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Audio: Antenne Brandenburg | 26.03.2021 | Andreas Oppermann | Quelle: John-Alexander Döring/rbb

Kommentar | Frankfurt rechnet Inzidenzen klein

Dann weiß niemand mehr, was gilt

Ruhe bewahren und klar kommunizieren - das sind in einer Katastrophe wohl die wichtigsten Regeln. In Frankfurt (Oder) allerdings scheinen die Verantwortlichen in der Corona-Pandemie den Kopf zu verlieren. Von Andreas Oppermann

Was lernt man als kleines Einmaleins in einer Krisensituation bei der Feuerwehrausbildung? Was ist zentraler Bestandteil der Bundeswehr-Ausbildung? Und was bekommt jede Führungskraft der Polizei früh beigebracht? Das ist: Ruhe bewahren plus klare Kommunikation.

Eigentlich wissen das auch alle politisch Verantwortlichen, die seit einem Jahr mit Corona zu tun haben. Sie wissen, dass eine klare Kommunikation für Vertrauen sorgt. Und sie wissen, dass dafür klare Maßstäbe notwendig sind.

Die Wissenschaft hat ihnen den - inzwischen wohl allen geläufigen - Sieben-Tage-Inzidenzwert an die Hand gegeben. Der Wert bildet ab, wieviele Infektionsfälle pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen gemeldet wurden. Wir haben alle gelernt, dass Zahl eine wertvolle Hilfe sein kann, um vorauszusagen, wie sich das Virus ausbreitet und welche Folgen das für die Belegung von Intensivbetten in den Krankenhäusern haben wird.

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Moralisch fragwürdig

Ob 35, 50 oder 100, dieser Wert ist abstrakt. Deshalb kann man sich auch so schön daran reiben. Müssen es wirklich die 100 sein? Und können wir, wie in Frankfurt (Oder), bestimmte Gruppen einfach rausrechnen, damit der Rest der Bevölkerung so weitermachen kann wie gewünscht?

Abgesehen davon, dass es moralisch mehr als fragwürdig ist, wenn Behinderten-Einrichtungen einfach herausgerechnet werden - ganz nach dem Motto "Diese Menschen gehören nicht zur Stadt": Wenn man sie herausrechnet, dann dürfte auch kein weiterer Mensch mehr in unserer Gesellschaft Kontakt haben. Keine Reinigungskraft. Kein Koch. Keine Betreuerin. Kein Familienangehöriger. Denn all die können sich ja infizieren. Wer Behinderteneinrichtungen herausrechnet, muss sie also eigentlich vollständig isolieren.

Ehrlich bleiben

Wir alle wissen, dass das nicht geht. Deshalb müssen die Verantwortlichen in Frankfurt auch ehrlich bleiben. Sie müssen den Inzidenzwert so nehmen, wie er ist - mit allen Folgen für unser aller öffentliches Leben. Ansonsten könnten wir zum Beispiel auch Infektionsgeschehen in Schulen herausrechnen, obwohl infizierte Schüler natürlich mit ihren Eltern in Kontakt sind.

Wenn wir diese Grenzen einreißen, dann reißen wir auch die klare Kommunikation ein. Dann weiß niemand mehr, was gilt. Und dann gibt es letztlich nur einen Gewinner: das Virus, das sich munter verbreitet. Mit mehr Infizierten, mehr Intensivpatienten und mit mehr Toten. Das hatten wir vor einem Jahr schon - und damals war das Virus nicht so infektiös wie die aktuelle Mutante.

Die politischen Verantwortlichen in Stadt und Land sollten klar bleiben in der Kommunikation. Bewahren Sie Ruhe! Und lügen Sie uns und sich nicht mit geschönten Zahlen in die Tasche.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.03.2021, 15:40 Uhr

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Beitrag von Andreas Oppermann

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