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Audio: rbb|24/Brandenburg aktuell | 19.12.2021 | Quelle: dpa/Frank Hammerschmidt

Kommentar | Demonstrationen in Cottbus

Corona wurde an diesem Abend zur Nebensache

Zwei Demonstrationen sind am Samstagabend in Cottbus eskaliert. Beide richteten sich laut Anmelder gegen die Corona-Maßnahmen – die spielten dann aber vor Ort kaum noch eine Rolle. Von Sebastian Schiller

Dass es ein spannender Abend in Cottbus wird, war vorherzusehen. Zum mittlerweile dritten Mal hatte der Chef der Cottbuser AfD, Jean-Pascal Hohm, für Samstagabend zum Abendspaziergang gegen die Corona-Beschränkungen aufgerufen, ein weiteres Mal sind tausende Menschen dem Aufruf gefolgt. Zeitgleich fand eine zweite Schwester-Demonstration auf dem Platz vor der Stadthalle statt.

Polizei und Anmelder hatten sich zu dieser Lösung entschieden, weil erstmals Corona-bedingte Einschränkungen galten: Maximal Tausend Leute dürfen pro Veranstaltung anwesend sein, zudem bestand Maskenpflicht. Die Polizei hatte den Ort der Demonstration am Oberkirchplatz deshalb eingezäunt. Der Andrang war aber größer, mehrere hundert Menschen standen außerhalb der Einzäunung. Der Cottbuser AfD-Chef Jean-Pascal Hohm heizte die Stimmung zusätzlich an, denn es stand der mögliche Abbruch der Demonstration im Raum.

Teilnahme gewaltbereiter Rechtsextremisten

Protestzug gegen Corona-Regeln mit Tausenden Teilnehmern in Cottbus aufgelöst

Erst sind es am Samstag in Cottbus zwei Demos, doch die werden von den Leitern aufgelöst. Die Teilnehmer ziehen daraufhin in aufgeheizter Stimmung durch die Stadt. Auch in Berlin wurde ein Protestzug gegen die Corona-Maßnahmen verboten.

Polizei: Viele Teilnehmer aus Hooligan- und Neonaziumfeld

Nach einer kurzen Rede legte er den Demonstranten nahe, noch einen Spaziergang durch Cottbus zu machen. Weit mehr als 1.000 Menschen zogen daraufhin von der Oberkirche durch die Innenstadt, zur zweiten Demonstration vor der Stadthalle. Die Polizei versuchte den Zug mit einer Straßensperre aufzuhalten.

Daraufhin griffen einzelne Demonstranten Beamte an. Die Lage eskalierte nun völlig, mehrere Demonstrationszüge bildeten sich und zogen durch die Innenstadt. Aus einem davon wurden immer wieder Böller geworfen. Die Polizei sprach hier von zahlreichen Teilnehmern aus dem Cottbuser Hooligan- und Neonaziumfeld. Mehrere Personen wurden in Gewahrsam genommen. Schon während der Demonstration am Oberkirchplatz waren zahlreiche Menschen aus dem selben Milieu sichtbar. Vertreter der rechtsextremen Kleinstpartei "Der Dritte Weg" verteilten Flyer.

Aufruf zum Sturz von Ministerpräsident Woidke

Corona wurde an diesem Abend zur Nebensache. Noch während der Veranstaltung wurde dazu aufgerufen, den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke zu stürzen. '"Woidke muss weg" stand auf einem Banner, das der spätere Demonstrationszug vor sich hertrug. Angestachelt wurden die Teilnehmer durch Jean-Pascal Hohm, der die Eindämmungsverordnung als ein Mittel der Regierung beschrieb, die Demonstranten klein zu halten. Weiter rief er dazu auf, sich in den nächsten Wochen dezentral am Samstagabend in der Innenstadt zu treffen, sollten die Auflagen härter werden.

Radikale und Rechte bei Corona-Protesten

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Hohm selbst taucht in einem internen Gutachten des Verfassungsschutzes Brandenburg auf. Ihm wird vorgeworfen, zumindest zeitweise für die als rechtsextremistisch eingestufte "Identitäre Bewegung" aktiv gewesen zu sein.

Eine völlige Enthemmung

Als der Demozug startete, brachen auch bei vielen Demonstranten alle Dämme. Von Umsturzfantasien war die Rede, Polizisten wurden beleidigt und angepöbelt, teils auch attackiert. Es gab auch Aufrufe, das rbb-Team zu jagen und zu verprügeln. Was sich in Cottbus abgespielt hat war eine völlige Enthemmung bei den Demonstranten – mit Corona hatte all das inhaltlich nichts zu tun.

Ob es auch am nächsten Samstag eine Demonstration in Cottbus geben wird, ist fraglich. Dieser Abend wird aber vielen Demonstranten sicher in Erinnerung bleiben – als der Abend, an dem sie dem Staat gezeigt haben, dass sie auf einen menschlichen Umgang mit andersdenkenden, einen kooperativen Umgang mit der Polizei und auf die Corona-Maßnahmen pfeifen.

Sendung: Brandenburg aktuell, 18.12.2021, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schiller

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