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Quelle: dpa/Daniel Bockwoldt

Interview | Strategie für Pandemie

So läuft es mit dem Corona-Stufenplan an Berliner Schulen

Der Corona-Stufenplan soll die Berliner Schulen durch die Krise steuern. Doch er ist umstritten: Während die einen mehr Einheitlichkeit fordern, fühlen sich andere gegängelt. rbb-Schulexpertin Kirsten Buchmann erläutert im Interview die Probleme.

rbb|24: Seit Ende der Herbstferien gilt ja nun der Corona-Stufenplan des Senats für die Berliner Schulen. Gibt es jemanden, der einen wirklichen Überblick über das Infektionsgeschehen und den Stand der Dinge an allen Berliner Schulen hat?

Kirsten Buchmann: Den Überblick hat die Bildungsverwaltung. Sie lässt sich berichten, welche Schulen sich in welcher Stufe des Corona-Stufenplans befinden. Eingestuft wird das ja von den bezirklichen Gesundheitsämtern in Absprache mit der bezirklichen Schulaufsicht. Sie teilen die einzelnen Schulen in die Stufen ein und die Bildungsverwaltung erhält die Rückmeldung. Sie hat am vergangenen Donnerstagabend auch eine Liste veröffentlicht die zeigte, wie die Schulen berlinweit dastehen.

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Zu diesem Zeitpunkt waren die Berliner Schulen größtenteils auf der Stufe "gelb" mit den entsprechenden zu der Stufe gehörenden Hygienemaßnahmen (Masken für die Oberstufenschüler, Maskenpflicht auch im Lehrerzimmer). Ein anderer Teil der Schulen stand auf "orange". Da gehen die Hygienebestimmungen etwas weiter. Beispielsweise müssen auch unter Überdachungen im Freien Masken getragen werden. Zu diesem Zeitpunkt standen zwei Schulen auf der Stufe "rot". Das waren zwei Oberstufenzentren. Da sollten die Klassen geteilt und teils in der Schule und teils zuhause unterrichten. An diesem Donnerstag ist wieder der Tag, an dem die bezirklichen Gesundheitsämter nach Rücksprache mit der Schulaufsicht entscheiden und die Schulen auf Basis der aktuellen Daten neu einteilen.

An diesem Stufenplan gibt es durchaus Kritik. Aber eigentlich ist es doch ganz gut, dass für jede Schule einzeln festgelegt wird, wo sie steht?

Der Gedanke, der dahintersteckt, ist ja, dass die Situation nicht berlinweit entschieden wird, sondern, dass man schaut, wie die Situation vor Ort wirklich ist. Da geht es – neben den Infektionszahlen - auch um die baulichen Gegebenheiten der jeweiligen Schule. Also um Fragen wie die, ob überhaupt gelüftet werden kann.

Manche Kritiker rufen in der Sache zu mehr Einheitlichkeit auf. Welche Vor- und Nachteile hätte ein einheitliches Vorgehen für alle Schulen?

Der Nachteil, wenn man schnell alle Schulen auf "rot" stellen würde - dann stände man ja in etwa da, wo man im ersten Shutdown war - ist ja bekannt: Dann gäbe es auch wieder Kinder, die zuhause keine digitalen Geräte haben, um den Unterricht mitverfolgen und ihre Aufgaben so abgeben zu können. Und dass man Kinder hat, die keinen ruhigen Arbeitsplatz zuhause haben.

Aber es gibt von den Befürwortern von mehr Einheitlichkeit die Argumentation, dass man dadurch einen besseren Gesundheitsschutz ermöglichen könnte. Die Gewerkschaft der Lehrer und Erzieher, GEW, kritisiert, dass die Gesundheitsämter aus ihrer Sicht unterschiedlich vorgehen. In Reinickendorf beispielsweise wurden in der vergangenen Woche alle Schulen auf "orange" gestellt – also die zweitstrikteste Stufe, was die Hygieneauflagen in Schulen angeht. Während auf der anderen Seite in Neukölln, wo es ein hohes Infektionsgeschehen im Bezirk gibt, die Schulen größtenteils noch auf "gelb" waren. Da gibt es Unverständnis und daher die Idee der berlinweiten Vereinheitlichung.

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Neben dem Ruf nach mehr Vereinheitlichung gibt es auch den nach mehr Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Schulen.

Das ist sozusagen die andere Lesart. Manche Eltern meinen, dass sie, ihre Kinder und auch die Lehrer dadurch besser geschützt werden könnten. Dahinter steht unter anderem der Gedanke, dass einige Schulen schon recht weit sind, was die digitale Ausstattung angeht. Und dass sich Schulen mit mehr Eigenverantwortlichkeit, wenn Infektionen auftreten, schneller dafür entscheiden könnten, dass sie Hybridunterricht machen. Ein Beispiel: wenn es Infektionen in einer Klasse gibt, schaut das Gesundheitsamt, welche Schüler in der Nähe der infizierten Person saßen und somit zu den engeren Kontaktpersonen gehören, die dann in Quarantäne müssen. Das reicht manchen Eltern nicht, weil ja alle Schüler ohne Maske in einem Raum waren im Unterricht. Sie fänden es dann besser, wenn kleineren Gruppen teils in der Schule und teils zuhause unterrichtet würden. Der Meinung dieser Eltern nach wäre der Schulleiter dann derjenige, der entscheiden kann, ob die digitale Ausstattung der Schule dafür ausreicht.

Hier wäre der Nachteil aus Sicht der Bildungsverwaltung, dass Schulleiter eben keine Mediziner sind. Sie haben demnach anders als die Gesundheitsämter auch nicht die medizinische Expertise die Gefährlichkeit der Situation anhand der Corona-Zahlen einschätzen zu können.

Den Schulen wird im Moment viel abverlangt. Sie sollen teils ja auch Kontaktpersonen von Erkrankten herauszufinden und informieren. Ist das überhaupt machbar?

Die Bildungsverwaltung sagt, dass die Schulen ja Sitzpläne der Schüler haben. Sie wissen also, wer wo gesessen hat und wer sich in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten hat, und demnach in Quarantäne muss. Sie sind sowieso die Quelle. Zudem haben sie auch die Telefonnummern und Mailadressen, über die sie die Kinder und deren Familien erreichen. So können die Schulen bei einem höheren Infektionsgeschehen schlicht die Gesundheitsämter entlasten. Die andere Argumentation ist natürlich, dass die Schulleiter ohnehin viel zu tun haben - schon allein durch die Hygieneauflagen, die beachtet werden müssen. Da ist die Sorge, dass sie nicht auch noch die Kontaktverfolgung schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

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