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Audio: Antenne Brandenburg | 02.09.2019 | Torsten Sydow | Quelle: rbb

Wahlanalyse

Warum Woidke ein schwieriger Koalitionsaufbau bevorsteht

Wenn Dietmar Woidke in Brandenburg weiter regieren will, muss er eine Dreierkoalition bilden. Die Voraussetzungen sind alles andere als günstig: CDU und Linke wurden abgestraft, die Grünen müssen Ambition und Realität zusammenbringen. Von Michael Schon

Ein historisch schlechtes Ergebnis, die Wahl aber trotzdem gewonnen: SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke war die Erleichterung schon bei der Prognose um 18 Uhr deutlich anzusehen. 26,2 Prozent sind für die SPD in Brandenburg eigentlich ein desaströser Wert. Die Partei regiert hier seit der Wende ununterbrochen, stand bislang unangefochten an der Spitze. Zu einer historischen Zahl passt ein historischer Vergleich: Selbst im Jahr 2004 schaffte die SPD noch fast 32 Prozent. Damals hatte die rot-grüne Koalition im Bund gerade die Hartz-IV-Gesetze beschlossen. Im Wahlkampf waren Eier auf den Spitzenkandidaten Matthias Platzeck geflogen.

SPD punktet mit Anti-AfD-Wahlkampf

Nun also die Herausforderung AfD. Woidke hat sie mit einer Strategie beantwortet, die bis zuletzt auch manche seiner Genossen für hoch riskant befunden haben: maximale Konfrontation.

"Die oder wir": "Die", das war die AfD, die Woidke im Wahlkampf permanent als Hauptgegner bezeichnet und dabei stets als undemokratisch gebrandmarkt hat. Das "Wir", die SPD, war als Partei für die Wähler eigentlich ein Fall für die Abwahl - aber mit einem bewährten Spitzenmann, der als bürgernah und kompetent gilt, ging das Kalkül auf. Auch wenn Kritiker wohl zu Recht bemängeln, dass diese Strategie die AfD noch stärker gemacht hat als sie es ohnehin gewesen wäre.

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Woidke bleibt nur die Dreierkoalition

Woidke konnte den Wahlabend also relativ entspannt Revue passieren lassen. Er wird als Wahlsieger Ministerpräsident bleiben. Danach sah es in den Umfragen der letzten Wochen nicht immer aus. Er hat die AfD auf Platz zwei verwiesen und damit ein Kopf-an-Kopf-Rennen für sich entschieden. Und er hat bewiesen, dass die SPD in Brandenburg nach wie vor Wahlen gewinnen kann.

Die Sozialdemokraten müssen nun allerdings in eine Dreierkoalition, wenn sie weiter regieren wollen. Zur Wahl stehen dabei Partner, die am Wahlabend Federn gelassen haben. Entweder weil sie noch mehr verloren haben als die SPD - oder weil sie weniger stark gewonnen haben als erwartet. Das kann die zukünftigen Juniorpartner demütig machen - oder kompliziert, weil sie nun möglicherweise interne Kämpfe um den richtigen Kurs ausfechten müssen.

CDU: Ergebnis schlecht, Spitzenkandidat beschädigt

Zum einen ist da die CDU: Abgestürzt auf 15,6 Prozent. Sie wurde bestraft für den Kurs ihres Spitzenkandidaten Ingo Senftleben, der seine Partei und die Wähler verunsichert hatte, nicht zuletzt mit der Ankündigung, notfalls auch mit der Linken in eine Koalition zu gehen.

Senftleben stand in der Flüchtlingskrise fest an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Seine Landes-CDU führte er sehr weit nach links und öffnete sie für eine Koalition mit den Grünen. Sein Versuch, die Landesliste gleichberechtigt mit Frauen und Männern zu besetzen, scheiterte jedoch bereits beim jüngsten Parteitag. Bis dahin galt er als Versöhner, der einen notorisch zerstrittenen Landesverband geeint hatte. Spätestens jetzt dürften die alten Gräben wieder aufbrechen.

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Die Linke: Nach fünf Jahren rot-rot am Boden

Zum anderen ist da die Linke. Für sie endet die Wahl in einem Desaster. 10,7 Prozent bedeutet Platz vier, noch knapp hinter den Grünen. Für den Absturz dürfte es ein ganzes Bündel an Ursachen geben: Linke-Wähler, die ihr Kreuz bei der SPD gemacht haben, um die AfD zu verhindern, oder das Spitzenduo Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter, das im Land praktisch unbekannt war, oder die nun zehnjährige Regierungszeit, in der die Linke zwar zuverlässig zu ihrem Koalitionspartner SPD stand, dafür aber selten glänzen konnte und ihr Image als Protestpartei ablegen musste. Eine Erfahrung, die möglicherweise nicht für einen Wiedereintritt in die Landesregierung motiviert.

Die Grünen: Auf dem harten Boden der Tatsachen

Auch Bündnis 90/Die Grünen dürften sich nach einem Höhenflug in den Umfragen mehr vom Wahlausgang versprochen haben. 10,8 Prozent sind für sie zwar ein Rekordergebnis. Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher musste sich im Wahlkampf aber bereits mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich auch das Amt der Ministerpräsidentin zutraue. Eine Regierungsbildung ohne die Grünen ist nach Lage der Dinge nahezu ausgeschlossen. Aber auch sie müssen erkennen, dass ihre Themen nicht in ganz Brandenburg verfangen. Zwar ist der Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltige Landwirtschaft auch vielen Wählern in Brandenburg wichtig. Allerdings gilt das vor allem für die Gegenden, die weit von der Lausitz entfernt sind – dem Kohlerevier in Brandenburgs Südosten. Dort überwiegt die Sorge vor einem überhasteten Kohleausstieg.

Freie Wähler im Aufwind, FDP bleibt draußen

Ein überraschender Gewinner der Wahl sind die Brandenburger vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler (kurz BVB/Freie Wähler). Sie erreichen exakt fünf Prozent und ziehen damit in Fraktionsstärke in den Landtag ein. Ein Erfolg, den Spitzenkandidat Péter Vida fast im Alleingang zäh errungen hat. Vida bietet sich als Anwalt von Bürgerinteressen an. Er hat im vergangenen Jahr per Volksinitiative die Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Brandenburg entscheidend angestoßen. Theoretisch ist sogar eine Regierungsbeteiligung möglich: Zusammen mit SPD und CDU hätten sie eine Mehrheit. Allerdings setzt Vida nach bisherigen Aussagen eher auf ein System mit wechselnden Mehrheiten.

Die FDP spielt in Brandenburg weiterhin keine Rolle. Die Tatsache, dass Generalsekretärin Linda Teuteberg von 2009 bis 2014 für die Liberalen im brandenburgischen Landtag saß, konnte das Blatt für die Partei nicht wenden. Sie scheitert erneut an der Fünf-Prozent-Hürde. Wenn auch deutlich knapper als vor fünf Jahren.

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