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Audio: Inforadio | 14.08.2020 | Anna Corves | Quelle: dpa/Jens Kalaene

Drei Jahre nach Start

Geld für die "Berliner Schulbauoffensive" wird knapp

Am Samstag werden die Berliner Erstklässler eingeschult. Es ist der finale Startschuss für das neue Schuljahr in diesen seltsamen Corona-Zeiten. Doch wie steht es um die Sanierung alter und den Bau neuer Schulen, drei Jahre nach Start der "Berliner Schulbauoffensive"? Von Anna Corves

Die rot-rot-grüne Koalition hatte sie zu einem ihrer wichtigsten Projekte erkoren: Die "Berliner Schulbauoffensive". Rund 5,5 Milliarden Euro sollten zwischen 2017 und 2026 in die Schulsanierung und die Schaffung neuer Schulplätze investiert werden. Denn nach Jahren des Sparens bei gleichzeitigem Anstieg der Schülerzahlen sind die Mängel eklatant.

Auch das gerade angelaufene Schuljahr startet vielerorts mit der gewohnten Mangelverwaltung: mit Grundschulen, die völlig überbelegt sind und Oberschülern, die nur an einer weit entfernten Schule einen Platz bekommen haben. Pankow ist neben Lichtenberg und Mitte der am stärksten betroffene Bezirk. Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) spricht von 3.500 bis 4.000 Schulplätzen, die ihm schon jetzt fehlen, längerfristig rechnet er mit einem Bedarf von 15.000 Plätzen.

Die Schulbauoffensive soll dieses Problem lösen und bis 2026 rund 60.000 zusätzliche Schulplätze schaffen. Drei Jahre nach Start der Offensive sei man weitgehend im Zeitplan, sagt Winfried Nünthel (CDU). Er wurde von der Bildungsverwaltung als Schulbaukoordinator eingesetzt. Zu Beginn des Schuljahres 2021/22 werden 20.000 neu geschaffene Schulplätze zur Verfügung stehen. Dass es noch nicht mehr seien, erkläre sich damit, dass es per se zwei bis drei Jahre dauere, um Schulbau erstmal anzuschieben, die Projekte auf den Weg zu bringen.

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Auch der Pankower Baustadtrat Kühne klingt grundsätzlich recht zufrieden, wenn er vom Beginn der Schulbauoffensive spricht. Sein Bezirk allein ist schon mit 24 Schulneubauprojekten im Investitionsplan vertreten. Aber Kühne kritisiert, dass die Abstimmungsprozesse bei den Bauvorhaben noch viel zu lange dauerten. Denn beim Schulbau mischen viele Akteure mit - die Bezirke, die Senatsverwaltungen für Bildung, für Stadtentwicklung, für Finanzen und andere.

"Fragen bei Bauprojekten werden oft erstmal bilateral geklärt, zum Beispiel zwischen zwei Senatsverwaltungen. Wenn es dann geklärt ist, stellt sich raus, dass die dritte noch einen anderen Einwand hat." Das koste unnötigerweise Zeit. Kühne fordert daher, dass bei größeren Bau- oder Sanierungsprojekten von vornherein alle Beteiligten an einem Tisch sitzen.

Damit scheint er jetzt Gehör und einen Unterstützer gefunden zu haben: Schulbaukoordinator Nünthel, der ohnehin als Mittler zwischen allen Akteuren fungieren soll. "Ich halte solche Abstimmungsrunden für sinnvoll - wir wollen sie in Kürze modellhaft in Pankow erproben."

Wettlauf zwischen Geld und Bedarf

Um mehr Tempo in den Schulneubau zu bekommen, erwägt das Land außerdem, mehr Modulschulen aus Holz zu errichten als bisher geplant: Drei wurden bereits in Betrieb genommen, auch in Pankow und Lichtenberg. Beide Bezirke sind zufrieden damit - insbesondere die rasche Bezugsreife, drei Jahre nach Bedarfsfeststellung, motivieren das Land Berlin und das kommunale Wohnungsbauunternehmen Howoge, über bis zu 19 weitere Holz-Modulschulen nachzudenken.

Doch es gibt einen Risikofaktor, der die Schulbauoffensive nun massiv überschattet und den Bezirken große Sorge bereitet - so auch Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke): "Mein Eindruck war schon im Februar, noch vor Corona, dass das Geld für die Schulbauoffensive alle ist." Die Fördersumme von 5,5 Milliarden Euro sei 2017 zwar schon auf Basis von Daten gesetzt worden. Das wahre Ausmaß des Sanierungs- und Baubedarfs habe man aber wohl erst realisiert, als man konkrete Projekte geplant habe. Insofern sei das Geld von Anfang an knapp kalkuliert gewesen: "Allein Lichtenberg hat einen Investitionsbedarf von 700 bis 900 Millionen."

Zudem sind die Baukosten seit 2017 deutlich gestiegen. Und jetzt belastet auch noch Corona den Haushalt mit sechs Milliarden Euro Neuverschuldung zusätzlich. "Das Hauptproblem wird sicher sein: Stehen zukünftig noch ausreichend Mittel für die Schulbauoffensive zur Verfügung?" Da müsse sich Berlin ehrlich machen, fordert Grunst.

Haushaltsplanung unter neuem Druck

Schulbaukoordinator Nünthel zufolge hat das Land bereits für zwei Milliarden Euro gebaut und saniert. Er kann die Sorge der Bezirke nachvollziehen, dass das Geld für die Schulbauoffensive knapp wird - zu knapp für alle angedachten Projekte und Maßnahmen. Zwar betont die Landespolitik bislang, dass am Neubau von Schulen nicht gespart werden soll. Eine solch klare Aussage in Bezug auf die Sanierungsprojekte gibt es bislang nicht.

Letztlich komme es darauf an, was wirklich im Haushalt eingepreist wird, so Nünthel: "Demnächst reden wir über den Doppelhaushalt 2022/23. Projekte, die da drinstehen, sind abgesichert. Alles darüber hinaus sind Willensbekundungen." Er verweist darauf, dass nächstes Jahr die Wahlen zum Abgeordnetenhaus stattfinden - was einen Einfluss auf die Schulbauoffensive haben könnte.

In den Bezirken mehrt das die Sorge, dass die Schulbauoffensive letztlich doch nicht so ein großer Wurf wird wie erhofft. Dass die Sanierungs- und Platzprobleme nicht vollständig, sondern nur auf Kante gelöst werden könnten. Ob letztlich viele Baustellen offen bleiben - das werden maßgeblich die Haushaltsnöte und -entscheidungen der nächsten Jahre zeigen.

Beitrag von Anna Corves

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