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Audio: Inforadio | 27.03.2020 | Jana Göbel | Quelle: rbb/Jana Göbel

Bundesrat verabschiedet Hilfspaket

Reichen die Ausnahmeregelungen für Mieter und Vermieter?

Im Eiltempo verabschiedet die Regierung Hilfsmaßnahmen für Mieter und Vermieter, am Freitag stimmte auch der Bundesrat zu. Niemand soll sich Sorgen machen, dass er wegen der Corona-Krise die Wohnung oder Mieteinnahmen verliert. Aber reicht das? Von Jana Göbel

+++ Update 11:30 Uhr:

Der Bundesrat hat am Freitag das Maßnahmenpaket der Regierung zur Corona-Krise gebilligt. Für Unterstützungsleistungen für Gesundheitswesen, Unternehmen und Arbeitnehmer kann der Bund damit neue Schulden in Höhe von 156 Milliarden Euro aufnehmen. Zuvor hatte am Mittwoch der Bundestag die Maßnahmen beschlossen, die nun zeitnah umgesetzt werden sollen.

Der Monat März geht zu Ende, für 1,6 Millionen Wohnungen in Berlin stehen in wenigen Tagen die Mietzahlungen an. Doch viele Menschen haben wegen der Corona-Krise derzeit keine Arbeit oder keine Aufträge. Bei manchen wirkt sich das schon jetzt auf das Einkommen aus. Wenn sie deswegen den Betrag für die Miete nicht aufbringen können, darf ihre Wohnung nicht gekündigt werden. So hat es der Bundestag beschlossen.

"Wir können nicht auf der einen Seite zur Eindämmung des Corona-Virus sagen, die Menschen sollen in ihren Wohnungen bleiben und andererseits machen sie sich Sorgen, ihre Wohnungen möglicherweise zu verlieren", fasst Berlins Wohnungssenatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei die Situation zusammen. Es sei zu erwarten, dass jetzt vielen Menschen das Geld ausgeht.

Der Schutz des Wohnraums ist erstmal gesetzlich gesichert, wenn das Paket so durchkommt. Reiner Wild vom Berliner Mieterverein begrüßt das schnelle Handeln der Politik, doch was sollten Betroffene nun tun? In den Beratungsstellen des Mietervereins laufen die Telefone heiß. Die Menschen haben viele Fragen:

Wo sollen Mieterinnen und Mieter sich hinwenden, wenn sie feststellen, das Geld reicht wegen der Corona-Krise nicht für die nächste Miete?
Sofort dem Vermieter Bescheid geben, falls Mietausfälle zu erwarten sind, empfiehlt Wild. Gemeinsam könne man dann zum Beispiel Ratenzahlungen oder Teilzahlungen vereinbaren.

Müssen Mieter einen Mietenausfall oder eine verringerte Mietzahlung begründen?
"Mieter müssen glaubhaft machen, dass eine Zahlungsschwierigkeit aufgrund der Corona-Krise entstanden ist, zum Beispiel durch eine Arbeitgeber-Erklärung, eine eidesstattliche Versicherung oder einen Antrag auf öffentliche Hilfen, zum Beispiel auf Wohngeld", sagt Reiner Wild.

Wie ist es mit den eigenen Ersparnissen?
Selbstverständlich, so Reiner Wild vom Berliner Mieterverein, wenn man Geld auf dem Konto habe, müsse man dieses zuerst verwenden, um die Miete zu bezahlen. Diese Rücklagen müssten eingesetzt werden.

Muss mein Partner, meine Partnerin für mich aufkommen?
Ja, wenn man zu zweit eine Wohnung angemietet habe, also beide im Vertrag stehen, sei die Mietzahlung durch den Partner zu bewältigen.

Quelle: rbb/Jana Göbel

Miete muss nachgezahlt werden

Zwar müssen Mieter sich aktuell keine Sorge haben, die Wohnung zu verlieren, doch die Miete wird nur gestundet. Spätestens bis Mitte 2022 muss sie nach derzeitigem Stand nachgezahlt werden, inclusive Zinsen. Die ausfallende Miete ist wie ein Darlehen zu betrachten, und dafür sind Verzugszinsen zu zahlen. Der gesetzliche Zinssatz dafür beträgt mindestens fünf Prozent.

