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Serie "Wahlfahrt" | Inforadio | 21.08.2014

Zweiländer-Cops auf Einbrecherjagd

Nach der umstrittenen Polizeireform ist die Kriminalitätsrate in Brandenburg gestiegen. Vor allem im Speckgürtel rund um Berlin häufen sich die Einbrüche, die Täter werden seltener ermittelt. Kein Wunder also, dass die umstrittenen Polizeireform zum Thema für die Landtagswahl geworden ist. Von Alex Krämer

Zum Hören

Serie "Der rote Stuhl" | 21.08.2014

Der Preis der Freiheit

Vor fast sieben Jahren wurden die Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze abgeschafft. Die 24 Grenzgemeinden in Brandenburg bekommen seither nicht nur die Freiheit, sondern auch die negativen Seiten der Öffnung zu spüren: Autodiebstähle oder Einbrüche häufen sich. Von Hanno Christ  

Große Grundstücke, alte Eichen, schicke Häuser mit ebenso schicken Autos davor - dass Einbrecher die ruhigen Kleinmachnower Wohnstraßen mögen, ist kein Wunder. Bei Dieter Puschmann kamen sie, während er in Urlaub war. Danach war der Tresor mit Familienschmuck weg - die Täter haben ihn aus der Schlafzimmerwand gebrochen. "Sie haben frecherweise sogar noch unsere Schubkarre genommen und sie zum Abtransport des Tresors benutzt." Es sei ein unheimliches Gefühl, dass jemand im Haus war, sagt Puschmann. "Hier oben haben wir sogar eine Überwachungskamera, die eigentlich nicht jeder sofort sieht. Die haben sie auch noch weggedreht." Jetzt macht er sich Gedanken, wer kann so etwas alles wissen kann.

Professionelle Banden im Speckgürtel

Gut 1.300 Einbrüche gab es 2009 im Speckgürtel, 2013 waren es mit 2.500 schon fast doppelt so viele. Für diese Einbrüche gibt es eine eigene Polizeieinheit - die "Gemeinsame Ermittlungsgruppe" in Potsdam, in der Berliner und Brandenburger Polizisten zusammenarbeiten. Sie hat zwei Chefs, einen aus Berlin, einen aus Brandenburg. Michael Giehl ist der Berliner Kopf der Gruppe. Seiner Ansicht nach sind hier keine Gelegenheitsdiebe am Werk. "Wir haben es überwiegend mit professionellen Banden zu tun, die eigens hier einreisen um Straftaten zu begehen." Die Banden hielten sich oft mehrere Monate hier auf und fänden nach Erkenntnissen der Ermittler überwiegend im Berliner Gebiet anonym Unterschlupf. "Dann begehen sie gezielt Einbrüche in Berlin und im Speckgürtel."

Darum geht's

Die Polizeireform ist bei allen Parteien Wahlkampfthema. Die FDP bezeichnet die Reform als gescheitert. Die SPD hat ihr Ziel, 2019 in Brandenburg mit nur noch 7.000 Polizisten auszukommen, mittlerweile beerdigt. Neue Zielzahl: 7.800. Die CDU fordert mindestens 8.000 Polizisten. Die Linke sagt, es dürfe nicht um Personalabbau gehen. Auch die Grünen finden, es sei richtig gewesen, die Zahl nach oben anzupassen. Aktuell gibt es in Brandenburg noch etwa 8.400 Polizisten.

Verdeckte Aktionen sind gefragt

Neben guten Fenstern und Türschlössern, helfe eben auch die Polizei gegen die Einbrüche, meint Thomas Latzo, der Brandenburger Chef der Einbrecherjäger. "Wir müssen auch Präsenz zeigen - wobei der Bürger nicht unbedingt gleich wissen muss, wenn die Polizei vor Ort ist", so Latzo. Der Funkwagen zum Beispiel sei an sich noch keine Erfolgsgarantie, da diese organisierten Gruppen sich vorab sehr gut über das Gebiet informieren. "Wenn dann dort ein Funkwagen kommt, lassen sie ihn vorbeifahren und steigen anschließend in ein Haus ein." Besser seien also verdeckte Aktionen, bei denen man den Polizisten nicht als Polizisten erkennt.

Aber auch für verdecktes Ermitteln braucht es Polizisten. Die aber gebe es nicht mehr in ausreichendem Maß, heißt es von der Gewerkschaft der Polizei. Deren Landeschef Andreas Schuster sieht den Ausgangspunkt für die jetzige Situation im Speckgürtel in einem drastischen Stellenabbau bei der Polizei. "Der schränkt uns jetzt in der Bekämpfung ein."

Innere Sicherheit - Das wollen die Parteien

Ausgangslage

In Sachen innere Sicherheit und Kriminalität gibt es in Brandenburg gleich zwei Gebiete mit besonderen Problemen. Nummer eins:  die Grenzregion zu Polen. Dort haben besonders Autodiebstähle deutlich zugenommen, und auch Landmaschinen wie Trecker wurden häufiger geklaut und über die Grenze geschafft. Dass Hundertschaften der Bereitschaftspolizei eigens an die Grenze verlegt wurden, hat daran noch nichts geändert.

