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Quelle: dpa/Alexandr Kryazhev

Kommentar | OVG hebt Beherbergungsverbot auf

Absage an planlosen Aktionismus

Das Beherbergungsverbot für Urlauber aus Corona-Risikogebieten ist in Brandenburg vorerst gerichtlich gestoppt. Zu Recht, kommentiert Lisa Steger. Denn der Fall verweist auf ein grundsätzliches Defizit bei der Corona-Bekämpfung, auch in anderen Bundesländern.

Wer in den vergangenen Wochen oder Monaten in einem Hotel übernachtet hat, in Brandenburg oder anderswo in Deutschland, der weiß: Hygiene steht über allem. Mit einer Maske bringt die Kellnerin das Frühstück an den Tisch. Und der steht zwei Meter vom nächsten Tisch entfernt. Buffets gibt es nicht mehr. Die Rezeptionistin nimmt die Kontaktdaten auf. Und das Beste: Alle halten sich daran, ohne zu murren.

Es war also von Anfang an abwegig, nun ausgerechnet dieser Branche Steine in den Weg zu legen. Vor allem: Wieso sollte es unbedenklich sein, wenn zehn Menschen in einem Hotelrestaurant essen, hingegen gefährlich, wenn sie anschließend allein oder zu zweit im Hotelbett übernachten?

Offensichtlich untaugliche Vorschriften

Sicher: Mit einem negativen Corona-Test hätten Urlauber aus Risikogebieten durchaus übernachten dürfen. Doch ein solcher Test ist vielerorts kaum mehr zeitnah zu erhalten. Somit lief das Beherbergungsverbot de facto auf ein innerdeutsches Reiseverbot hinaus - zumindest, was die Bewohner der immer zahlreicheren Corona-Hotspots anbelangt.

Es war also völlig richtig, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das Verbot in Brandenburg vorläufig gekippt hat. Denn das Erlassen offensichtlich untauglicher Vorschriften untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung in diejenigen Maßnahmen, die nützen: Abstand, Händewaschen, Verzicht auf Großveranstaltungen und Partys mit vielen Gästen.

Hintergrund

Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg

Brandenburger Beherbergungsverbot vorläufig gestoppt

Die Ausnahme wird zur Regel

Darüber hinaus wirft der Fall allerdings ein Schlaglicht auf ein generelles Problem. Seit dem Frühjahr erlassen Länder in Sachen Corona immer neue Rechtsverordnungen, die tief in die Grundrechte eingreifen: etwa in die Unverletzlichkeit der Wohnung, in die Freizügigkeit der Bürger und in die Freiheit der Berufsausübung. Die Rechtsverordnungen wirken wie Gesetze. Doch sind sie, anders als diese, ohne Mitsprache des Parlaments entstanden.

Im Frühling erschien das noch einigermaßen vertretbar. Denn das Virus war neu und über seine Gefährlichkeit war zu wenig bekannt. Inzwischen ist aber Zeit vergangen. Es war absehbar, dass die Zahl der Infizierten im Herbst wieder steigen würde. Doch die Landesregierungen ließen die Zeit ungenutzt verstreichen. Nach wie vor wird Deutschland, was Corona anbelangt, auf dem Verordnungsweg regiert. Das Grundgesetz sieht das in Artikel 80 aber nur als Ausnahme vor. Inzwischen schickt sich der Ausnahmefall an, die Regel zu werden.

Hochproblematische Entwicklung

Getrieben von Umfragen, die eine wachsende Corona-Angst der Menschen belegen, verlockt von der Aussicht aufs Durchregieren, haben sich Landesregierungen zuhauf verleiten lassen, Verbote zu erlassen, die offensichtlich rechtswidrig sind und die eine Pseudo-Sicherheit vorgaukeln.

Für den Rechtsstaat ist das eine hochproblematische Entwicklung. Ihr muss entgegengetreten werden. Die Richter – in Baden-Württemberg, in Niedersachsen und jetzt auch im Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg - haben das getan. Dafür ist ihnen zu danken.

 

Beitrag von Lisa Steger

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