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Quelle: www.imago-images.de/Sorge

"Die Republik steht still und wir auch"

Taxifahrer befürchten Pleitewelle durch Corona

Bis zu 90 Prozent Umsatzverlust verzeichnen Taxiunternehmen derzeit. Die Innung des Berliner Taxigewerbes befürchtet, dass künftig über ein Viertel der Fahrzeuge für immer stillsteht. Erste Unternehmen melden bereits Insolvenz an. Von Lisa Splanemann

Eine provisorische Plexiglasscheibe zwischen Fahrer und Fahrgast, häufiges Durchlüften des Fahrzeugs und Desinfizieren der Autositze nach jeder Fahrt: Taxifahrer haben ihre Fahrzeuge in Corona-Zeiten umgerüstet. So sollen mehr Fahrgäste für Taxifahrten gewonnen werden. Denn häufig kann die vorgeschriebene Abstandsregel von anderthalb Metern in einer Standardlimousine nicht eingehalten werden.

Auftragsrückgang von bis zu 90 Prozent

Das Taxigewerbe steht derzeit vor großen Herausforderungen. Taxiunternehmen beklagen durch die Corona-Krise einen Auftragsrückgang von bis zu 90 Prozent. "Die Leute sind deutlich weniger unterwegs", sagt Michael Oppermann, Geschäftsführer vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. Dies sei derzeit in allen Bundesländern zu beobachten. Die ursprüngliche Hoffnung, dass Menschen, die auf den öffentlichen Personennahverkehr verzichten wollen, lieber auf das Taxi umsteigen, hat sich somit nicht bewahrheitet.

Durch die Corona-Krise und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen fehlen dem Taxigewerbe ganze Marktsegmente: So sind Menschen weniger mobil, Touristen bleiben weg und Großveranstaltungen fallen aus. "Ein großes Problem ist außerdem, dass kaum noch Betrieb an Flughäfen ist, sodass auch dort keine Fahrgäste in die Taxen steigen", erklärt Oppermann.

Michael Oppermann | Quelle: privat

Tatsächlich hat der Flughafenverband ADV beispielsweise am Flughafen Frankfurt am Main für Mitte April ein Passagieraufkommen von nur noch einem Prozent der üblichen Zahl gemessen. "Uns fehlen die Gastronomie, das Nachtleben, die Geschäftsleute - die Republik steht still und wir auch", sagt Vorsitzende der Innung des Berliner Taxigewerbes, Leszek Nadolski.

Die Lage sei bundesweit "ausgesprochen schwierig", so Oppermann. Besonders gravierende Einschnitte verzeichnet das Taxigewerbe vor allem in Großstädten. Nach Angaben vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. liegen aber auch im ländlichen Bereich die Umsatzeinbrüche bei über 60 Prozent. "Die Fahrten, die jetzt noch unternommen werden, sind häufig Krankentransporte oder für ältere Menschen, die beispielsweise einen Arzttermin haben." Neu hinzugekommen seien Transporte von Menschen, die als systemrelevant eingestuft wurden und zur Arbeit müssen. In einigen Fällen werden hier Fahrten von Arbeitgebern gezahlt. Aber auch diese Aufträge würden bei weitem nicht ausreichen.

Staatshilfen ist für kleine Unternehmen häufig die Rettung

Ohne Staatshilfen gingen viele Unternehmen innerhalb weniger Monate insolvent, schätzt Oppermann die Situation ein. Zugutekommen würden Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständigen derzeit die staatlichen Direkthilfen. Kleine Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler erhalten aktuell finanzielle Unterstützung vom Bund, um Betriebskosten zu finanzieren.

Aus einem 50 Milliarden schweren Topf werden unbürokratische Soforthilfen gestellt: Selbstständige und Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten erhalten bis zu 9.000 Euro, mit bis zu zehn Beschäftigten erhalten bis zu 15.000 Euro. Darüber hinaus werden beispielsweise durch die staatliche KfW Kreditprogramme für größere Unternehmen gestellt.

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Die Soforthilfen reichten nach Oppermanns Einschätzungen zunächst bis Mitte Mai aus. "Allerdings ist das Taxigewerbe mittel- und langfristig von der Corona-Krise betroffen", mahnt der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V.-Geschäftsführer, "wenn auch im zweiten Halbjahr keine Großveranstaltungen stattfinden, wird es auch zukünftig zu großen Umsatzeinbrüchen kommen."

Deshalb müsste das Taxigewerbe auch in der zweiten Jahreshälfte mit Fördermaßnahmen unterstützt werden. Größere Unternehmen nähmen derzeit hauptsächlich das Mittel der Kurzarbeit in Anspruch. Das ist aber in der Taxibranche gar nicht so einfach: "Im Taxigewerbe gibt es eine Dienstpflicht, das heißt, wir dürfen nicht einfach den Betrieb einstellen". Im Umkehrschluss müssten Taxen trotz niedriger Auftragslage bereitstehen – manchmal acht Stunden am Stück mit nur einem Fahrauftrag. "Wenn 30 Euro eingenommen werden, kann davon kein Mindestlohn gezahlt werden", erläutert Oppermann.

25 Prozent der Berliner Taxen könnten für immer stillstehen

Leszek Nadolski ist Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes. Nach seinen Einschätzungen könnten künftig in Berlin über 25 Prozent der rund 8.000 Berliner Taxen für immer stillstehen. Betroffen seien dann bis zu 6.000 Arbeitsplätze. "Die Situation ist einfach katastrophal", so Nadolski, "kaum einer möchte gefahren werden." Derzeit seien Solo-Selbstständige und Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern durch die Soforthilfen "aufgefangen worden", berichtet der Vorsitzende. "Auf uns kommt jetzt aber langsam eine Insolvenzwelle zu." Erste Berliner Betriebe würden bereits aufgeben.

Leszek Nadolski | Quelle: privat

Nadolski ist ebenfalls Taxifahrer und betreibt sein Unternehmen als Solo-Selbstständiger. Momentan ist Nadolski aber kaum mit seinem Taxi unterwegs. Er gehört mit gesundheitlichen Problemen zur Risikogruppe bei einer Corona-Erkrankung. "Mich haben die Sofortmaßnahmen aufgefangen", so der Taxifahrer. Mit den Zahlungen könne er sich nun einige Monate über Wasser halten.

Seine Kollegen berichten Nadolski, dass sie täglich höchstens drei bis vier Fahrten machen würden. "Das heißt 30 Euro Einnahmen pro Tag - damit kann man noch nicht mal die Kosten decken", rechnet der Taxiunternehmer vor. Er hofft jetzt für seine Kollegen auf Hilfen für Betriebe über zehn Angestellte.

Mit Sorge blickt Nadolski auch in die Zukunft: Wenn der Flughafen Tegel als weitere Einnahmequelle wegfällt, würde es für die Berliner Branche noch düsterer aussehen.

Sendung: Inforadio, 7.5.2020, 18:00 Uhr

Beitrag von Lisa Splanemann

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