So sehr die Politik die Mieter jetzt auch zu schützen versucht - Reiner Wild befürchtet, dass vor allem Menschen mit geringen Einkommen später auf einem Schuldenberg sitzen. Besonders ungerecht findet er, dass Gewerbetreibende staatlich unterstützt werden, die Mieter hingegen auf lange Sicht die Folgen der Krise selbst tragen sollen.

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Obwohl die Mietzahlungen nach derzeitigem Stand nicht ausfallen, sondern sich lediglich verspäten, kann die Situation für einige Vermieter bedrohlich werden. Vor allem, wenn sie aus den laufenden Mieteinnahmen die Raten für einen Kredit finanzieren. In Berlin haben in den letzten Jahren viele Privatpersonen Wohnungen erworben, zum Beispiel aus Angst vor den steigenden Mieten und um für das Alter vorzusorgen. Sehr häufig "gehören" solche Wohnungen vorläufig noch der Bank.

Carsten Brückner ist Vorsitzender des Berliner Verbandes "Haus und Grund". Er vertritt 9.000 private Haus- und Wohnungsbesitzer in Berlin, die mit einer oder wenigen Wohnungen, nicht die großen Unternehmen: "Genauso wie der Mieter, wenn er kein Arbeitseinkommen hat, hat natürlich der Vermieter das gleiche Problem, wenn er keine Mieteinnahmen hat. Dann kann er zum Beispiel den Kredit nicht ablösen, die Berliner Wasserbetriebe nicht mehr bezahlen oder seine Krankenkasse."

Zwar sei das Verständnis bei den Berliner Vermietern für die besondere Situation groß, so Brückner. Dennoch fordert er auch staatliche Unterstützung für Vermieter. In den aktuellen gesetzlichen Regelungen sei die Lage der privaten Wohnungseigentümer überhaupt nicht berücksichtigt worden. Der entscheidende Punkt sei, dass der Bundesgesetzgeber für Unternehmen Hilfen bereitstellt, zum Beispiel durch Zuschüsse oder Darlehen. So etwas fehle für die Wohnungseigentümer, obwohl diese teilweise auch auf wirtschaftliche Hilfe angewiesen seien. "Ein Haus oder eine Wohnung ist auch wie ein kleines Unternehmen", so Brückner, mit Einnahmen und Ausgaben.

Verbände von Vermietern und Mietern sind sich ausnahmsweise einig

Und so kommt es zu einem seltenen Ereignis: Mieter und Vermieter erheben in der Corona-Krise die gleiche Forderung. Sowohl der Berliner Mieterverein als auch der Verband Haus und Grund Berlin plädieren für einen Hilfsfonds speziell für den Bereich Wohnen. "Wir brauchen einen Fonds, aus dem die Mietschulden getilgt werden", sagt Reiner Wild vom Mieterverein, allerdings müssten die Vermieter auch zu einem Verzicht bereit sein. Und Carsten Brückner spricht von einem gegenseitigen Entgegenkommen: "Mieterseite und Vermieter schlagen vor, einen gemeinsamen Fonds einzurichten, der von öffentlicher Hand bedient wird, um die Mietzahlungenspflichten der Mieter zu erfüllen und damit auch die Vermieter ausreichend Geld haben, um ihren Verpflichtungen nachzukommen."

"Wir müssen darüber reden, wie man Mietverzicht und Mietausfälle solidarisch verteilt", sagt auch Berlins Wohnungssenatorin Katrin Lompscher dem rbb, "wie der Staat hilft, aber wie auch die Vermieter sich beteiligen."  Da müsse jetzt schnell eine Härtefallregelung her. Unabhängig davon habe Berlin auch eigene flankierende Regelungen auf den Weg gebracht. So sind die Städtischen Wohnungsbaugesellschaften angehalten, jetzt keine Mieterhöhungen vorzunehmen. Bei Mietrückständen, die jetzt auftreten, sollen sie individuelle kulante Lösungen zu vereinbaren. Kündigungen und Zwangsräumungen seien bei den Städtischen Wohnungsbaugesellschaften jetzt gestoppt.

An alle anderen Vermieter könne die Senatorin nur appellieren, dass sie in gleicher Weise verfahren. So hat zum Beispiel Berlins größter privater Vermieter, die Deutsche Wohnen, bereits mit einem millionenschweren Corona-Hilfsfonds für Mieter reagiert.

Sendung: Inforadio, 27.03.2020, 6:45 Uhr

Beitrag von Jana Göbel

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