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Quelle: imago-images/Andreas Gora

ARD-Mittagsmagazin

Studie belegt höheres Corona-Risiko für Ärmere

Sozial Benachteiligte wie Langzeitarbeitslose haben in Deutschland ein deutlich erhöhtes Risiko, mit einer Corona-Erkrankung ins Krankenhaus zu kommen. Das zeigt eine bislang unveröffentlichte Studie, über die das ARD-Mittagsmagazin berichtet.

ALG II-Empfänger haben ein stark erhöhtes Risiko, mit einer Covid-19-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert zu werden. Das zeigt erstmals eine Auswertung von Versichertendaten für das ARD-Mittagsmagazin. Im Vergleich zu Erwerbstätigen in regulärer Beschäftigung ist das Risiko für ALG II-Empfänger demnach um 84,1 Prozent erhöht, dass sie wegen COVID-19 ins Krankenhaus kommen. Für ALG I-Empfänger liegt das Risiko um 17,5 Prozent höher.  

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Daten von 1,3 Millionen Versicherten ausgewertet

Für die Analyse hat das Institut für Medizinische Soziologie des Uniklinikum Düsseldorf gemeinsam mit der AOK Rheinland/Hamburg die Daten von knapp 1,3 Millionen Versicherten daraufhin untersucht, ob Menschen in Arbeitslosigkeit (ALG I und ALG II) häufiger mit einer Corona-Infektion in einem Krankenhaus behandelt werden mussten als erwerbstätige Versicherte (Untersuchungszeitraum 01. Januar bis 04. Juni 2020). Bisher sei der sozio-ökonomische Hintergrund von Corona-Patienten weltweit kaum so detailliert untersucht worden, so die Forschenden.

"Diese explorative Analyse soll der Auftakt für weiterführende Forschung zur sozialen Dimension der COVID-19 Pandemie sein", sagt der verantwortliche Autor Prof. Nico Dragano von der Uniklinik Düsseldorf. "Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, wäre dies ein weiterer Beleg für ausgeprägte soziale Unterschiede bei Erkrankungen in Deutschland."

"Es braucht einen politischen Plan"

Das Bundesgesundheitsministerium wollte die bisher noch unveröffentlichten Untersuchungsergebnisse auf Anfrage des ARD-Mittagsmagazins nicht kommentieren, erklärte aber: "Generell ist es der Bundesregierung ein Anliegen, alle Bürgerinnen und Bürger vor einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen und zugleich dafür zu sorgen, dass Infizierte bestmöglich behandelt werden können." Zudem habe auch das Robert Koch-Institut den Einfluss des sozialen Status auf die Gesundheit und Lebenserwartung im Blick.

Dragano sagt dagegen: "Dieses erhöhte Risiko wurde bisher nicht ausreichend beachtet und es braucht einen politischen Plan damit umzugehen". Um sozial benachteiligte Menschen gezielt vor dem erhöhten Risiko zu schützen, fordert er ein umfassendes Konzept, das neben dem Gesundheitssystem auch die Sozial- und Bildungspolitik miteinschließt.

Ähnliche Ergebnisse aus anderen Ländern

Für Deutschland hatte es bisher keine belastbaren Ergebnisse aus Studien gegeben, die einen Zusammenhang zwischen dem Erkrankungsrisiko sowie dem Verlauf der Erkrankung und sozio-ökonomischen Faktoren belegen könnten.

Untersuchungen aus England und den USA zeigen, dass Menschen mit geringer Bildung und niedrigem Einkommen ein höheres Risiko haben, an Covid-19 zu sterben. So liegt zum Beispiel in England die Todesrate pro hunderttausend Einwohner bei Männern in ärmeren Vierteln bei 76,7 Toten. Das ist mehr als doppelt so hoch wie in besser gestellten Vierteln (35,9).

Sendung: ARD-Mittagsmagazin, 15.06.2020, 13.00 Uhr

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