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Audio: Inforadio | 28.03.2020 | Marcus Latton | Quelle: dpa/Fabian Sommer

Geschlossene Gotteshäuser

So gehen Berliner Moscheen mit der Corona-Krise um

Das Freitagsgebet in der Moschee ist gläubigen Muslimen heilig - und auch sonst sind die Gebetsräume für sie wichtige Orte des Zusammenkommens. Wegen der Corona-Krise bleiben sie vorerst aber zu. Für viele Berliner Muslime eine schwierige Situation. Von Marcus Latton

Die Şehitlik-Moschee am Columbiadamm in Neukölln mit ihren zwei Minaretten ist das größte islamische Gotteshaus in Berlin. Betrieben wird sie vom Islamverband Ditib, einem Ableger der staatlich-türkischen Religionsbehörde Diyanet. Bis zu 1.500 Menschen finden hier normalerweise Platz zum Beten. Doch damit ist vorerst Schluss.

Freitagsgebete, Hochzeiten, religiöse Feste wie der bevorstehende Ramadan – alles abgesagt wegen des Coronavirus. Alle Religionsgemeinschaften sind von den Einschränkungen betroffen. Für die Gläubigen sei die aktuelle Situation eine "Tragödie", sagt der Vorsitzende der Şehitlik-Moschee, Yakup Ayar. "Moscheen sind keine einfachen Gebetsräume für uns, sondern Orte der Begegnung, der Liebe, der Freundschaft, der Solidarität, des Zusammenkommens." Sich von ihnen fern halten zu müssen, sei äußerst schwierig.

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Seelsorge per Telefon und Social Media

Die einzigen Rituale, die derzeit noch in der Şehitlik-Moschee stattfinden, sind die Totengebete. Doch auch die sind mit strengen Auflagen verbunden: Nicht mehr als zehn Personen dürfen dafür die Moscheen betreten. "Natürlich kommt es dann manchmal vor, dass einige mehr da sind, die wir dann nicht in die Moschee reinlassen dürfen. Das ist traurig, aber wir müssen uns an die Regeln halten", sagt Ayar.

Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, eines weiteren islamischen Verbands, dem auch in Berlin viele Moscheen angehören, beschreibt, wie sehr viele Muslime unter dem geltenden Kontaktverbot leiden. Zwar würden die meisten versuchen, von zu Hause aus ihren religiösen Pflichten wie den Gebeten nachzukommen und telefonisch oder über die sozialen Medien mit Imamen und anderen Gemeindemitgliedern in Verbindung zu bleiben. Doch die Isolation lasse in vielen Haushalten schlummernde Konflikte ausbrechen, sagt Kesici. "Viele Gemeindemitglieder rufen an, weil sie Panikattacken bekommen und sich jetzt die Existenzfrage stellen." Unter den Anrufern seien auch viele Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert seien. Außerdem bahnten sich die ersten Ehekrisen an.

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Moscheen drohen Finanznöte

Noch weitaus verheerender dürfte viele Moschee-Gemeinden indes das Ausbleiben von Spenden treffen. In Ditib-Einrichtungen wie der Şehitlik-Moschee werden die Gehälter der Imame vom türkischen Staat bezahlt. Auch das Grundstück gehört der Türkei. Kleinere Moscheen, die lediglich Räume mieten, müssen sich laut Kesici jedoch durch freiwillige Abgaben der Gläubigen größtenteils selbst finanzieren.

Sie müssten jetzt darüber nachdenken, die Gemeindemitglieder einzeln anzusprechen oder Spendenaufrufe zu starten, damit die Moscheen ihre Mieten und Personalkosten decken könnten. "Das sind Sachen, über die wir uns zur Zeit Gedanken machen. Aber eine Lösung haben wir noch nicht gefunden. Ich glaube, das wird eine finanziell sehr schwere Zeit für viele Gemeinden", so Kesici.

Beitrag von Marcus Latton

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