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Video: Abendschau | 23.04.2020 | Petra Gute | Quelle: Port au Prince Pictures

Deutscher Filmpreis 2020

"Systemsprenger" gewinnt acht Lolas

Das Drama um ein wütendes, gewalttätiges Mädchen ist der große Gewinner des Deutschen Filmpreises: "Systemsprenger" räumte in den wichtigsten Kategorien ab - darunter Bester Film und Beste Hauptdarsteller. Direkt entgegennehmen konnten die Geehrten die Lolas aber nicht.

Das Drama "Systemsprenger" hat die Goldene Lola als bester Spielfilm gewonnen. Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises am Freitagabend räumte das Film um ein gewaltätiges Mädchen, an dem das Fürsorgesystem scheitert, insgesamt acht Lolas ab. 

Helena Zengel - zugeschaltet aus der heimischen Küche. | Quelle: rbb

Der erste Preis des Abends ging gleich an Helena Zengel. Die mittlerweile Elfjährige wurde für ihre Darstellung des Mädchens Benni in "Systemsprenger" als beste Hauptdarstellerin geehrt. Zengel, die für die Ehrung live aus der heimischen Küche zugeschaltet wurde, reagierte mit einem lauten Freudenschrei.

Zudem wurde "Systemsprenger"-Regisseurin Nora Fingscheidt sowohl für das beste Drehbauch als auch für die beste Regie ausgezeichnet. Die Autorin meldet sich aus Vancouver und dankte "allen, die die Jahre des Drehbuchschreibens" begleitet hätten. Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide erhielt den Preis als beste Nebendarstellerin. Die Lolas für Schnitt und Tongestaltung gingen ebenfalls an "Systemsprenger".

Schauspieler Albrecht Schuch gleich zweimal geehrt

Auch der Preis für die Beste männliche Hauptrolle ging an "Systemsprenger". Für Schauspieler Albrecht Schuch war es bereits die zweite Lola des Abends: Der 34-Jährige war zuvor für die Beste männliche Nebenrolle in "Berlin Alexanderplatz" geehrt worden.

Die Literaturverfilmung wurde außerdem für die Beste Kamera, für das Beste Szenenbild und die beste Filmmusik jeweils mit einer Lola geehrt. In der Kategorie Bester Film erhielt "Berlin Alexanderplatz" die Silberne Lola. Mit der Lola in Bronze wurde "Es gilt das gesprochene Wort" ausgezeichnet.

Moderator Edin Hasanovic und Laudatorin Anke Engelke | Quelle: rbb

Fernsehshow mit Live-Schalten statt großer Gala

Mit "Happy Birthday, liebe Lola" eröffnete Moderator Edin Hasanovic die Filmpreisverleihung. In ihrem 70. Jahr sah die Verleihung ganz anders aus als frühere Galas. Denn auch hier galt wegen der Corona-Pandemie: social distancing. Und so wurde statt einer glamourösen Veranstaltung mit zahlreichen Gästen im Palais am Funkturm in diesem Jahr eine Fernsehshow aus einem Studio in Adlershof übertragen. 

Hasanovic tanzte einsam, aber mit vollem Körpereinsatz über die Bühne, mit nur wenigen Gästen – darunter die Laudatoren Iris Berben und Ronald Zehrfeld. Der Moderator schlug in seiner Eröffnungsrede auch politische Töne an und erinnerte an die schlechte Lage der Filmbranche, aber auch an rechte Anschläge wie in Hanau oder Halle. Der Schauspieler fand jedoch immer wieder zu einer leichteren Tonlage zurück – auch dank gespielter Anweisungen aus der Regie, die Hasanovic scheinbar wieder zurückpfiff.

Nachdenkliche Worte fand auch Filmakademie-Präsident Ulrich Matthes, der zusammen mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ebenfalls im Studio war. Viele Menschen machten sich Sorgen um ihre Gesundheit und ihre finanzielle Lage, so der Schauspieler: "Aber bitte vergesst die Kultur nicht". Die Künste seien wichtig für das Leben – "die Künste sind sozusagen auch Lebensmittel", sagte Matthes: "Dieser Abend soll ein solidarisches Unterhaken mit den anderen Künsten sein, auch wenn wir heute den Film feiern."

