rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: Inforadio| 08.04.2019 | Christian Wildt im Interview mit Florian Kaiser | Quelle: dpa/Steinberg

Interview | Sozialpsychologe zum Klimawandel

"Umweltbewusstes Handeln ist mit Schmerzen verbunden"

Der Umwelt zuliebe verzichten viele auf Plastik und Fleisch. Auf ein generelles Tempolimit hat trotzdem keiner Lust. Der Sozialpsychologe Florian Kaiser erklärt, warum wir zwar im Herzen grün überzeugt sind, aber nicht im Verhalten. 

rbb Inforadio: Herr Kaiser, bald haben wir mehr Plastik in den Weltmeeren als Fische. Ein Drittel der Menschen möchte strengere Gesetze beim Fischfang. Aber wenn man dann weiter fragt, ist nur noch einer statt drei Menschen bereit, dafür auch weniger Fisch zu essen. Logisch ist das nicht.

Florian Kaiser: Die Inkonsistenz kommt zustande einerseits, weil wir auf der einen Seite meinen, dass wir eine bestimmte Meinung haben zum Klima, zum Umweltschutz. Das drücken wir dann auch mit der Sprache aus, und sagen: Ja ich finde, wir sollten wirklich mehr tun für den Umweltschutz. Auf der anderen Seite zeigt sich, was wir tatsächlich tun. Und da beginnt das Problem, dass das Tun mit gewissen "Schmerzen", oder wie wir das eben nennen, mit Verhaltenskosten verbunden ist. 

Zur Person

Florian Kaiser ist Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Zu seinen Forschungsgebieten gehören individuelle Einstellung und Verhaltenssteuerung. 

Im Jahr werden rund drei Milliarden Coffee-to-go-Becher gekauft, dafür müssen 43.000 Bäume sterben. Dazu kommen 1,5 Milliarden Liter Wasser - Strom für eine mittelgroße Stadt in Deutschland. Wegen der schlechten Bilanz kaufen wir also einen Mehrweg-Becher und lassen den am Ende zu Hause liegen. Warum?

Das ist ein typisches Beispiel: Man denkt am Morgen nicht daran, den Mehrweg-Becher mitzunehmen. Oder er ist noch nicht gespült vom vorherigen Tag. Oder ich denke, ich gehe nur einen Moment raus und bin dann doch versucht, bei einer spontanen Entscheidung beim Coffee-Shop vorbeizugehen. Und all diese Faktoren zusammen führen häufig dazu, dass wir unsere Becher nicht dabei haben.

Wir sind für E-Mobilität, sehen dann aber sofort die Probleme, zum Beispiel fehlende Batterie-Ladestationen. Das heißt, oft verengen die Menschen die Argumentation auf das Negative und nicht das, was sein könnte?

Sie haben vollkommen recht, sobald man an ein ganz konkretes Verhalten denkt (Elektroauto, Fleischverzicht), werden die Leute ganz stark auf die Dinge aufmerksam, die ihnen dann fehlen würden. Das heißt, sie überlegen sich, was spricht dagegen; sie suchen eigentlich Gründe, um dieses Verhalten nicht zeigen zu müssen.

Mehr zum Thema

rbb|24-Datenauswertung

Klimawandel: Das erwartet Berlin und Brandenburg bis 2100

  

Die Umweltdiskussion ist schon jahrzehntealt. Wir haben aber nicht kleinere, sondern dickere Autos bekommen. Es hat also offenbar nicht gewirkt, den Leuten ins Gewissen zu reden.

Das würde ich in der Form nicht unterschreiben. Wir haben gerade eine längere Studie gemacht. Und haben die Umweltbundesamtsdaten erneut analysiert zur Umweltbewusstseinsstudie in den letzten 22 Jahren und haben dabei festgestellt, dass wir eine leichte Zunahme verzeichnen.

Die Leute sind also umweltbewusster, aber sind sie auch bereit, etwas dafür zu tun?

Ein bisschen bereiter. Aber genau das ist der Knackpunkt: Ein bisschen bereiter ist nicht genug, und nicht viel.

Den Leuten ins Gewissen zu reden, hat Ihrer Meinung nach ein bisschen was gebracht. Und trotzdem gibt es so richtige Fehlaktionen. Zum Beispiel haben die Grünen versucht, einen Veggie-Day zu propagieren und sind damit fürchterlich auf die Nase gefallen. Warum?

Das ist eine Zwangsmaßnahme und jeder muss sich danach richten. Es ist ja nicht der Vorschlag gemacht worden, wir wollen uns flexibel daran gewöhnen, zumindest einen Tag ohne Fleischessen zu verbringen. Sondern es wurde die Forderung gestellt, wir müssen alle. Das löst eine Gegenreaktion aus, weil man zu etwas gezwungen werden soll. Das hat also weniger mit dem Inhalt zu tun, als mit der konkreten Forderung in diesem Fall.

