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Audio: Inforadio | 30.09.2019 | Interview mit Ronny Jahn (vzbv) | Quelle: dpa/Sina Schuldt

Dieselskandal

Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen beginnt

Mit einer Musterklage versuchen mehr als 400.000 Dieselfahrer, ihre Chancen auf Schadensersatz von Volkswagen zu erhöhen. Der Verbraucherschutz tritt für sie als Kläger auf. Nach langer Vorbereitung kommt es jetzt zum ersten großen Gerichtsverfahren.

Gut vier Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals beginnt am Montag ein Mammutprozess
zwischen klagenden Kunden und dem Volkswagen-Konzern. Dabei wird das neue Instrument der Musterfeststellungsklage angewandt, in diesem Fall ziehen Verbraucherschützer stellvertretend für einzelne Betroffene vor Gericht. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) setzt sich für die Dieselfahrer ein - er tritt am Oberlandesgericht Braunschweig daher als Musterkläger auf.

Der zuständige Vertreter des Verbraucherschutzes, Ronny Jahn, sagte im rbb-Inforadio, Volkswagen habe die Kunden betrogen und müsse diese entschädigen. "Wenn wir recht bekommen, wird deutlich, dass die Verbraucher Schadensersatzansprüche gegen Volkswagen haben und können diese dann auch geltend machen." Die Musterfeststellungsklage soll dafür sorgen, so Jahn, dass auch VW-Kunden, die selber nicht vor Gericht ziehen können oder wollen, ihre Ansprüche geltend machen dürfen.

Platzmangel im Gericht

Die erste mündliche Verhandlung in dem Verfahren verlegten die Richter wegen des erwarteten großen Andrangs in die Braunschweiger Stadthalle. Mehr als 400.000 Dieselkunden haben sich der Musterklage angeschlossen. Der Vorstand des vzbv, Klaus Müller, sieht sie im
Recht: "Unserer Meinung nach hat Volkswagen betrogen und muss deshalb zur Rechenschaft gezogen werden." VW argumentiert dagegen: "Aus unserer Sicht haben die Kunden keinen Schaden erlitten, da alle Fahrzeuge im Verkehr genutzt werden können und sicher sind."

Im September 2015 hatte der Hersteller nach Prüfungen von Behörden und Forschern in den USA Manipulationen an den Abgaswerten von Dieselautos zugegeben. Die Software bestimmter Motoren war so eingestellt, dass im tatsächlichen Betrieb auf der Straße deutlich mehr giftige Stickoxide (NOx) ausgestoßen wurden als in Tests.

Einzelklagen oft ohne Erfolg

Viele Kunden fühlen sich geprellt, auf dem Gebrauchtwagenmarkt ging der Wert von Dieselfahrzeugen rapide in den Keller. Auch im Rahmen von Tausenden individuellen Klagen verlangen sie Schadenersatz, die meisten Einzelurteile gingen bisher allerdings zugunsten von VW aus.

Die Verbraucherzentralen ziehen nun stellvertretend vor Gericht und tragen auch das Prozesskosten-Risiko. Sie sind der Meinung, dass VW seine Kunden mit der Manipulation der Abgasreinigung vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hat. Auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz konnten sich Dieselbesitzer in ein Klageregister eintragen [bundesjustizamt.de].

Kunden müssen Ansprüche individuell durchsetzen

Beim ersten Termin am Montag werde es nun wahrscheinlich zunächst um die Zulässigkeit der Klageanträge gehen, erläuterten die Anwälte. Sie wollen notfalls bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gehen, sehen aber auch die Möglichkeit eines vorzeitigen Vergleichs mit VW. Volkswagen dagegen bezeichnete eine Vergleichslösung wegen der vielen unterschiedlichen Fallkonstellationen bisher als "kaum vorstellbar".

Bei dem Verfahren in Braunschweig geht es erst einmal nur darum, ob VW unrechtmäßig gehandelt hat. Individuelle Ansprüche müssten die Kunden dann mit dem Musterurteil in der Tasche in eigenen Verfahren durchsetzen. Die Musterklage umfasst nur die Marken VW, Audi, Seat und Skoda - und nur Autos mit Dieselmotoren des Typs EA 189, die nach dem 1. November 2008 gekauft wurden und vom Rückruf betroffen waren.

Der vzbv appellierte an den Konzern, sich seiner Verantwortung zu stellen. "Geschieht dies nicht, hätte das Unternehmen die letzte Chance verspielt, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen", sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. Nach Einschätzung von Volkswagen dürfte das Verfahren einschließlich einer möglichen Überweisung zum BGH nach Karlsruhe mindestens vier Jahre dauern.

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