rbb24
  1. rbb|24
Audio: Antenne Brandenburg | 10.05.2021 | Jasmin Schomber | Quelle: dpa Themendienst

Interview | Im Lockdown aufs Land

Brandenburger Rückkehrer-Initiativen sehen "Trendwende"

Die Pandemie zeigt: Arbeiten geht in vielen Bereichen auch im Home-Office. Und wer vom Arbeitsplatz unabhängig ist, wird flexibler bei der Wohnortsuche. Warum also nicht wieder zurück in die Heimat ziehen? Brandenburger Rückkehrer-Initiativen beobachten einen Trend.

Die Corona-Pandemie und vor allem das Home-Office treiben einige Menschen von der Stadt aufs Land. Das beobachtet das Netzwerk "Ankommen in Brandenburg". In diesem sind alle Rückkehrer-Initiativen des Landes verbunden, die sich vermehrt nicht mehr nur um Rückkehrer, sondern auch um Zuzügler kümmern.

Trotz vieler Arbeitsplätze beispielsweise in Dresden, Berlin oder Leipzig nutzen immer mehr Leute die Chance, auf das Land zu ziehen und dann zu Hause zu arbeiten, sagt Sandra Spletzer, die Leiterin des Netzwerks "Ankommen in Brandenburg".

ZUR PERSON

Sandra Spletzer ist im Elbe-Elster-Kreis aufgewachsen, dann 14 Jahre an verschiedenen Orten im In- und Ausland gewesen und schließlich nach Elbe-Elster zurückgekommen, weil sie sich hier heimisch fühlt.

rbb|24: Frau Speltzer, wann hat es denn die letzten Anfragen gegeben, weil jemand nach Brandenburg zurückkommen wollte?

Sandra Spletzer: Die Anfragen sind eigentlich ein stetiger Strom. Kein Strom im Sinne von einem reißenden Fluss, aber doch ein kleines, kontinuierliches Bächlein. Das sind ganz unterschiedliche Anfragen und wir sehen jetzt eine Trendwende.

Wie sieht die aus?

Die Netzwerkpartner berichten, auch speziell für die Lausitz, dass Immobilien verstärkt in den Fokus rücken. Vorher sagte der klassische Rückkehrwillige: Okay, ein soziales Netzwerk vor Ort ist noch rudimentär vorhanden, Familie ist da und eine Immobilie klärt sich meistens auch. Da war die zentrale Frage wirklich die des Arbeitsplatzes. Jetzt haben wir den Trend, dass die Leute verstärkt Immobilien suchen, weil der Firmensitz zunehmend vom Arbeitsort entkoppelt ist. Wir sehen jetzt nicht mehr Jobwechsler, sondern Ortswechsler. Fachkräftemangel ist flächig, auch in Hamburg oder München ist jeder froh, wenn er einen eingearbeiteten, gut geschulten Arbeitnehmer behalten kann. Da wird auch vieles möglich gemacht.

Wann haben Sie mitgekiregt, dass sich etwas durch Pandemie und Home-Office verändert?

Mit dem ersten Lockdown haben wir die ersten Anfragen bekommen, bei denen man das ein bisschen ausmachen konnte. Ich glaube, dass die Leute erstmal die Pause auch primär genutzt haben, um Planungen voranzutreiben, die eigentlich schon lange im Hinterkopf waren. Und ich glaube, zum zweiten Lockdown haben die Leute eher generell die Entscheidung überdacht, in der Stadt zu wohnen. Da kommen dann Home-Office, Remote-Work, zunehmende Digitalarbeit und so weiter zusammen.

mehr zum thema

Rückkehrertag in Cottbus

"Heimat ist Heimat, da, wo man aufgewachsen ist"

 

Haben Sie ein konkretes Beispiel für die Entwicklung?

