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Audio: Antenne Brandenburg | 25.01.2022 | Frank Berthold | Quelle: Larissa Mass/ rbb

Interview | Leiter IMD Labor Oderland für PCR-Diagnostik

"Wir werden noch vier sehr anstrengende Wochen vor uns haben"

Omikron sorgt für neue Corona-Höchststände. In Teilen Brandenburgs macht die Variante bereits 100 Prozent der Infektionen aus. Warum Frank Berthold, Leiter eines Labors, trotzdem zuversichtlich in die Zukunft blickt, erklärt er im Interview.

rbb|24: Herr Berthold, wie weit hat sich die Omikron-Variante mittlerweile in Ostbrandenburg ausgebreitet?

Frank Berthold: Bei uns dominiert Omikron absolut. Das ging auch wieder sehr schnell, wie seinerzeit der Switch auf die Delta-Variante. Vergangene Woche hatten wir einen Omikron-Anteil von 75 Prozent an den untersuchten Gesamt-Positiven. Der Rest ist Delta. Seit ungefähr drei Wochen hatten wir keine große Verschiebung mehr. In anderen Landesteilen ist der Anteil aber dann doch schon gegen 100 Prozent, sodass das bei uns auch noch passieren und Delta verdrängt wird.

Quelle: Tony Schönberg/rbb

Wie wird der Varianten-Anteil denn derzeit ermittelt?

Wir hatten im Oktober/November aufgehört die Varianten zu differenzieren, weil wir 100 Prozent Delta hatten. Als dann Omikron kam und wir ab Anfang Dezember die Tests verfügbar hatten, haben wir wieder alle positiven PCR-Befunde auf Varianten überprüft. Bei dem Untersuchungsaufkommen beim hohen Omikron-Anteil, welches wir mittlerweile haben, machen wir seit vergangener Woche nur noch Stichproben, um die Entwicklung weiter verfolgen zu können.

Die Corona-Fallzahlen sind in den vergangenen Wochen wieder exponentiell angestiegen. Wie ist die derzeitige Auslastung in Ihrem Labor?

Wir sind im Moment sehr gut beschäftigt. Wir hatten in der vergangenen Woche tatsächlich ein Niveau, was wir im Verlaufe der Pandemie noch gar nicht gesehen haben. Das waren deutlich über 18.000 PCR-Testungen auf Corona. Dazu kommt noch eine Reihe von Varianten-Diagnostik. Zusammen also in der Größenordnung von 20.000 Untersuchungen in einer Woche.

Die bisherige höchste Auslastung lag bei etwa 14.000, und auch das sind Größenordnungen, die uns schon stark beschäftigen. Wir waren im November in der dritten Welle schon gut ausgelastet und jetzt sind nochmal 20 Prozent dazu gekommen.

Es ist aber so, dass wir uns zwar anstrengen müssen, das aber schaffen. Wir müssen überlegen, an welchen Punkten wir noch Abläufe und den Arbeitsfluss verbessern können. Technisch können wir das leisten. Personell ist es im Moment sehr anstrengend, aber schaffbar.

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Zu Beginn der Pandemie waren Ihnen zufolge Verbrauchsmaterialien und Chemikalien nur schwer zu bekommen. Wie sieht es derzeit mit der Verfügbarkeit aus?

Das sieht seit einem halben Jahr sehr gut aus. Die Industrie hat sich an die Situation gut adaptiert. Verbrauchsmaterial, wie Pipettenspitzen oder Plastikteile aber auch die Tests, sind gut verfügbar. Reagenzien-Hersteller können uns sehr gut beliefern. Und im Moment sehen wir sogar, dass sich der Markt für spezialisierte Laborgeräte entspannt. Zwischenzeitlich mussten wir neun Monate auf ein Gerät warten. Das passiert jetzt nicht mehr. Wir hoffen, dass es so bleibt und nicht wieder mal ein Container-Schiff im Suez-Kanal quer liegt.

Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz sieht eine Priorisierung der PCR-Tests vor. Damit sollen Gesundheitsämter und Labors entlastet werden. Wie sehen Sie eine Priorisierung?

Aus heutiger Sicht brauchen wir das hier nicht. Ich habe eher die Sorge, dass eine Priorisierung die Abläufe verkompliziert und wir uns dann, indem wir nach Kategorien unterscheiden müssen, wir uns eher im Wege stehen und sich die Befund-Laufzeiten verlängert. Aktuell bin ich klar dagegen.