Problemfeld Nummer zwei ist die Kriminalität Berliner Umland. Im Speckgürtel gibt es vor allem mehr Einbrüche – 2009 waren es noch gut 1.300, 2013 dagegen fast 2.500 – annähernd eine Verdoppelung. Gleichzeitig werden die Täter deutlich seltener ermittelt als früher.  

Die Opposition im Land bringt dies auch mit der umstrittenen Polizeireform in Verbindung – durch sie sollte die Zahl der Polizisten in Brandenburg bis 2019 von 8.900 auf 7.000 sinken. Ein Ziel, von dem sich inzwischen aber auch die SPD verabschiedet hat – 7.800 lautet jetzt die neue Zielzahl. Aktuell gibt es in Brandenburg noch etwa 8.400 Polizisten.

SPD

Die SPD verteidigt die Polizeireform, sie habe die Grundlage für eine moderne Polizei gelegt, indem Führungsstrukturen abgebaut wurden. Dennoch revidiert die Partei den Personalabbau. Statt des geplanten Abbaus von 8.900 auf 7.000 Stellen sieht die SPD nun 7.800 Stellen im Jahr 2020 vor.

Um die Grenzkriminalität in den Griff zu bekommen, soll die Zusammenarbeit mit polnischen Einsatz- und Ermittlungskräften sowie mit der Bundespolizei verstärkt werden.

Um die gestiegene Zahl der Wohnungseinbrüche zu bekämpfen, will die SPD die Einbruchsschutz- und Sicherheitsmaßnahmen stärker fördern. Die Präventionsarbeit der Polizei soll von derzeit 50 auf 120 Beamte aufgestockt werden.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger SPD

CDU

Für die CDU steht das Thema Innere Sicherheit ganz oben im Wahlkampf. Die Polizeireform der Landesregierung ist nach Ansicht der Union gescheitert. Die Partei verspricht, dass es im Land mindestens 8.000 Polizisten geben wird – 200 mehr als die SPD erhalten will. Zudem sollen alle Polizeireviere in Brandenburg rund um die Uhr geöffnet bleiben.

Um die Grenzkriminalität zu bekämpfen, will die CDU in den Grenzregionen dauerhaft 100 zusätzliche Polizeibeamte einsetzen und die länderübergreifende Zusammenarbeit weiterentwickeln.

Zur wirksamen Verfolgung von Wohnungseinbrüchen macht sich die CDU für den Ausbau von spezialisierten Einbruchskommissariaten stark, zudem sollen Einbruchsschutzmaßnahmen in Privatwohnungen besser steuerlich absetzbar sein.

Auch will die CDU eine spezielle kriminalistische Ausbildung bei der Brandenburger Polizei einführen und der steigenden Internet-Kriminalität mit qualifiziertem Personal begegnen.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger CDU

Linke

Die Linke nennt bei der Polizeireform keine Zielzahl für Personal. Allgemein heißt es: Der Personalabbau darf bei der Reform nicht im Zentrum stehen, die flächendeckende Präsenz der Polizei soll erhalten bleiben, die Kooperation mit den Kommunen ausgebaut werden.

Zur Bekämpfung der Grenzkriminalität will auch die Linke die Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden verbessern, und weitere gemeinsame Streifen und Ermittlungsgruppen schaffen.

Zur Prävention von Kriminalität will die Linke die Ursachen stärker bekämpfen und dazu Pilotprojekte auf kommunaler Ebene schaffen, die allerdings nur wolkig beschrieben werden. Kritisch wie keine andere Partei steht die Linke dem Verfassungsschutz gegenüber: Perspektivisch will sie ihn auflösen, in einem ersten Schritt soll er seine "Bildungsarbeit" an Schulen einstellen.

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Grüne

Die Grünen begrüßen, dass die Landesregierung die Polizeireform korrigiert hat und wollen, dass mit der neuen Zielzahl auch eine Anpassung der Konzeption einhergeht. Dazu will die Partei ein langfristiges Personalentwicklungskonzept auf den Weg bringen und die Kooperation mit polnischen Polizeibeamten stärken.

Einen eigenen Akzent setzt die Partei bei den Eingriffsbefugnissen wie der automatischen Kennzeichenfahndung, Handy-Ortung und der Vorratsdatenspeicherung. All das wollen die Grünen nur bei einem konkreten Tatverdacht zulassen. Zudem wollen die Grünen ein unabhängiges Beschwerdemanagement für die Polizeiarbeit aufbauen und die Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten schaffen, der bei Konflikten zwischen Bürgern und Polizei vermitteln soll.

Den Verfassungsschutz wollen die Grünen umfassend reformieren, sie fordern verbindliche und kontrollierbare Regeln zur Kooperation der Sicherheitsbehörden.

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FDP

Auch die FDP hält die Polizeireform für gescheitert und hält eine personelle Stärkung der Polizei für unerlässlich – ohne Zahlen zu nennen. Die Leistungsbereitschaft der Beamten soll durch mehr Beförderungen und Gehaltszuschläge gesteigert werden, die Pensionsaltergrenzen will die FDP überprüfen.

Zur Bekämpfung der Grenzkriminalität will die FDP zusammen mit der Polizei und den Bürgern ein langfristig tragendes Konzept erarbeiten.

Den Verfassungsschutz will die FDP durch eine effektivere parlamentarische Kontrolle transparenter machen.

Hier geht's zum Wahlprogramm der Brandenburger FDP

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Beitrag von Alex Krämer

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