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Video: rbb|24 | 10.2019 | Anne Kohlick, Caroline Winkler | Quelle: rbb|24/Caroline Winkler

Serie: 30 Jahre Mauerfall | Berlin, du bist dufte

Nach vier Generationen ist Schluss mit der Kohle

Dirk Kögler ist einer der letzten Kohlenhändler in Berlin. In der kalten Jahreszeit lag der schwere Geruch nach Ruß und Schwefel früher über der ganzen Stadt. Jetzt beliefert der Kreuzberger nur noch wenige Haushalte. Von Anne Kohlick

"Kohlenhandlung Kögler, guten Tag", sagt Dirk Kögler in den Hörer seines Telefons. An einem guten Tag klingelt es häufig und der Kohlenhändler kann viele Bestellungen in sein Notizbuch aufnehmen. Er schreibt mit Kugelschreiber auf kariertem Papier. "Old school", sagt er nicht ohne Stolz. Einen Computer braucht er nicht in seinem Souterrain-Büro in der Kreuzberger Körtestraße.

"Halben Zentner oder halbe Tonne? Wann wollen Sie die Kohlen haben? Freitag? Das macht dann 161 Euro." Seit vier Generationen handelt Dirk Köglers  Familie in Berlin mit Kohlen. "1909 hat mein Urgroßvater damit angefangen - noch mit Pferdewagen. Und dann hat’s mein Opa gemacht. Aber schon in den 70er Jahren hat der zu mir gesagt: Mit Kohlen ist nüscht mehr los", erinnert sich der 51-Jährige.

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Als die Mauer fiel, schöpften die Kohlenhändler Hoffnung

Im Vergleich zu heute war damals aber noch einiges los mit den Kohlen. Alleine im Westteil der Stadt habe es damals 900 Kohlenhändler gegeben, schätzt Dirk Kögler. "Und jetzt sind vielleicht noch in ganz Berlin acht oder zehn." Als die Mauer fiel, schien es nochmals Aufwind für das  Familienunternehmen zu geben. "Deswegen bin ich zu dieser Zeit in den Betrieb gekommen", sagt Dirk Kögler. "Das waren gefühlt zu 98 Prozent Braunkohle-Öfen, mit denen im Osten geheizt wurde." Ein neuer Markt öffnete sich für die Köglers. "Und so, wie es damals ausgesehen hat im Prenzlauer Berg, da hat man gedacht: Die heizen noch die nächsten 40 Jahre weiter mit Kohle." Aber es kam anders: Im Laufe der 90er sind die meisten Kohleöfen verschwunden. "Wegmodernisiert", sagt Dirk Kögler.

Der Prenzlauer Berg in den frühen 80er Jahren | Quelle: Frank Döring

Über den Sommer zu kommen, ist schwer

Vom Kohlehandel kann er heute nur noch im Herbst und Winter leben. Über den Sommer kommt er, indem er andere Jobs annimmt. "Da muss man sich was einfallen lassen, damit man das übersteht. Die Saison ist zu kurz. Früher war es ein Monat, in dem wenig Arbeit war - jetzt sind es sechs." Er macht Entrümpelungen, hilft, wenn Häuser abgerissen werden, fährt mit seinem Lkw Waren aus für einen Pflanzengroßhandel.

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Wenn der Herbst kommt, ist Dirk Kögler froh, dass er zur Kohle zurück kann. Der Geruch erinnert ihn an seine Kindheit: "Für mich riecht das schön. Ich muss dann daran denken, wie ich als kleiner Junge auf dem Kohlenplatz gespielt habe. Da gab’s zu Hause hinterher großen Ärger, weil die Bude dreckig war." Sein Vater Richard Kögler ist Anfang 70 und Kohlenhändler im Ruhestand. Oft kommt er gegen Mittag ins Geschäft, um dem Sohn Gesellschaft zu leisten. Zusammen schmeißen sie den kleinen Ofen an, der in einer Ecke des Souterrain-Büros steht. "Man muss ordentlich heizen, sonst wird’s klamm hier unten", sagt Dirk Kögler.

Der Urgroßvater fuhr die Kohlen mit Pferdegespann aus

An den Wänden hängen Fotos vom Urgroßvater und seinem Kohlenwagen mit Pferdegespann. Daneben der erste Unimog-Lkw des Unternehmens, mit dem Richard Kögler früher die Kohlen ausgefahren hat. Vater und Sohn stehen nebeneinander und schauen in die Flammen. "Ich kann stundenlang ins Feuer kieken", sagt der Rentner und ärgert sich, dass es in seiner Wohnung keinen Ofen mehr gibt: "Seitdem kriege ich die Bude nicht mehr warm."

Quelle: rbb|24/Caroline Winkler

Stolz, noch immer da zu sein

Eine nächste Generation Kohlen-Kögler wird es nicht geben. "Das ist vorbei" - da sind sich die beiden sicher. Trotzdem ist Dirk Kögler stolz, einer der letzten Kohlenhändler der Hauptstadt zu sein: "Irgendwie müssen wir ja was richtig gemacht haben."

Für ein gemeinsames Foto stellen sich Vater und Sohn draußen vor den Schriftzug an ihrem Geschäft. "Kohlenhandlung" und "Fuhrunternehmen" steht da in großen schwarzen Buchstaben, verwittert, aber noch gut lesbar. "Das muss kurz nach dem Krieg auf die Fassade gemalt worden sein", schätzt Kögler Senior. Wie lange der Schriftzug noch dort bleibt? Bis zu seiner Rente mindestens - das hat sich Dirk Kögler vorgenommen.

Ost- und West-Berlin rochen vor dem Mauerfall unterschiedlich. Viele dieser Gerüche sind heute verschwunden. "Berlin, du bist dufte" sucht nach ihren Spuren und erzählt, wie sich die Düfte der Stadt seit der Wende verändert haben.

Beitrag von Anne Kohlick

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