Unser Fokus liegt darauf, alle Aufträge ohne Unterschied möglichst schnell zu untersuchen. Natürlich kann es irgendwann mal sein, dass Kapazitätsgrenzen in der Belieferung, bei der Industrie erreicht werden und die Logistik nicht funktioniert. Dann könnte es Sinn machen, die kritische Infrastruktur zuerst zu bedienen. Das wäre ein Worst-Case-Szenario, was ich heute aber noch nicht sehe.

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Trotzdem warten derzeit viele Getestet in der Region oft tagelang auf ihre PCR-Ergebnisse. Woran liegt das?

Erklären kann ich das nicht. Wir monitoren unsere Abläufe, und ich habe mich gerade vergewissert, dass wir auch in der vergangenen Woche eine durchschnittliche Befundlaufzeit von unter 24 Stunden haben. Wir arbeiten von Montag bis Samstag und haben fast an jedem Tag die gleiche Arbeitslast. Insofern passt das gar nicht zu meinen Erfahrungen. Aber wir wissen auch nicht, wie lange eine Probe vorher steht, bevor sie abgeholt wird.

Alle Nicht-Priorisierten sollen künftig auch nach einem positiven Schnelltest nur mit einem zweiten Schnelltest überprüfen, ob sie infiziert sind und in Isolation müssen. Was halten Sie davon?

Grundsätzlich spricht nichts dagegen die Antigen-Tests noch weiter zu qualifizieren. Die sind von ihrer Empfindlichkeit so eingestellt, das ein infektiöser Zustand mit hoher Virus-Last auch sicher erkannt werden soll. Und wenn man einen positiven Antigen-Test mit einem zweiten bestätigt, dann kann man davon ausgehen, dass der Patient noch infektiös ist.

Bei einem negativen Test besteht sowohl für den Patienten als auch für seine Umgebung eine hohe Sicherheit, dass die Infektiosität nicht mehr besteht. Insofern kann man Antigen-Tests auch zur Bestätigung von einer Situation einsetzen, wenn man das Ziel hat, die PCR-Kapazität zu schonen.

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Kommt beim Aufkommen von PCR-Auswertungen in Ihrem Labor das sonstige "Alltagsgeschäft", wie Grippe-Diagnostik, zu kurz?

Das, was uns in den anderen Jahren beschäftigt hat, beschäftig uns jetzt ganz genauso. Da sehen wir keine Einschränkungen zu Nicht-Pandemie-Zeiten. Corona kommt zu der Basis-Diagnostik noch obendrauf. Da wir aber personell eine gute Trennung hinbekommen haben, stören sich die Felder nicht, obwohl eines davon sehr stark dominiert. Bei besonderen Belastungen können wir das ausbalancieren.

Die Influenza ist noch nicht da. In anderen europäischen Ländern gibt es schon eine Reihe von Fällen. In Deutschland und unserer Region spielt das im Moment noch nicht so eine Rolle. Wir hatten jetzt am Wochenende gerade mal einige wenige positive Fälle. Aber was wir bisher gefunden haben, kann man an zwei Händen abzählen. Das ist untypisch.

Wir wissen nicht, wie das weitergehen wird. Aber es spricht einiges dafür, dass wir auch noch Influenza erleben werden, aber sicherlich nicht in einem besonders hohem Maß – eher weniger und zeitlich zum Ende der normalen Grippe-Saison hin verschoben.

Wie blicken Sie auf die kommenden Wochen und Monate der Corona-Pandemie?

Ich denke, dass die Chance - die etwa die Herren Drosten und Lauterbach geäußert haben -, das Omikron uns dabei hilf, eine große Immunität in der Bevölkerung herzustellen und aus der Pandemie herauszukommen in Richtung einer Endemie, wie bei der Influenza, sehr groß ist. Insofern hat diese Omikron-Welle auch etwas Positives.

Aber der Erreger und der Verlauf haben uns so oft überrascht. Es kann durchaus sein, dass es noch sehr ärgerliche Varianten geben mag. Aber die Chance, dass wir am Scheitelpunkt stehen und die Zukunft normaler aussieht, sehe ich schon.

Die Wand, die da auf uns zukommt, ist zeitlich limitiert. Wir werden noch vier sehr anstrengende Wochen vor uns haben und dann ist die Welle durchgelaufen.

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung.

Das Interview führte Tony Schönberg für Antenne Brandenburg.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.01.2022, 14:40 Uhr

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