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Video: Abendschau | 04.09.2017 | Boris Hermel | Quelle: dpa

Tegel-Serie | Kapazität des BER

Wachsende Stadt braucht wachsenden Flughafen

Manchmal kommt es eben doch auf die Größe an. Dann nämlich, wenn sich Tegel-Liebhaber und BER-Verteidiger über die Kapazität eines Flughafens streiten, der noch nicht einmal fertig gebaut ist. Was der BER nicht schafft, muss Tegel leisten – oder? Von Tina Friedrich

Es ist das Hauptargument all jener, die den Flughafen Tegel dauerhaft weiterbetreiben möchten: Der BER schafft das alleine doch sowieso nicht. Er sei viel zu klein, schon zu klein geplant, und Tegel müsse offen bleiben, um alle Passagiere abzufertigen.

Jene, die Tegel schließen möchten, sind ebenso überzeugt davon, dass der BER mit all seinen geplanten Erweiterungen das Passagieraufkommen Berlins auch in 20 Jahren noch locker bewältigen kann. Sie sagen außerdem: Zwei Flughäfen parallel zu betreiben sei unwirtschaftlich.

Ryanair will drei Flughäfen

Für eine Airline gibt es gar keinen Diskussionsbedarf: Ryanair, Europas größte und aggressivste Billigfluglinie, will in Berlin seine Passagierzahlen verdoppeln. Deshalb unterstützt sie - mit ähnlicher Verve - den Volksentscheid für die Offenhaltung Tegels. "In drei Jahren braucht Berlin Flug-Kapazitäten für 40 Millionen Passagiere - ohne Tegel wird dann eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage entstehen", sagte Marketingchef Kenny Jacobs bereits mehrfach.

Der Ire blickt dann gerne nach London, eine Stadt mit der sich auch Berlin gerne vergleicht, und sieht dort fünf Airports, von denen Ryanair drei anfliegt. Auch Berlin bräuchte eigentlich drei Flughäfen, ist er überzeugt, am besten einen kleinen, günstigen, so wie Ryanair es gerne hat. Nach Ansicht Jacobs ist eine Metropole mit zwei Flughäfen immer noch unterversorgt.

Auch die Berliner Tegel-Befürworter ziehen gerne den internationalen Vergleich: Welche Metropole habe schon weniger als zwei Flughäfen? In Paris sind es drei, in Rom zwei, und weder dort noch in London gibt es wirtschaftliche Probleme – etwa, weil sich die Flughäfen gegenseitig Konkurrenz machen und Passagiere wegschnappen.

Diskussion

19. September 2017 | 19:00 Uhr

Eine Zukunft für Tegel

TXL schließen nach dem BER-Start oder unbefristet weiter betreiben? Der Tagesspiegel lädt in Kooperation mit dem rbb in die Urania. Gäste: der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), Ramona Pop, Senatorin für Wirtschaft (Bündnis90/Die Grünen), Professor Helge Sodan, Ex-Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, der FDP-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, sowie Matthias Brauner, Vorsitzender der CDU-Siemensstadt. Das rbb Fernsehen zeigt die Debatte am 20.09. von 22:15 bis 23:00 Uhr.

Konkurrenz im eigenen Haus

Der Vergleich hinkt, sagt dagegen die Lufthansa, Deutschlands größte Fluglinie mit Hubs in Frankfurt und München. Wachstum in Berlin funktioniere am besten über einen einzigen Standort, argumentiert Thomas Kropp, der Konzernbevollmächtigte der Lufthansa. Dieser Standort müsse der BER sein. "Zwei Flughäfen könnten eine Belastung sein, so wie zum Beispiel in Mailand“, sagt er. Mailand verfügt über zwei Flughäfen, die gemeinsam etwa 30 Millionen Passagiere abfertigen. Ein Drittel davon benutzt den innerstädtischen, kleineren Flughafen Linate, der mit 10 Millionen Passagieren an der Kapazitätsgrenze arbeitet. Während vor den Toren der Stadt, in 50 Kilometern Entfernung, der neue, große Malpensa mit 19 Millionen Passagieren unterausgelastet ist. „Das hat zu einem großen Problem für die italienische Luftverkehrswirtschaft geführt", sagt Kropp.