Ehrenpreis für Regisseur Edgar Reitz

Für seine Verdienste um den deutschen Film wurde Regisseur Edgar Reitz ("Heimat") mit dem Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie ausgezeichnet. Kino sei eine "künstlerische Sprache der Welt, die unabhängig ist von allen Kulturen und allen Sprachen", sagte Reitz in seiner Dankesrede - ehe er mit seiner Frau auf die Lola anstieß: "Ein Prost auf das Kino der Zukunft."

Die Lola für den besten Dokumentarfilm ging an "Born in Evin" von Regisseurin und Schauspielerin Maryam Zaree. Bester Kinderfilm wurde "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl". Die Komödie "Das perfekte Geheimnis" mit Elyas M'Barek wurde als besucherstärkster Film ausgezeichnet.

Die Lolas gelten als wichtigste nationale Auszeichnung in der Filmbranche. Die rund 2.000 Mitglieder der Deutschen Filmakademie stimmten über die meisten Gewinner ab. Die Preise sind mit insgesamt fast drei Millionen Euro für neue Projekte dotiert, das Geld kommt aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Grütters.

Preisträger und Nominierungen

Bester Spielfilm

Lola in Gold: Systemsprenger (Peter Hartwig, Jonas Weydemann, Jakob D. Weydemann)

Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal wo Benni hinkommt, die wilde Neunjährige fliegt sofort wieder raus. Benni ist das, was im Jugendamt inoffiziell als "Systemsprenger" bezeichnet wird. Dabei will Benni nur Liebe, Geborgenheit und wieder bei ihrer Mama wohnen. Doch die hat Angst vor ihrer unberechenbaren Tochter. Als es keinen Platz mehr für Benni zu geben scheint, versucht der Anti-Gewalttrainer Micha, dem Mädchen zu helfen.

Lola in Silber: Berlin Alexanderplatz (Leif Alexis, Jochen Laube, Fabian Maubach)

Der deutsch-afghanische Regisseur Bruhan Qurbani hat den Roman von Alfred Döblin ins heutige Berlin verlegt. Er erzählt die Geschichte von Francis, der aus Ghana geflüchtet ist und in Berlin auf ein besseres Leben hofft. Sein Versuch, ein anständiges Leben zu führen, scheitert aber.

Lola in Bronze: Es gilt das gesprochene Wort (Ingo Fliess)

Die selbstbewusste Pilotin Marion trifft in einem türkischen Ferienort den charmanten Baran, der sich als Prostituierter durchschlägt. Sie lässt sich von dem jungen Mann überreden, mit ihm eine Scheinehe einzugehen und ihn mit nach Deutschland zu nehmen - obwohl sie bereits eine Beziehung zu einem anderem Mann hat. Baran gibt alles, um seine Chance auf ein neues Leben zu nutzen. Das beeindruckt Marion.

Lara (Marcos Kantis, Martin Lehwald, Michal Pokorny)

Die rbb-Koproduktion erzählt von einer schwierigen Mutter-Sohn-Beziehung. An Laras 60. Geburtstag gibt ihr Sohn Viktor das wichtigste Klavierkonzert seiner Karriere. Eigentlich ein Grund zur Freude für Lara, hat sie doch seinen muskalischen Werdegang forciert. Doch Viktor ist für sie seit Wochen nicht erreichbar und nichts deutet darauf hin, dass sie beim Konzert ihres Sohnes erwünscht ist. Kurzerhand kauft Lara sämtliche Restkarten auf und verteilt sie an jeden, dem sie an diesem Tag begegnet. 

Lindenberg! Mach dein Ding (Michael Lehmann, Günther Russ, Johannes Polmann)

Schon früh träumt Udo Lindenberg von einer Karriere als Musikstar. Der biografische Film erzählt von den steinigen Anfängen des Panik-Rockers, die ihn von Hamberg bis in die libysche Wüste und nach Ost-Berlin führen. Mit gebrochenem Herzen und neuen Liedern im Kopf kehrt Udo Lindenberg schließlich nach Hamburg zurück.

Undine (Florian Koerner von Gustorf, Michael Weber, Margaret Menegoz)

Undine lebt ein typisches Berliner Großstadtleben - doch sie hat ein dunkles Geheimnis. Als sie von ihrem Freund verlassen wird, holt sie ein Fluch ein: Undine muss den Mann, der sie verrät, töten und ins Wasser zurückkehren, aus dem sie einst gerufen wurde. Doch Undine wehrt sich gegen ihre Bestimmung. Regisseur Christian Petzold hat für seinen deutsch-französischen Spielfilm den Undine-Mythos über einen jungfräulichen Wassergeist neu interpretiert.

