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Quelle: Imago/Rainer Weisflog

Interview | Corona-Hotspot Spremberg

"Unverständlich, dass es bei einigen immer noch keine Solidarität gibt"

In Spremberg klettert die Sieben-Tage-Inzidenz am Dienstag über den Wert von 800. Einen Tag später liegt sie noch immer über 700. Über mögliche Gründe dafür und die Stimmung und Lage in ihrer Stadt spricht Bürgermeisterin Christine Herntier im Interview.

In der Stadt Spremberg (Spree-Neiße) hat die Sieben-Tage-Inzidenz am Dienstag den Wert von 800 übersprungen - und gehört damit bundesweit zu den Orten mit den den höchsten Zahlen an Neuinfektionen. Im Interview spricht die Bürgermeisterin der Stadt, Christine Herntier, über mögliche Gründe für die hohen Infektionszahlen.

rbb|24: Frau Herntier, in Spremberg lag die Sieben-Tage-Inzidenz in dieser Woche bereits einmal bei über 800. Was glauben Sie ist die Ursache für die hohen Infektionszahlen in Ihrer Stadt?

Christine Herntier: Nicht nur die Inzidenzzahlen sind hoch, sondern auch die absoluten Zahlen. Uns macht große Sorge, dass die Zahl der Infizierten weiter stark ansteigt in Spremberg. Ursachen dafür kann ich nur vermuten.

Spremberg liegt an der Schnittstelle zu den Landkreisen Bautzen und Görlitz (Sachsen). Wir haben auch enge Verbindungen in den Landkreis Oberspreewald-Lausitz [Anmerk: die alle enorm hohe Werte haben]. Wir haben den Industriepark Schwarze Pumpe in der Mitte, wo sehr viele Menschen täglich ein- und auspendeln. Das kann ein Grund dafür sein.

Ein weiterer Grund kann sein, dass wir viele ältere Menschen haben und auch viele Pflegeheime. Es ist ja bekannt, dass das Virus gerade unter den Älteren grassiert. Und der Ausbruch an unserem Erwin-Strittmatter-Gymnasium, wo Schüler und Lehrer auch stark ein- und auspendeln, das kann ebenfalls ein Grund sein. Da kann ich mich nicht festlegen. Ich und die Mitarbeiter meines Krisenstabes vermuten das jedenfalls.

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Führt das dazu, dass Sie die Regeln, die von Land und Landkreis bereits ausgesprochen wurden, für Spremberg noch einmal verschärfen?

Spremberg hat, nachdem konkrete Regelungen durch das Land und den Landkreis festgelegt wurden, sehr schnell reagiert. Das hat mir persönlich auch Ärger eingebracht, weil ich schon zum Ersten Advent den verkaufsoffenen Sonntag abgesagt habe. Es wird ja nicht nur positiv gesehen, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Bewohner der Pflegeheime kommen schon seit Wochen nicht mehr raus aus den Heimen. Daran kann es also nicht wirklich liegen.

Was können wir also tun? Wir versuchen, die Mitarbeiter in den Heimen darin zu unterstützen, dass das Geschehen nicht noch dramatischer wird. Wir führen Kontrollen durch, schreiben viele Anzeigen. Die gehen dann an den Landkreis. Aber ich sehe meine Aufgabe weiterhin darin, den Einwohnerinnen und Einwohnern von Spremberg deutlich zu machen, dass es auch zu ihrem eigenen Schutz wichtig ist, äußerste Vorsicht walten zu lassen.

Ich war gestern auf Tour zu den Pflegeheimen. Das ist sehr bedrückend, was man dort erlebt, selbst, wenn man gar nicht reinkommt. Wenn Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort unter Vollschutz erleben, wie sie durch die Gänge hasten, das ist sehr bedrückend. Man hätte zeitiger einheitlich handeln müssen.

Gestern habe ich gesehen, dass Berlin es nun endlich erkannt hat, dass es nicht so toll ist, die Leute zum Einkaufen nach Polen zu schicken. Wir haben auch oft darum gebten, dass man sich zwischen Brandenburg und Sachsen mehr abstimmt. Es hilft einer Stadt wie Spremberg nicht, wenn in Sachsen das Einkaufen untersagt ist und die Leute dann nach Spremberg strömen.

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Wie nehmen Sie die Stimmung in Ihrer Stadt wahr? Werden Sie angesprochen auf die Situation?

Ich bin ständig im Kontakt mit meinen Bürgern. Die schreiben mir SMS, WhatsApp- oder Messenger-Nachrichten. Ich werde auch auf der Straße angesprochen. Überwiegend gibt es Zustimmung und Verständnis. Es gibt durchaus auch Ängste, aber nach wie vor ist es so, dass ich auch Meinungen höre, das sei alles nicht so schlimm, wäre herbeigeredet und man würde auch gar nicht mehr Nachrichten hören oder Zeitung lesen. Das muss man ja auch nicht machen. Aber wenn man bei seinem Weihnachtsspaziergang mal an den Heimen vorbeikommt, kann man sogar von außen erahnen, was da los ist. Für mich ist es unverständlich, dass es bei einigen immer noch keine Solidarität gibt. Aber das zieht sich durch das ganze Land und auch in Spremberg sind es nur wenige, die eine solche Meinung äußern.

Was hören Sie aus dem Krankenhaus in Spremberg? Wie ist die Lage dort, ähnlich wie in den anderen Krankenhäusern in der Region?

Das Spremberger Krankenhaus hat die Situation sehr gut im Griff. Die Patienten können gut versorgt werden, jedoch ist der Anteil von Patienten, die auch aufgrund von Corona behandelt werden müssen, nach wie vor sehr hoch. Wo es zu verantworten ist, werden diese Patienten sehr schnell wieder entlassen, häufig in die Heime, aber die Plätze sind sehr schnell wieder gefüllt. Wer in das Spremberger Krankenhaus kommt, wird gut versorgt. Ein Pfleger hat mir gesagt, in der Pflege arbeitet man immer so, dass immer noch ein bisschen mehr geht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sendung: Antenne Brandenburg, 23.12.2020, 15:30 Uhr

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