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Video: rbb|24 | 10.04.2020 | Material: Abendschau | Quelle: rbb

Fridays for Future können nicht demonstrieren

Klimastreik auf Eis

Im vergangenen Jahr haben Fridays for Future Zehntausende Menschen auf die Straße gebracht, jetzt ist es still um die Bewegung geworden. Der Straßenprotest ist qua Gesetz verstummt, nur online geht der Klimastreik weiter. Was sind die Strategien?

Straßendemonstrationen sind das "täglich Brot" für Fridays for Future. So formuliert es Luisa Neubauer von FFF Deutschland in einem Essay für Stern.de. Viel Aufmerksamkeit erntete die Bewegung zum Beispiel am 20. September mit 270.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor.

Jetzt wird gefastet. Fridays for Future können sich im Moment nur von ihrer eigenen Filterblase in den sozialen Medien ernähren. Ihr Hashtag #netzstreikfürsklima werde eben hauptsächlich von den eigenen Anhängern wahrgenommen, so sehen es die Berliner Aktivistinnen Josi Hübner und Clara Mayer.

Weitere Infos

Autofahrer und Fußgänger

So hat sich der Berliner Verkehr in den letzten Tagen verändert

    

Der Frust überwiegt

Wer die Corona-Krise für seine politischen Ziele instrumentalisieren würde, kann sich ganz tief ins eigene Fleisch schneiden.

Was sollen die Klimaaktivisten auch sagen? Seht her, kaum noch Flugzeuge am Himmel, viel weniger Autos auf der Straße, nur hier und da Qualm aus den Schornsteinen der Fabriken. Seht her, so erholt sich die Natur während eines Lockdowns: saubere Gewässer in Venedig, weniger Stickoxid in der Berliner Silbersteinstraße, kaum Smog über Wuhan.

Das sagen Neubauer, Mayer und Hübner aber nicht. Der Preis der Gesundheit, der Wirtschaft und des Soziallebens ist viel zu hoch, um so zu argumentieren. Und ohnehin überwiegt der Frust.

Zwei statt zehntausende Mitstreiterinnen

Erinnerungen an damals, 2019: "Es war das Rausbrüllen. Wir hatten unsere Megaphone, wir hielten unsere Plakate hoch. Wir brüllten in die Menge, und das löste so viel von unserer Wut, von unserem Stress." Clara Mayer kommt zum rbb-Termin vors Brandenburger Tor, wo jetzt fast schon die Steppenhexen wie im Westernfilm umwehen, so leer ist es. Und sie bringt zwei, statt zehntausende Mitstreiterinnen mit. Und selbst das ist – rechtlich gesehen – eigentlich schon zu viel.

Jetzt säßen sie sonst alle zu Hause, manche bei sich auf dem Sofa mit Plakat in der Hand, Selfie, dann Upload auf Twitter. "Wir versuchen, mit dem Netzstreik ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen, das ist ganz gut für uns. Aber politische Einflussnahme haben wir damit nicht. Es sieht halt niemand", sagt Josi Hübner.
 

Hintergrund

Nur wenige Ausnahmen

Demonstrationsrecht in Berlin stark eingeschränkt

   

politisch-korrekt und politisch-direkt

Politisch-korrekt haben sie Verständnis für die Maßnahmen und bekräftigen ihre Klimaschutz-Forderungen, ohne aber jemanden in die Pfanne zu hauen – schon gar nicht in Verbindung mit den Corona-Maßnahmen.

Politisch-direkt argumentiert dagegen Lisa Neubauer für Fridays for Future Deutschland. Sie gibt seit Tagen Interviews in den überregionalen Medien oder schreibt Essays. Ihre Kernaussagen:

- Statt dem Klima zu nutzen, könnte die Corona-Krise dem Klima letztlich mehr schaden – wenn danach die Wirtschaft wieder auf Hochtouren läuft und Gelder zur Belebung der Konjunktur nicht auch klimapolitisch eingesetzt würden.
- Die Coronakrise zeige: Wenn Gesellschaft und Politik es wirklich wollen, kann auf die Wissenschaft gehört und entschlossen gehandelt werden.
- Wie die Jungen jetzt für die Alten mitdenken und verzichten, sollen ältere Menschen nach der Krise die Jungen mitdenken

Im großen Informationskuchen sind die Thesen und Forderungen von Luisa Neubauer und den anderen FFF-Aktivisten nur Info-Krümel; so wie Aktionen, Werbung und Aufrufe von anderen Akteuren, denen es in der Aufmerksamkeitsökonomie ums wirtschaftliche Überleben geht, und zwar heute und jetzt.  

FFF müssen die Luft anhalten

Die Situation von Fridays for Future ist letztlich auf jede andere Bewegung und jeden anderen Protest übertragbar, der oder die jetzt nicht auf der Straße geht.

Für die Klimaaktivisten ist die Situation jedoch besonders paradox: Die Natur kann ein wenig aufatmen, zu einem extrem hohen Preis für Wirtschaft und Gesellschaft. Doch Fridays for Future müssen erstmal die Luft anhalten.
 

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