rbb24
  1. rbb|24
  2. Wirtschaft
Quelle: rbb|24 / Schneider

Grundstückshändler Bund und Land

Der Staat verdient am goldenen Boden

Auf einem ehemaligen Grenzstreifen in Berlin-Mitte werden hunderte Luxuswohnungen gebaut - für bis zu 8.000 Euro pro Quadratmeter. Das Bauland gehörte dem Bund, der verkaufte es meistbietend. Auf teurem Grund entstehen teure Apartments. Von Jana Göbel

Berliner Bauland ist heiß begehrt - die Preise schnellen extrem in die Höhe. Grundstücke für den Geschosswohnungsbau sind heute fünf Mal so teuer wie vor zehn Jahren - im Schnitt kostet ein Quadratmeter 2.055 Euro. Ein Ende dieses Booms ist nicht absehbar. Die Steigerungen schlagen - wenn auch etwas abgeschwächt - auf die Preise für Eigentumswohnungen durch. Sie haben sich im selben Zeitraum verdoppelt. Wohnungskäufer zahlen in Berlin pro Quadratmeter jetzt durchschnittlich 3.204 Euro.

"Die Grundstückspreise sind nicht real", sagt der Experte Andrej Holm von der Humboldt-Universität. "Sie spiegeln eine Ertragserwartung wider und sind deshalb Gegenstand von Spekulation." Der Stadtsoziologe Holm war kurze Zeit Wohn-Staatssekretär im rot-rot-grünen Senat. Nach wochenlangen Diskussionen um seine Stasi-Vergangenheit trat er Mitte Januar zurück.

Wie der Bund an der Bodenspekulation mit verdient

Auch der Bund handelt mit Immobilien, dafür hat er eine eigene Gesellschaft: die BImA. Nach Informationen des rbb hat diese im vergangenen Jahr in Berlin 43 Millionen Euro mit Grundstücksverkäufen eingenommen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben muss Flächen und Gebäude an den Höchstbietenden veräußern, so steht es im Gesetz. Die Folge für große Städte wie Berlin: Neubauwohnungen, die sich meist nur Bestverdiener leisten können.  

Ein Beispiel dafür ist ein 16.000 Quadratmeter großes Grundstück an der Alten Jakobstraße in Mitte. Hier werden gerade hunderte Luxuswohnungen für bis zu 8.000 Euro den Quadratmeter gebaut.

Kaufpreise? Verrät die BImA nicht

Die BimA hat den ehemaligen Grenzstreifen 2015 an Investoren verkauft. Das höchste Angebot bekam den Zuschlag, Auskünfte zu Kaufpreisen gibt die BImA nicht. Die "Immobilienzeitung" hat recherchiert, dass der Preis pro Quadratmeter mehr als 1.800 Euro betragen haben soll. 2015, als der Durchschnittspreis noch bei 824 Euro lag, wäre das ein Spitzenwert gewesen - kein Wunder, dass hier nun vor allem Edelbauten entstehen. 

Nachbarn würde man nur selten antreffen, viele Balkone blieben auch im Sommer leer, erzählt ein Mieter eines Neubaus in der Alten Jakobstraße. Für viele Käufer scheint das hier nur eine Berlin-Residenz nebenbei oder eine Wertanlage zu sein. Die meisten Normalverdiener können sich eine solche Wohnung als Eigenheim nicht leisten (siehe Video).

Zu Verkaufsverfahren wie diesen schreibt die BimA dem rbb: "Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ist an die Bundeshaushaltsordnung (BHO) gebunden und darf Liegenschaften nur zum vollen Wert veräußern. Bei der Wertermittlung werden die aktuellen Marktdaten berücksichtigt."

"Berlin ist auf der Welle mitgesurft"

Das Land Berlin hat ebenso kräftig mitgemischt im Geschäft mit dem Bauland. Um den Haushalt zu sanieren, haben Senatspolitiker wertvolle Innenstadt-Immobilien auf den Markt gebracht – ebenfalls meistbietend. "Berlin ist auf der Welle mitgesurvt", sagt der Abgeordnete Michael Nelken von der Linkspartei. 

Ein Beispiel ist das ehemalige Zentralviehhof-Gelände an der Grenze zwischen Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Noch bis 1991 wurden hier Tiere geschlachtet. Danach bekam Berlin das Land und verkaufte es an Investoren weiter. Die ließen dort fast ausschließlich Eigentumswohnungen und Stadtvillen bauen (siehe Video).

Video

Luxuswohnungen

Beispiel 2: Zentralviehhof-Gelände

64 Quadratmeter für mehr als 325.000 Euro

Die Immobilienpreise auf diesem ehemals landeseigenen Boden liegen jetzt teilweise bei mehr als 5.000 Euro pro Quadratmeter – und damit im Luxussegment. Eine 64-Quadratmeter-Wohnung beispielsweise wird im Internet für 325.300 Euro angeboten.  

