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Video: Brandenburg aktuell | 20.04.2021 | Quelle: CTK

Interview | Cottbuser Mikrobiologin

"Alle Impfstoffe machen im Moment einen guten Job"

Immer neue Mutanten des Coronavirus verunsichern, viel wird über die Wirksamkeit der Impfstoffe diskutiert. Heidrun Peltroche, Chefärztin für Mikrobiologie am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, beruhigt im Interview, fordert aber auch mehr Tempo beim Impfen.

rbb|24: Frau Peltroche, viel wird im Moment über Virusmutanten gesprochen. Die britische ist in aller Munde, dann kamen die südafrikanische und die brasilianische, mittlerweile wurde auch eine indische nachgewiesen. Welche Rolle spielen diese Mutationen bei Ihnen in der täglichen Arbeit und in der Forschung?

Heidrun Peltroche: Wir suchen und finden sie. Wir sind in Deutschland und Brandenburg bei der B.1.1.7 (die erstmals in Großbritannien nachgewiesene Variante des Virus - Anm.d.Red.) bei weit mehr als 90 Prozent, den ursprünglichen Wildtyp finden wir eigentlich überhaupt nicht mehr.

Die Mutationen spielen insofern eine Rolle, als sie sich schneller verbreiten Sie sind aber nicht tödllicher, wie wir inzwischen wissen. Aber dass sie ansteckender sind, merken wir ja alle daran, dass wir von der hohen Zahl der Neuinfektionen nicht herunterkommen.

Nun machen sich viele bereits geimpfte Menschen Sorgen, dass ihr Impfschutz angesichts der Mutanten nicht ausreicht und wirkungslos wird. Berechtigt?

Was den Impfschutz betrifft, wird ständig überprüft, was wirkt. Wir wissen, dass die B.1.1.7 sehr gut durch die derzeitigen Impfstoffe abgedeckt ist. Wir wissen aber, dass es Schlüsselmutationen gibt an bestimmten Stellen der Rezeptorbindungsdomäne. Wenn dort eine Mutation ist, kann es schwierig werden mit den Impfstoffen. So ist es bei der südafrikanischen und der indischen Mutation des Virus. Deshalb bleibt abzuwarten, was uns die Impfstoffhersteller als Booster-Impfung (eine Auffrischungsimpfung mit einem veränderten Impfstoff, der wirksam gegen die Mutation immunisiert - Anm.d.Red.) anbieten. Die indische Mutation hat sehr viele Stellen, die verändert sind, und ausgetauschte Aminosäuren. Impfstoffe werden deshalb in der Wirkung reduziert. Aber wir haben ja auch eine Immunantwort nicht nur über Antikörper sondern über Memory-Zellen, die sich erinnern. Da kann es gut sein, dass die Impfstoffe auch die indische Variante mit abdecken. Das bedeutet, dasss wir wahrscheinlich nach einer Impfung nicht an der indischen Variante versterben oder ins Krankenhaus kommen, sondern nur leicht erkranken.

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Es gibt weiter die Diskussion um Astrazeneca, viele Ältere verweigern die Impfung damit. Ist das für Sie aus medizinischer Sicht nachvollziehbar?

Bei Impfstoffen muss man betrachten, was man an Wirkung erwartet. Da ist das erste Ziel, eine Pandemie zu stoppen. Der Individualschutz steht nicht an erster Stelle, auch wenn das für den einzelnen möglicherweise enttäuschend klingt. Da machen alle Impfstoffe im Moment einen guten Job, auch Astrazeneca. Dieser Impfstoff verhindert auch, dass uns sie Pandemie weiter in Atem hält. Für den einzelnen mag die Schutzwirkung nicht so hoch sein, wie bei anderen Impfstoffen. Aber auch Astrazeneca verhindert zu einem sehr hohen Prozentsatz, dass man an Covid-19 verstirbt oder auf eine Intensivstation kommt.

Machen Sie sich Sorgen über immer neue Mutanten ?

Je mehr Virus in der Welt ist, desto mehr wird es sich verändern können. Das nutzt einfach die Gelegenheiten, die es hat. Also müssen wir seine Weiterverbreitung stoppen. Tatsächlich mache ich mir im Moment wenig Sorgen um Mutationen. Ich bin positiv gestimmt und hoffe, dass nicht mehr so viele neue kommen. Man darf auch nicht vergessen, dass wir Impfstoffe haben, die man schnell verändern kann. Damit meine ich die mRNA-Impfstoffe (dazu gehören die von Biontech und Moderna - Anm. d. Red.).

Kann es denn sein, dass bei denjenigen, die im Januar/Februar ihre Spritze bekommen haben, eine neue Impfung nötig wird?

Ich denke nicht, dass der Impfstoff nicht mehr wirkt. Er hat erreicht, dass wir ein Erinnerungszellsortiment haben. Unsere Erinnerungszellen im Immunsystem sind zumindest schon daran gewöhnt, dass es dieses Virus gibt. Es wird aber nötig sein, die Impfung aufzufrischen. In welchem Abstand, wissen wir noch nicht.

Mit den Impfungen geht es in Deutschland nur langsam voran, wie bewerten Sie das?

Ich finde nicht, dass wir so langsam sind. Natürlich sind andere schneller, aber man muss Folgendes bedenken: 16 Länder in der Welt haben sich 70 Prozent des Impfstoffes in diesem Jahr gesichert und wir sind dabei. Bei uns ist schon jeder Fünfte geimpft, das ist nicht so schlecht. Wir sollten uns jetzt nur ein wenig beeilen, es ist ein Rennen zwischen Virus und Impfschutz. Um auf 70 Prozent Impfschutz zu kommen, müssen noch 50 Prozent der Bevölkerung geimpft werden. Es wäre also schön, wenn wir ein Prozent am Tag schaffen würden. Momentan schaffen wir nur 0,5 Prozent pro Tag, es würde also noch 100 Tage dauern. Es wäre also schön, wenn wir uns steigern könnten. Dann hätten wir in zwei bis drei Monaten den Großteil geimpft und damit die so geannte Herdenimmunität.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Sebastian Schiller.

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