Die Lage in Mailand ähnelt auf den ersten Blick jener in Berlin. Aus Sicht des früheren Flughafenchefs Hans-Hennig Romberg lassen sich die beiden Städte aber nicht vergleichen. In Berlin sei alles anders, sagt er, denn die Passagierzahlen würden hier nicht stagnieren, sondern im Gegenteil weiter steigen. "Tegel gräbt dem neuen Flughafen nichts ab. Es ist genau anders herum: Wenn wir diese Nachfrage erwarten, kommen wir mit nur einem BER nicht aus."

Freiwillige Standortwahl für die Fluglinien

Zudem kann niemand den Fluglinien vorschreiben, von welchem Flughafen sie in Berlin fliegen möchten. "Ich glaube nicht, dass man diskriminierungsfrei Airlines von Tegel nach Schönefeld übersiedeln kann", schätzt der Chef des Flughafens Köln/Bonn, Michael Garvens. Die Wahl des Flughafens steht ihnen frei – und richtet sich unter anderem nach den Gebühren, die für Starts und Landungen erhoben werden, oder auch nach der Erreichbarkeit aus der Stadt.

In beiden Fällen dürfte Tegel attraktiver sein. Die Start- und Landegebühren werden von der Flughafengesellschaft in einer Gebührenordnung festgelegt, die der Aufsichtsrat absegnen muss. Ihre Höhe richtet sich nach vielen Kriterien, unter anderem auch nach der Lautstärke der Maschinen oder ihrem Gewicht. Zu laute oder zu schwere Flugzeuge können auch mit Strafzahlungen belegt werden.

Spitzenstunde des BER

Im Streit um die Kapazität des BER berufen sich CDU und AfD regelmäßig auf ein Gutachten des Unternehmens frontier economics, das die Leistungsfähigkeit des Flughafens nicht mittels der Passagierzahlen, sondern mittels der so genannten Spitzenstunde bewertet. So nannte Kristin Brinker, die haushaltspolitische Sprecherin der AfD, den BER zu klein, weil er höchstens 62 Flugbewegungen in der am stärksten frequentierten Stunde schafft – diese Zahl stammt aus dem Gutachten.

Die Autoren von frontier economics haben dabei allerdings rechnerische Fehler gemacht. Zum einen legen sie für ihre Rechnung eine falsche Zahl an Gesamtflugbewegungen zugrunde. Darüber hinaus dividieren sie diese Zahl einfach durch die Betriebsstunden pro Jahr. So wird jedoch ein Durchschnittswert berechnet, nicht der Wert für die Spitzenstunde. Im Planfeststellungsbeschluss des BER steht als Wert für die Spitzenstunde 78. Die Flughafengesellschaft teilt dem rbb dazu mit: "Der Eckwert von 78 Flugbewegungen pro Stunde als Spitzenwert im Double Roof Konzept mit zwei Bahnen ist von der FBB gemeinsam mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) ermittelt, simuliert und bestätigt worden." Derzeit werden in Tegel und Schönefeld gemeinsam in der Spitzenstunde 68 Flugbewegungen gezählt.

BER soll 58 Millionen Passagiere abfertigen

Dass der BER alleine nicht ausreichen wird, um die Menge an Fluggästen in Berlin zu stemmen, wissen auch die Betreiber der Flughafengesellschaft. Deshalb präsentierte Flughafen-Chef Engelbert Lütke Daldrup Ende August konkrete Ausbaupläne für den BER. Zusätzlich zu dem ohnehin schon geplanten Erweiterungsterminal T1-E, das bis 2021 fertig sein soll, soll der Nordpier verlängert werden. Dort sollen Billigfluglinien wie Ryanair andocken. Bis dahin könnten auch Gebäude kurzfristig für den Flugbetrieb genutzt werden, die dafür eigentlich nicht vorgesehen sind, zum Beispiel Parkhäuser.

Über eine weitere Halle aus Fertigteilen sollen bis 2025 nochmals etwa 12 Millionen Menschen abgefertigt werden können. So viele Fluggäste fliegen derzeit vom alten Flughafen Schönefeld. Insgesamt, so der Plan von Lütke Daldrup, soll die Kapazität des BER auf diesem Weg bis 2025 auf 45 Millionen Passagiere wachsen, bis 2040 auf 58 Millionen. In ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 2016 geht die Flughafengesellschaft davon aus, dass 2040 rund 55 Millionen Passagiere von und nach Berlin fliegen wollen. Somit wären nach den Berechnungen der Flughafengesellschaft alle notwenigen Vorkehrungen getroffen.

Mit Informationen von Boris Hermel

Beitrag von Tina Friedrich

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