In Guben (Spree-Neiße) war noch vor drei, vier Jahren so, dass gebrauchte Immobilien frei erhältlich waren. Sie sind auch überwiegend an Einheimische oder Rückkehrer gegangen. Aktuell ist es so, dass der Netzwerkpartner "Guben tut gut" berichtet hat, dass die Immobilien sehr gerne auch von Berlinern aufgekauft werden. Das machen wir ein Stück weit auch an diesen Remote-Work-Modellen fest. Einige sagen auch, dass sie ihren Arbeitsplatz mitbringen. Es ist natürlich auch ein Teil, der sagt, dass er wegen der verhältnismäßig günstigen Immobilie kommt.

Was bedeutet der Trend hin zur Immobilliensuche für Ihre Arbeit? Sie sind ja keine Makler.

Wir geben einfach kleine Tipps. Ganz wichtig sind Buschfunk, Facebook-Gruppen und ganz klassisch auch die Schwarzen Bretter am Supermarkt. Wir haben vor Ort einfach ein gutes Netzwerk und wissen, mit wem man zusammenarbeiten kann und auch, wo was geht: 'Da steht jetzt eine Scheidung an, das Haus kommt auf den Markt, frag doch mal nach.' Das ist jetzt vielleicht ein etwas makaberes Beispiel, aber so ist es ja praktisch nun einmal.

Es geht also um ganz konkrete Hilfe?

Oft haben wir festgestellt: Sie wenden sich an uns, weil sie einen Job, eine Immobilie oder Kinderbetreuung brauchen. Aber man bemerkt nach und nach beim Häuten der Zwiebel ein anderes Motiv. Es geht darum, ein bisschen Mut zugesprochen zu bekommen. Manchmal fehlt noch der letzte Schub, die Perspektive auf Augenhöhe, also jemand, der selbst zurückgekehrt oder zugezogen ist und sagen kann, wie es geklappt hat. Es sind halt viele Leute in den Zeiten weggezogen, als es nicht so rosig lief. Sie haben oft noch dieses Bild von der Region, kommen nur an den Feiertagen nach Hause. Da hat man einfach andere Themen in der Familie zu besprechen als Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt - weil die unmittelbaren Familienmitglieder oft entweder am Ende ihres Arbeitslebens stehen oder schon in Rente sind und einfach nicht mehr so den Kontakt haben zum Aktuellen. Wo wird expandiert? Wo wird investiert? Welche Firma baut aus? Welche Firma baut eine Produktionsstrecke? Welches neue Unternehmen hat sich angesiedelt? Und wer könnte Fachkräftebedarf in Ihrem Bereich haben?

Als die Rückkehrerinitaitiven in Brandenburg vor circa zehn Jahren gestartet waren, war der Anfang durchaus schwer und kleinteilig. Bemerken Sie, dass die Initiativen inzwischen mehr an Bedeutung gewonnen haben?

Wenn man es ein Stück weit an der Anerkennung festmacht, die uns für unsere Arbeit auf regionaler und Landesebene entgegengebracht wird, kann man sagen, dass die Wertschätzung definitiv gewachsen ist. Die Diskussionen 'Ja, die kommen doch sowieso von selber wieder, das braucht doch keine Unterstützung' gehören der Vergangenheit an. Die Frage der Existenzberechtigung oder der eigentlichen Bedeutung hat uns schon ganz lange niemand mehr gestellt.

Woran liegt das?

Ich glaube, weil die belebende Wirkung von Zuzug für die Regionen Brandenburgs allgemein erkannt werden. Und auch an den Sekundäreffekten. Dass jemand zuzieht, bedeutet natürlich erst einmal, dass eine Arbeitskraft kommt. Aber es bedeutet auch, dass jemand neue Ideen in die Region bringt und eine Region sozusagen stolz ist. Einfach weil Menschen sagen, dass sie sich bewusst dafür entschieden haben. Als ich 2011 wiedergekommen bin, da hieß es noch: Was willst du denn hier? Hier ist doch nichts. Da habe ich gesagt: Na ihr wohnt doch auch hier, also muss ja irgendwas gut sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anke Blumenthal für Antenne Brandenburg.

Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung.

Artikel im mobilen Angebot lesen