rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Quelle: dpa/Tack

Berliner Verwaltung im Home-Office

Mit dem behördlichen Aktenstapel am Küchentisch

Schon vor der Corona-Krise haperte es bei der Berliner Verwaltung mit der IT-Infrastruktur. Das rächt sich jetzt. Nur ein Bruchteil der Beschäftigten kann im Home-Office auf Bürodaten zugreifen. Einige Anträge verzögern sich. Von Jenny Barke

Wenn Angestellte wegen des Coronavirus nicht mehr ins Büro gehen, muss das Büro eben zu den Angestellten ins Home-Office. Die Berliner Verwaltung stellt das allerdings vor große Herausforderungen: Die Beschäftigten arbeiten teils mit sensiblen Daten - aber die liegen oft gut abgeheftet in der Behörde.

Doch nur etwa 20 Prozent der Mitarbeitenden dürfen nach Pandemieplan offiziell die Gebäude betreten. Der Rest soll im Home-Office bleiben, aus Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus.

Die Zusammenarbeit werde dadurch aktuell stark ausgebremst, sagt Bernd Schlömer. Der FDP-Politiker ist Sprecher seiner Partei für die Digitalisierung und mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen in der Verwaltung vertraut. "Folgendes Szenario zeigt sich: Da bekommt der Referatsleiter in der Krise einen Dienst-Laptop mit nach Hause. Seine Mitarbeiter müssen sich dann die Präsenzzeit aufteilen, also zum Beispiel arbeitet ein Team von Montag bis Mittwoch, das andere Donnerstag und Freitag", sagt Schlömer.

Mehr zum Thema

Fehlende Genehmigungen in Coronakrise

Bauwirtschaft fordert vereinfachtes Genehmigungsverfahren

Sichere Verbindung in Behörde nur für ein Zehntel der Mitarbeiter möglich

Doch ganz reibungslos funktioniere das nicht, sagt der FDP-Politiker. Im Home-Office könnten die Beschäftigten nur sehr eingeschränkt arbeiten. Denn es fehle beispielsweise an Arbeits-Laptops, die nun in der Krise auch nicht einfach nachbestellt werden können. "Der Markt ist komplett leergefegt", sagt Schlömer.

Auch das leidige Thema der E-Akte holt die Verwaltung in der Krise wieder ein. Nur ein Bruchteil der Daten ist digitalisiert. Doch vor allem fehlen sogenannte Virtual Private Network, kurz VPN-Tunnel. Diese Netzwerke ermöglichen eine Verbindung mit dem Dienstrechner im Büro.

Aus einer schriftlichen Anfrage des Digitalisierungsexperten Schlömer geht hervor, dass aktuell nur etwa zehn Prozent der in der Verwaltung tätigen Arbeitnehmer im Homeoffice auf diese VPN-Tunnel zugreifen können. Es handelt sich um 2.500 VPN-Tunnel - für zehn Mal so viele Mitarbeiter. Die Folge: Viele Anträge der Bürger bleiben liegen.

Zuerst hatte der "Tagesspiegel" darüber berichtet [tagesspiegel.de]

Bauanträge werden nur schleppend bearbeitet

Darunter leidet auch die Baustadträtin Sabine Weißler (Bündnis 90/Die Grünen) vom Bezirksamt Mitte. In der ihr unterstehenden Straßenverkehrsbehörde könnte ihrer Schätzung nach nur ein Drittel der normalerweise ausgestellten Ausnahmegenehmigungen bei Bauanträgen digital bearbeitet werden, also derzeit nur etwa 200 bis 400 Anträge statt wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres rund 1.300 bis 1.500 Anträgen.

"Wir können diesen Vorgang nur teilweise digital erledigen, oft muss die Akte aber in die Hand genommen werden", sagt Weißler. Dabei habe das Bezirksamt Mitte schon berlinweit die meisten VPN-Verbindungen, doch es reiche hinten und vorne nicht. Das mache sich jetzt beim Antragsteller bemerkbar, also unter anderem bei Bauunternehmen - die jetzt bei leeren Straßen besonders gut bauen könnten, aber nicht mehr so schnell wie im Normalfall damit beginnen können. 

Mehr zum Thema

Keine finanziellen Nachteile für Kunden

So passt sich die Arbeitsagentur an die Corona-Krise an

   

"Im bundesweiten Vergleich sind wir überhaupt nicht hinten dran."

Und auch die 2.500 Beschäftigten mit VPN-Tunnel können im Homeoffice nur mühsam arbeiten: Wenn sich alle gleichzeitig einwählen, ist das System überlastet. Dass derzeit die Effizienz leidet, weiß auch Daniela Ortmann, Vorsitzende des Hauptpersonalrats für den öffentlichen Dienst. "Wir können es derzeit nicht mehr ändern. Die 15 Sparjahre haben auch bei der Digitalisierung nicht Halt gemacht. Wir haben so lange gespart bis es quietscht und kracht", kritisiert sie.

Doch sie findet auch Lob für die Digitalisierungsschritte in der Berliner Verwaltung: "Im bundesweiten Vergleich sind wir überhaupt nicht hinten dran." Und seit 2016 werde auch die Digitalisierung vorangebracht - das ließe sich aber nicht von heute auf morgen umsetzen und die Krise sei der Verwaltung in die Quere gekommen. Sie empfiehlt den Beschäftigten, die VPN-Verbindungen in Randzeiten zu nutzen. Andere Möglichkeiten seien in der Krise so schnell nicht zu schaffen. Ein Vorschlag, den Schlömer von der FDP nach eigener Aussage nicht für sinnvoll hält: "Wir können die Mitarbeiter schlecht dazu zwingen, von 22 Uhr abends bis vier Uhr morgens zu arbeiten, weil die Bandbreite fehlt."

Bezirksämter werden analog erfinderisch

Weil mehr digitales Arbeiten in diese Krise nicht vorangebracht werden kann, werden die Bezirksämter erfinderisch: Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat auf Notbetrieb umgestellt, das heißt, die Beschäftigten nehmen sich die Akten mit ins Home-Office.

Tempelhof-Schöneberg, bisher kaum mit VPN-Zugängen ausgestattet, hat einen Schichtdienst eingeführt, nur die Hälfte des Personals arbeitet damit immer gleichzeitig im Büro. Doch alle angefragten Bezirke betonen: Eine Langzeitlösung könne das nicht sein. Sie wünschten sich dringend, dass die Digitalisierung nach der Corona-Krise vorangetrieben werde.

Sendung: Inforadio, 08.04.2020,  

Beitrag von Jenny Barke

Artikel im mobilen Angebot lesen