf engem Raum verteilt worden". Weil es zu viele Teilnehmer mit zu wenig Masken und Abstand gewesen seien, sei es das "ideale Super-Spreading-Event" gewesen.

Unverständnis gibt es in der Wirtschaft, dass große Kundgebungen erlaubt sind, andere Veranstaltungen aber verboten bleiben. Der Konzertveranstalter Peter Schwenkow von der Deutschen Entertainment sieht ein Signal für mehr Öffnung. Wenn sich das Verhalten in zwei Wochen nicht auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt habe, sei es "höchste Zeit, dass wir spätestens ab Juli wieder in die Saison der Freiluftkonzerte starten", sagte er der "Bild"-Zeitung.

In Kürze stehen die nächsten großen Demos an

Zu der Demonstration am Samstag auf dem Alexanderplatz waren weit mehr Menschen gekommen, als von Veranstaltern und Polizei erwartet worden war. Eine Woche vorher hatte bereits eine Protestaktion und Party mit Schlauchbooten auf dem Landwehrkanal für Kritik gesorgt.

In Kürze stehen die nächsten großen Kundgebungen an. Am Sonntag (14. Juni) will das Bündnis "Unteilbar" mit einer größeren Demonstration in Form einer Menschenkette gegen soziale Ungerechtigkeiten und Rassismus demonstrieren. Am 20. Juni ist eine große Demonstration gegen steigende Mieten auf dem Potsdamer Platz geplant.

Kritik wegen mutmaßlicher Polizeigewalt

Bei der Großdemonstration am Wochenende hatten auf dem Berliner Alexanderplatz mehrere Zehntausend Menschen dicht gedrängt gegen Rassismus protestiert. Auch Grünen-Fraktionschefin Kapek war am Samstag auf dem Alexanderplatz. "Ich hatte den Eindruck, die Polizei war überrascht von der großen Zahl der Teilnehmer und wusste nicht, wie man damit umgehen soll", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.  

Sie kritisierte, die Polizei habe noch keine Antwort auf den Umgang mit Demos in Corona-Zeiten gefunden. Kundgebungen erst zu genehmigen und dann überrascht von den Menschenmassen zu sein, sei kein Konzept, so Kapek. Von Innensenator Andreas Geisel (SPD) verlangte Kapek auch Aufklärung wegen der Vorwürfe möglicher rassistischer Übergriffe von Polizisten.

SPD-Innenexperte will Abstandsregel bei Demos kippen

Der SPD-Innenexperte und Sprecher für Verfassungsschutz der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Tom Schreiber, plädierte am Dienstag im Inforadio vom rbb dafür, die coronabedingten Abstandsregeln bei Demonstrationen zu kippen und allein das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu verpflichten. Alles andere sei "nicht praktikabel". Andernfalls müsse man das Demonstrationsrecht wieder einschränken, so Schreiber.

Dabei kritisierte Schreiber die Grünen-Fraktionschefin in Berlin, Antje Kapek, die der Polizei vorwarf, kein Konzept für Demonstrationen unter Pandemie-Bedingungen zu haben. "Wir müssen uns im Klaren sein, dass das, was wir beschließen, auch jemand umsetzen muss", sagte Schreiber. Man dürfe die Verwantwortung nicht auf dem Rücken anderer austragen und auf die Polizei abwälzen. Die Beamten hatten laut Schreiber bei der Demonstration am Samstag keine Chance, die Abstandregeln durchzusetzen.

Die Polizei sprach von 15.000 Teilnehmern, Schätzungen von rbb-Reportern und nachträglichen Auswertungen von Luftbildern zufolge muss die Zahl aber weit höher gelegen haben. Die Veranstalter nannten auf Anfrage keine eigene Schätzung.

Sendung: Fritz, 09.06.2020, 10:30 Uhr

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