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Audio: Inforadio | 01.05.2020 | Karsten Zummack | Quelle: rbb/Karsten Zummack

Gastgewerbe in der Corona-Krise

"So wie jetzt halten wir vielleicht noch bis Juni durch"

Von Lockerungen kann das Gastgewerbe in der Corona-Krise bislang nur träumen. Hotels, Pensionen, Campingplätze und Restaurants sind geschlossen. Die Lage der Branche ist auch in Brandenburg prekär. Von Karsten Zummack

"Eine tolle Idee", freut sich Peter. Der Stahnsdorfer steht mit Mundschutz vor einer kleinen Fensterluke von "Kades Restaurant am Pfingstberg". Eine Plexiglasscheibe sichert den nötigen Abstand zum Personal. Peter hat zwei Portionen Rinderroulade mit Kartoffelklößen bestellt. Die Gerichte bekommt er in Schaumstoffbehältern zum Mitnehmen. Die Corona-Krise hat den Gastronomie-Alltag gründlich verändert.

Hinten in der Küche schwenkt Kevin Thiel Speck und Zwiebeln in der Pfanne. "Jedes Wochenende wechselt die Karte", verrät der junge Küchenchef. Damit sind immer sechs Gerichte im Außer-Haus-Verkauf. Vor dem Eingang zur Terrasse steht eine Tafel. Mit Kreide ist darauf die "Einreiseregel" geschrieben. Die besagt, dass immer nur eine Person ans Restaurant-Fenster darf. "Die Leute bestellen telefonisch und holen alle fünf Minuten ab, das klappt wunderbar", schwärmt Gastwirt Mario Kade. Für ihn ist der Außer-Haus-Verkauf vor allem Kundenbindung. Rechnen tut sich diese Notvariante nicht.

Kevin Thiel, Küchenchef in "Kades Restaurant am Pfingstberg" | Quelle: rbb/Karsten Zummack

Das Restaurant liegt am Pfingstberg, etwa 70 Meter über der Landeshauptstadt Potsdam. Gäste genießen einen traumhaften Ausblick. Doch gerade jetzt, wo die Saison startet, geht nichts mehr. Kade darf wegen der Corona-Maßnahmen nicht öffnen. Seine 16 Vollzeit-Mitarbeiter musste er in Kurzarbeit schicken. Bei einem Abendessen mit der Familie brachen kürzlich alle Dämme. "Da habe ich zehn Minuten lang geschluchzt", so der 49-Jährige. Das sei pure Verzweiflung gewesen. Kade sorgt sich um das eigene Lebenswerk.

Spargel-Drive-In in Klaistow

Mit Außer-Haus-Verkauf halten sich viele Gastronomen in der Region über Wasser und bei den Gästen in Erinnerung. Der Spargelhof "Buschmann und Winkelmann" in Klaistow nahe Beelitz hat dafür sogar ein Fastfood-Konzept kopiert und adaptiert. In der Einfahrt zum Parkplatz schauen Autofahrer auf eine große gelb-blaue Speisekarte. Dann heißt es Anstellen und bestellen. In einem geliehenen Food-Truck wird Schnitzel gebrutzelt und Spargel gekocht. Auch hier gibt es die Gerichte nur "to go".

"Einige hundert Portionen verkaufen wir täglich", sagt Küchenchef Timm Kleist. Das ist ein kleiner Lichtblick, mehr nicht. Denn normalerweise brummt zu dieser Jahreszeit das Geschäft auf dem Spargelhof und im dazugehörigen Scheunenrestaurant. An einem guten Sonntag gehen schon mal 6.000 Essen über den Tresen. Doch daran ist in Corona-Zeiten nicht zu denken. Mit dem neuen Drive-In sowie Online-Verkäufen kann das Unternehmen aber zumindest den Schaden etwas begrenzen. 25 der 100 Mitarbeiter können so weiter beschäftigt werden. "Wir wollen wenigstens mit einem blauen Auge aus dem Jahr herauskommen", sagt Spargelhof-Geschäftsführerin Antje Winkelmann.

Essen "to go" mit Abstand abholen | Quelle: rbb/Karsten Zummack

Storno-Welle schon vor dem Lockdown

Noch hoffnungsloser beurteilen viele Hoteliers die aktuelle Situation. Denn sie haben kaum Alternativen. "Dabei habe ich jeden Monat 100.000 Euro Fixkosten", rechnet Burkhard Scholz hoch. Der 63-Jährige betreibt in Potsdam das Inselhotel "Hermannswerder". Insgesamt hat der Unternehmer bislang etwa 20 Millionen Euro in das Haus investiert. Es zählt 176 Betten, drei Bars, einen kleinen Bootshafen, Spa- und Wellnesscenter. Doch seit Mitte März ist das Haus komplett geschlossen.

Schon lange vor dem deutschen Lockdown zeichnete sich die Misere ab. "Bereits Ende Februar wurden die ersten Firmenkonferenzen abgesagt", erinnert sich der Hotelier. Nach den Geschäftsreisenden blieben auch viele Privattouristen weg. Es folgte die verordnete Zwangsschließung. Die 70 Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt. "Der groß angekündigte Rettungsschirm ist noch nicht angekommen", kritisiert Burkhard Scholz. Er wünscht sich mehr Unterstützung von der Politik. Jetzt hat er einen weiteren Kredit beantragt, um das Inselhotel zumindest bis zum Jahresende fortführen zu können.

Von einer möglichen Lockerung mit Auflagen und Abstandsregelungen verspricht sich der Hotelier wenig. Denn dafür müsste er wohl das gesamte Team aus der Kurzarbeit zurückholen, auch wenn nur jeder zweite Tisch besetzt würde. "Das rechnet sich in keiner Weise", so Scholz. 

Geschlossen: der Campingplatz "Riegelspitze" in Werder | Quelle: rbb/Karsten Zummack

Zuversicht auf dem Campingplatz

Etwas optimistischer ist Fanny Kinkel. Sie betreibt den Campingplatz "Riegelspitze" in der Blütenstadt Werder. Auch hier ist im Moment nichts los. Die 250 Camping-Stellplätze, 60 Ferienhäuser sowie 90 Wasser-Liegeplätze an der Steganlage dürfen nicht vermietet werden. "Damit sind bereits im April 120.000 Euro Einnahmen ausgefallen", klagt Fanny Kinkel. Doch sie kann sich vorstellen, dass zumindest die Ferienhäuser bald wieder bezogen werden können. Schließlich haben diese Unterkünfte eigene Bäder und Toiletten. Die Übergabe könne sogar kontaktlos funktionieren, verspricht die Campingplatz-Betreiberin.

Hoffnung auf Staatshilfen

Bundesweit ist jeder dritte Betrieb im Gastgewerbe von Insolvenz bedroht, warnt die Branche. Auch in Brandenburg droht ein Desaster. "Tausende Unternehmen stehen vor dem Aus", sagt der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Potsdam, Mario Tobias. Das Gastgewerbe sei am massivsten von den Einschränkungen betroffen.

Die angekündigte Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie soll helfen. Reichen wird das aber wohl nicht, sind sich Branchenvertreter einig. Laut Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) wird überlegt, wie Unternehmen "schnell und effizient" geholfen werden kann. Darauf wäre auch Mario Kade angewiesen. "So wie jetzt halten wir vielleicht noch bis Juni durch", schlägt der Potsdamer Gastwirt Alarm.

Sendung: Inforadio, 01.05.2020, 08:44 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

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