Beste weibliche Hauptrolle

Lola-Gewinnerin: Helena Zengel (Systemsprenger)

Anne Ratte-Polle (Es gilt das gesprochene Wort)

Alina Serban (Gipsy Queen)

Beste männliche Hauptrolle

Lola-Gewinner: Albrecht Schuch (Systemsprenger)

Welket Bungué (Berlin Alexanderplatz)

Jan Bülow (Lindenberg! Mach dein Ding)

Beste weibliche Nebenrolle

Lola-Gewinnerin: Gabriela Maria Schmeide (Systemsprenger)

Jella Haase (Berlin Alexanderplatz)

Lisa Hagmeister (Systemsprenger)

Beste männliche Nebenrolle

Lola-Gewinner: Albrecht Schuch (Berliner Alexanderplatz)

Godehard Giese (Es gilt das gesprochene Wort)

Pasquale Aleardi (Ich war noch niemals in New York)

Bestes Drehbuch

Lola-Gewinnerin: Systemsprenger (Nora Fingscheidt)

Berlin Alexanderplatz (Martin Behnke, Burhan Qurbani)

Es gilt das gesprochene Wort (Nils Mohl, Ilker Çatak)

Beste Regie

Lola-Gewinnerin: Systemsprenger (Nora Fingscheidt)

Berlin Alexanderplatz (Burhan Qurbani)

Es gilt das gesprochene Wort (Ilker Çatak)

Bester Dokumentarfilm

Lola-Gewinner: Born in Evin (Alex Tondowski, Ira Tondowski)

Heimat ist ein Raum aus Zeit (Heino Deckert)

Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien (Frieder Schlaich, Irene von Alberti)

Bester Kinderfilm

Lola-Gewinner: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (Jochen Laube, Fabian Maubach, Clementina Hegewisch)

Fritzi – eine Wendewundergeschichte (Ralf Kukula, Richard Lutterbeck)

Beste Filmmusik

Lola-Gewinnerin: Berlin Alexanderplatz (Dascha Dauenhauer)

Deutschstunde (Lorenz Dangel)

Systemsprenger (John Gürtler)

Beste visuelle Effekte und Animation

Lola-Gewinner: Die Känguru-Chroniken (Jan Stoltz, Claudius Urban)

Berlin Alexanderplatz (Frank Kaminski)

Ich war noch niemals in New York (Sven Martin)

Bestes Maskenbild

Lola-Gewinner: Lindenberg! Mach dein Ding (Astrid Weber, Hannah Fischleder)

Ich war noch niemals in New York (Gerhard Zeiss)

Narziss und Goldmund (Helene Lang)

Bester Schnitt

Lola-Gewinner: Systemsprenger (Stephan Bechinger, Julia Kovalenko)

Mein Ende. Dein Anfang. (Andreas Menn)

Pelikanblut (Heike Gnida)

Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien (Bettina Böhler)

Bestes Kostümbild

Lola-Gewinnerin: Lindenberg! Mach dein Ding (Sabine Böbbis)

Freies Land (Ingken Benesch)

Ich war noch niemals in New York (Thomas Olàh, Nora Bates, Frank Wilde)

Bestes Szenenbild

Lola-Gewinnerin: Berlin Alexanderplatz (Silke Buhr)

Freies Land (Tim Tamke)

Ich war noch niemals in New York (Matthias Müsse)

Narziss und Goldmund (Sebastian Soukup)

Beste Tongestaltung

Lola-Gewinner: Systemsprenger (Corinna Zink, Jonathan Schorr, Dominik Leube, Oscar Stiebitz, Gregor Bonse)

Berlin Alexanderplatz (Simone Galavazi, Michel Schöpping)

Undine (Andreas Mücke-Niesytka, Martin Steyer, Dominik Schleier, Benjamin Hörbe, Bettina Böhler)

Beste Kamera / Bildgestaltung

Lola-Gewinner: Berlin Alexanderplatz (Yoshi Heimrath)

Deutschstunde (Frank Lamm)

O Beautiful Night (Jieun Yi)

Besucherstärkster Film

Lola-Gewinner: Das perfekte Geheimnis (Regie: Bora Dagtekin, Produktion: Lena Schömann)

Ehrenpreis

Lola-Gewinner: Edgar Reitz, Regisseur und Filmproduzent ("Heimat")

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