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Audio: radioeins | 30.04.2020 | Interview DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann | Quelle: dpa/Monika Skolimowska

DGB feiert Tag der Arbeit im Netz

"Wir kämpfen auch virtuell für die Wertschätzung der Arbeit"

Zum ersten Mal in der 130-jährigen Geschichte findet der Tag der Arbeit ohne Demo statt. In Corona-Zeiten kündigt der Deutsche Gewerkschaftsbund an, "mit Anstand Abstand" zu halten. DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann sieht im virtuellen Protest auch Positives.

Zum ersten Mal seit seiner Gründung wird der Deutsche Gewerkschaftsbund am 1. Mai keine großen Straßenkundgebungen abhalten. Zwar solle es kleinere, symbolische Aktionen geben, heißt es, so auch am Brandenburger Tor in Berlin. Wichtigstes Event werde aber eine Live-Sendung sein unter dem Motto: "Solidarisch ist man nicht alleine". Angekündigt sind Interviews, Talks und Musikdarbietungen. Zu sehen ist der Stream u.a. auf der DGB-Website.

rbb: Das Gute an Demonstrationen auf der Straße ist, dass man Stärke demonstriert, und dass man diese Kundgebungen sieht, ob man will oder nicht. Virtuelle Demos kann man dagegen nur aktiv auf der Webseite anschauen. Wie sehr schmerzt sie der Verlust der Präsenz auf der Straße ausgerechnet an dem für Gewerkschaften wichtigsten Feiertag?

Reiner Hoffmann: Die Entscheidung haben wir schon vor Wochen getroffen, also sehr frühzeitig, als wir das Ausmaß der Pandemie noch gar nicht richtig einschätzen konnten. Das ist uns überhaupt nicht leicht gefallen - aber die Gesundheit stand dabei immer im Vordergrund. 

Es ist natürlich immer schmerzlich. Ich hätte dieses Jahr in Hamburg geredet. Kundgebungen mit mehreren Tausend Menschen kann man natürlich nicht im Livestream ersetzen. Auch die Gespräche entfallen, die man sonst mit den Kolleginnen und Kollegen nach den Kundgebungen mit einem Glas Bier am Bratwurststand führen kann. Deshalb haben wir uns Alternativen wie diesen Livestream überlegt. Ich glaube, das wird auch eine ganze bunte Veranstaltung werden und ist auch ein kleiner Digitalisierungsschub für den DGB.

Zur Person

Reiner Hoffmann ist seit 2014 Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). 

Was wird inhaltlich bei Ihrer virtuellen 1.-Mai-Demo passieren?

Hoffmann: Es werden ganz viele Kolleginnen und Kollegen von vor Ort zu Wort kommen, die konkret über ihre jetzigen Erfahrungen berichten. Gestreamt werden natürlich nicht nur Kultur und musikalische Gäste, sondern wir streamen auch unsere politischen Forderungen. Gerade in der Krise sehen wir, wie die sogenannten Heldinnen und Helden des Alltags wertgeschätzt werden. Das ist ja klasse, aber diese Menschen müssen auch ordentlich bezahlt werden. Wertschätzung hat einen Preis. Das werden wir zum Ausdruck bringen.

Kommentar

Kommentar | DGB-Kundgebung im Netz

Gewerkschaftsprotest gehört auf die Straße

     

Machen die Bundesregierung und die Landesregierungen in dieser Krise eigentlich gerade aus Ihrer Sicht einen guten Job, also mit Kurzarbeitergeld und anderen finanziellen Unterstützung?

Es ist im Großen und Ganzen beachtlich, was die Bundesregierung in den letzten Wochen auf die Beine gestellt hat, die Rettungsschirme für die Unternehmen zum Beispiel. Ich begrüße die Anhebung des Kurzarbeitergeldes, das war eine klare Forderung des DGB. Ich hätte es besser gefunden, wenn die Anhebung früher gekommen wäre.

Menschen, die jetzt schon zehn bis zwölf Wochen in Kurzarbeitergeld sind, müssen bis zu 40 Prozent Einkommensverlust in Kauf nehmen. Das werden viele nicht schaffen. Das wird sozial extrem anstrengend. Deshalb gibt es auch Punkte, da sind klare Fehler gemacht worden, beispielsweise bei der Lockerung der Arbeitszeitgesetzgebung. Das geht aus meiner Sicht gar nicht.

Wie bereitet sich der DGB eigentlich gerade auf die Zeit nach Covid-19 vor, wenn das Geld knapper wird und die Verteilungskämpfe anstehen?

Wir haben eine stabile Mitgliederschaft. Für uns wird es darauf ankommen, dass dieser Verteilungskonflikt, den Sie ansprechen, nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Wir hören ja jetzt schon wieder die Botschaft, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss. Das halte ich für Unfug. Deutschland ist eine der reichsten Volkswirtschaften und wir haben gesehen, dass wir mit den Rettungsschirmen die Unternehmen schützen bzw. retten. Jetzt brauchen wir aber auch Geld, um Beschäftigung und Menschen zu unterstützen, damit es keine soziale Schieflagen gibt.

Das Interview führte radioeins-Moderator Marco Seiffert.

Bei dem Text handelt es sich um eine redigierte und gekürzte Fassung. Das vollständige Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Radioeins, 30.04.2020, 07:40 Uhr

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