Was wirkt denn besser?

Wir können uns auf der einen Seite überlegen, welche Faktoren ein Verhalten schwierig machen. Ich habe das als Verhaltenskosten bezeichnet. Und die sind natürlich je nachdem, worum es sich handelt, Gewohnheit. Seit Jahrhunderten essen wir zum Beispiel Fleisch. Bei der vegetarischen Ernährung müssen wir dann erstmal die Kochgewohnheiten ändern. 

Der Aufwand ist erst einmal gar nicht so gering.

Nein und da geht es auch um Geschmackspräferenzen, die sich bei hier uns kulturell so entwickelt haben. Die Wurstkultur ist ein Teil des kulturellen Hintergrunds, in dem wir leben. Stellen Sie sich mal ein Fußballspiel ohne Würstchen vor.

Meine Wurst auf dem Fußball-Grill ist nicht mehr aus Fleisch, sondern anderen Bestandteilen. 

Hier hat sich ja schon was getan, dass eben solche Nicht-Fleischwürste angeboten werden, das ist ja heute schon fast Standard. Deswegen meine ich: Es verändert sich schon etwas, die Leute sind bereit, neue Produkte anzunehmen, aber nicht in einem Ausmaß, mit dem wir einen tatsächlichen Effekt hätten bei der CO2-Reduktion.

Nun gibt es ja auch Anregungen von Seiten der Psychologen, zu sagen, man muss einen kleinen Schubs, eine kleine Hilfe geben.

Naja, "nudges", wie sie heißen, sind wirksam, weil sie den Versuch darstellen, die Verhaltenskosten etwas zu erleichtern. Wenn ich beispielsweise an einen Apfel beim Mittagessen denken sollte, dann präsentiere ich ihn an der Kasse, wo er einfach sichtbar ist.

... Ich gebe einen Preisnachlass für den Mehrweg-Kaffeebecher.

Das wäre natürlich auch in diesem Sinn ein Anreiz. Jeder Anreiz hat bestimmte Konsequenzen. In diesem Fall: Wenn es Ihnen gelingt, die Verhaltenskosten - in diesem Fall finanziell - zu reduzieren, also reell zu reduzieren, dann werden sie eine höhere Wahrscheinlichkeit für dieses Verhalten finden, das heißt es wird attraktiver für Konsumenten. 

Hintergrund

Infos zur rbb|24-Datenauswertung

So berechnen Forscher das Klima der Zukunft

Wo ist der Unterschied zwischen Klima und Wetter? Was bedeutet "wärmer als vorindustriell"? Und wie berechnet man das Klima der Zukunft? Wissenswertes zur Klimaforschung und den rbb|24-Daten. Von Friederike Steinberg

Funktioniert Herdentrieb besser, als wenn ich mich selbst überwinden muss?

Sie können mit sozialem Druck jede Verhaltensweise wahrscheinlicher machen. Wir versuchen in unserer Arbeitsgruppe darauf hinzuweisen, dass es viel stärker darauf ankommt, die grundsätzliche Motivation für Nachhaltigkeit zu verbessern. Das heißt, nicht einzelne Verhaltensweisen in den Vordergrund zu rücken, sondern die Grundhaltungen der Menschen zum Ziel zu machen. Zurzeit ist das gerade noch nicht im Vordergrund, wenn es um Umweltpolitik geht. 

Wie macht man das?

Das macht man leider nur sehr aufwendig. Woran ich hier denke, sind Bildungsmaßnahmen, die vielleicht schon früh anfangen. Den Kindern zum Beispiel Natur und Naturerlebnisse wieder näher bringen. Man muss ja Sport nicht in der Turnhalle betreiben, sondern mal wieder draußen etwas tun. Damit meine ich nicht, rauszugehen und Bäume umarmen, sondern man sollte schlichtweg Dinge tun, die Spaß machen in einer Umwelt, die mehr oder weniger naturbelassen ist, um eine positive Konnotation aufzubauen mit dieser Umwelt.

Das sind Haltungen, die nur sehr langsam wachsen können, mindestens so langsam wie ein Baum. Sind Sie optimistisch eingestellt oder wird das so lange dauern, bis sich das Klima nicht mehr rückholbar verändert hat?

Ich glaube, ich bin nicht besonders optimistisch, was dieses 2-Grad-Klimaziel anbelangt, muss ich ganz ehrlich sagen. Aber ich bin optimistisch, was den menschlichen Einfallsreichtum anbelangt, um trotz allem lebenswerte Bedingungen aufrechtzuhalten.

Und die letzte Frage an Sie: Klimaschutz heißt für mich …?

… von allem ein bisschen weniger!

Das Gespräch mit Ralf Rother führte Christian Wildt für Inforadio. Dieser Text ist eine gekürzte und redigierte Fassung. Das komplette Interview können Sie oben im Beitrag im Interview hören.

Artikel im mobilen Angebot lesen