Zwei Milliarden Euro haben die Flächenverkäufe dem Land Berlin seit 2001 eingebracht. Heute dürften die Grundstücke mindestens doppelt so viel wert sein. Wegen der angepannten Haushaltslage habe Berlin in erheblichem Maße Grundstücke und Wohnungen veräußert, sagt die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe. Dies sei ein großer Fehler gewesen.

Die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus (Grüne) aus Berlin erklärt, jetzt werde umgesteuert. Tatsächlich hat der Senat seine Immobilien-Politik geändert. Bauland, das sich für Wohnungen eignet, gehe jetzt vor allem an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Die besten Flächen aber sind längst weg.

Berlin hat seine Flächen verscherbelt, jetzt soll der Bund helfen

Nun will die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung, dass der Bund ebenfalls umschwenkt und das sogenannte BImA-Gesetz geändert wird - Anfang Juli hat Berlin eine Bundesratsinitiative eingebracht. Dort, wo die Wohnungsnot groß ist, soll der Staat seine Flächen günstiger abgeben und Kommunen beim Verkauf bevorzugen.

Berliner Bundestagsmitglieder mehrerer Parteien unterstützen diese Idee. Der Bund dürfe sich nicht wie ein Spekulant verhalten, sagt die Abgeordnete Gesine Lötzsch von der Linkspartei. Ähnlich argumentiert Jan-Marco Luczak von der CDU: "Wir dürfen nicht nur auf die Einnahmen schauen, sondern müssen auch stadtentwicklungspolitische Gesichtspunkte berücksichtigen." Parlamentarierinnen der Grünen und der SPD äußern sich ähnlich (siehe Infokasten). 

Ob sich aber eine Mehrheit im Bundestag findet, um das Gesetz zu ändern, ist fraglich. Denn der Verkauf von Flächen in Zeiten der Wohnungsnot ist hauptsächlich ein Großstadt-Problem, das Metropolen wie Hamburg, München oder Berlin betrifft - Flächenländer haben dringendere Sorgen. Und: Die Immobiliengeschäfte mit Verkäufen und Vermietungen sind ein wichtiger Einnahme-Posten in der Haushaltskasse. Jedes Jahr nimmt der Bund mehr zwei Milliarden Euro damit ein.

Das sagen Berliner Bundestagsabgeordnete

Soll der Bund seine Liegenschaftspolitik ändern?

Cansel Kiziltepe (SPD)

Ein wesentlicher Preistreiber in wachsenden Städten und Ballungszentren beim dringend benötigten Wohnungsneubau sind steigende Baulandpreise. Grundstückskosten machen teilweise weit mehr als 20 Prozent der Wohnungsneubaukosten aus. Ich setze mich daher seit langem dafür ein, den Zweck der BImA auf gemeinwohlorientierte Ziele auszurichten. Nach geltendem Recht ist die BImA verpflichtet, nicht betriebsnotwendiges Vermögen zum Höchstpreis zu veräußern. Und zwar auch dann, wenn kommunale Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen.

Gesine Lötzsch (Die Linke)

Ja, der Bund muss dafür sorgen, dass da wo Bedarf besteht günstig neu gebaut werden kann. Der Bund darf sich nicht verhalten wie ein Spekulant, wenn in vielen Städten und Kommunen massiver Wohnungsmangel herrscht. Das bedeutet, dass Grundstücke des Bundes verbilligt an Länder und Kommunen abgegeben werden müssen, damit die kommunalen Wohnungsunternehmen auch Menschen mit wenig Geld eine Wohnung zur Verfügung stellen können.

Jan-Marco Luczak (CDU)

Wir dürfen nicht nur auf die Einnahmen schauen, sondern müssen auch stadtentwicklungspolitische Gesichtspunkte berücksichtigen. Klar ist: Die Ursachen steigender Mieten lassen sich langfristig nur durch den Bau neuer und kostengünstiger Wohnungen bekämpfen. Hier sind das Land Berlin und auch die Bezirke weiterhin in der Pflicht.

Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen)

Ja. Baugrundstücke in Berlin sind knapp und Baulandspekulation treibt die Preise zusätzlich in die Höhe. Der Bund muss dagegen steuern und seine Liegenschaften Ländern und Kommunen für eine ökologische und sozialverträgliche Stadtentwicklung zur Verfügung stellen. Nur so kann man preiswerten Wohnraum für alle Berlinerinnen und Berliner schaffen.

Wie soll das Problem gelöst werden?

Cansel Kiziltepe (SPD)

In der neuen Legislaturperiode wollen wir als SPD mit neuen Mehrheiten im Deutschen Bundestag das BImA-Gesetz reformieren. Im Regierungsprogramm haben wir festgeschrieben, dass der Bund in Zukunft beim Verkauf öffentlicher Grundstücke und Gebäude wohnungs- und stadtentwicklungspolitische Ziele berücksichtigt. Bereits jetzt hat der Berliner Finanzsenator eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gestartet, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit der Bund Grundstücke und Wohnungen nicht mehr zum Höchstpreis verkaufen muss. Voraussetzung hierfür ist eine gemeinwohlorientierte Nutzung, insbesondere zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus.

Gesine Lötzsch (Die Linke)

In einem Gesetzentwurf von 2015 hat Die Linke gefordert, bei öffentlichem Bedarf für den Wohnungsbau vom Höchstpreisverfahren beim Verkauf von Bundes-Grundstücken abzuweichen. Die daraufhin eingeführte Verbilligungsrichtlinie reicht aber nicht aus. In Einzelfällen konnten Kommunen von den Vergünstigungen profitieren, das ganze Verfahren ist aber viel zu bürokratisch und viele Kommunen können selbst die reduzierten Kaufpreise nicht stemmen. Wir brauchen mehr öffentlichen Wohnraum anstatt Rendite für Private – am besten so schnell wie möglich.

Jan-Marco Luczak (CDU)

Wir brauchen eine Gesamtstrategie von Bund, Ländern und Kommunen gegen die Wohnungsknappheit und steigende Mieten in Ballungsgebieten. Ich setze mich seit langem dafür ein, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bei Verkäufen nicht ausschließlich zu Höchstpreisen veräußert. Ausnahmen vom Höchstpreisgebot zugunsten von Investoren, die nach dem Kauf weiterhin bezahlbaren Wohnraum anbieten wollen, sollten häufiger möglich sein. Hier steht auch der Bund in der Verantwortung.

Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wollen das BImA-Gesetz mit einer Öffnungsklausel ergänzen. Die sieht Erstzugriffsrechte sowie die verbilligte Abgabe von Liegenschaften an Länder und Kommunen vor. Bis die entsprechenden Regeln gelten, fordern wir den Bund auf, den Verkauf aller bundeseigenen Immobilien zu stoppen, die für die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum benötigt werden. 

Kann Berlin vom Bund eine Änderung verlangen?

Cansel Kiziltepe (SPD)

Im Kontext einer sehr angespannten Haushaltslage hat Berlin ab Mitte der 1990er Jahre in erheblichem Maße Grundstücke und auch Wohnungen veräußert; oftmals wie im Fall der Wohnungsbaugesellschaft GSW weit unter Wert. Das war ein großer Fehler, da dieser Wohnraum nun in Zeiten der wachsenden Stadt dringend benötigt wird. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Bund damals Berlin mit seiner Notlage allein gelassen hat. Bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zu schaffen, muss ein gemeinsames Anliegen von Bund und Ländern sein. Der Bund als einer der größten Immobilieneigentümer darf sich jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen.

Gesine Lötzsch (Die Linke)

Ja, wir haben in Berlin jetzt eine soziale Regierung, die mit dem Mietenwucher Schluss macht. Deswegen wurde das Wohnraumgesetz geändert, so dass mehr Menschen als bisher von Mietzuschüssen profitieren können. Berlin verfolgt jetzt eine neue Liegenschaftspolitik, so dass Grundstücke der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) nicht mehr privat verwertet werden, sondern zuerst für Zwecke des Wohnungsbaus und für soziale Infrastruktur genutzt werden.

Jan-Marco Luczak (CDU)

Die Wohnungsmarktsituation hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Es ist daher richtig, der BImA mehr Flexibilität beim Verkauf von Bundesimmobilien einzuräumen und Ausnahmen vom Gebot, diese zum Höchstpreis verkaufen zu müssen, zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin. Dass Rot-Rot-Grün in ihrem aktuellen Antrag allerdings fordert, dass Bundesimmobilien grundsätzlich nur noch zum Ertragswert oder sogar darunter an die Kommunen veräußert werden sollen, halte ich für nicht richtig. Der Bund hat ein berechtigtes Interesse, im Sinne einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik zu handeln - etwa einem ausgeglichenen Haushalt.

Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen)

Ja. In der Wohnungspolitik wurden in der Vergangenheit auf allen Ebenen Fehler gemacht. Um leere Staatskassen zu füllen, wurden öffentliche Wohnungsbestände zu Spottpreisen an private Investoren verkauft, die jetzt dringend benötigt werden. Wichtig ist, dass jetzt entschlossen umgesteuert und die Liegenschaftspolitik am Ziel der sozialen Wohnraumversorgung ausgerichtet wird.

Sendung: radioeins, 13.07.17, 9:05 Uhr

Beitrag von Jana Göbel, Redaktion Investigatives und Hintergrund

Artikel im mobilen Angebot lesen