rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Audio: Radioeins | 03.08.2020 | Johannes Fechner (SPD) im Interview | Quelle: dpa/C. Soeder

Nach Anti-Corona-Protest in Berlin

Politiker fordern schnellere Demo-Auflösung und Obergrenzen

Hätte die Polizei die Demo von Corona-Leugnern am Samstag früher auflösen müssen? Und sollte man solche Demonstrationen überhaupt zulassen? Über diese Fragen wird jetzt kontrovers diskutiert. Die Innenverwaltung sieht keinen Fehler im Verhalten der Polizei.

Die aufgelöste Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Wochenende in Berlin hat heftige Diskussionen ausgelöst. Der innen- und rechtspolitische Sprecher der Berliner Grünen, Benedikt Lux, forderte am Montag im rbb ein hartes Vorgehen gegen Anmelder und Teilnehmer.

Sollten sich dieselben Leute noch einmal versammeln und wieder vorsätzlich nicht an die Hygiene-Auflagen halten, müsse schnell gehandelt werden, sagte Lux am Montagmorgen dem rbb-Radiosender 88.8. Dann habe man eine sehr gute Grundlage, um Platzverweise zu erteilen, Teilnehmer auszuschließen und nach sehr kurzer Zeit die Versammlung aufzulösen.

Generell sei es aber sehr schwer, Demonstrationen vorab zu verbieten, so Lux weiter, und bei "sehr, sehr hohen Gesundheitsgefahren gibt es noch keine gefestigte Rechtsprechung". Der Staat müsse erst einmal versammlungsfreundlich handeln, also im Sinne der Meinungsfreiheit und Demokratie. Es habe auch ein Hygienekonzept des Veranstalters vorgelegen.

Innenverwaltung: Polizei hat angemessen gehandelt

Die Senatsinnenverwaltung wies am Montag Kritik am defensiven Verhalten der Polizei während der Demo zurück. Die Polizei habe professionell und angemessen agiert. "Sie hat nicht zu spät eingegriffen", sagte Sprecher Martin Pallgen. "Wenn man 20.000 Menschen, die sich teilweise verbal aggressiv und ablehnend verhielten, ohne polizeiliche Gewalt auflösen will - was der richtige Weg der Deeskalation gewesen ist - dann dauert das etwas länger", fügte Pallgen hinzu.

"Per se im Vorfeld Demonstrationen zu verbieten", sei nicht möglich, wenn es keine Hinweise auf strafbare Aktionen gebe, die von der Versammlung ausgehen könnten, betonte Pallgen.


Mehr zum Thema

Protest und Gegenprotest in Berlin

Kundgebung der Corona-Leugner am Brandenburger Tor aufgelöst

Pau kritisiert Zurückhaltung der Berliner Polizei

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) hatte bereits am Sonntagabend in der rbb-Abendschau die Polizei kritisiert. Die Einsatzkräfte hätten gleich zu Beginn der Protestaktion die Auflagen durchsetzen müssen, sagte sie. Das Demonstrationsrecht sei zwar ein hohes Gut, das müsse auch in Zeiten der Pandemie gelten. Dazu gehöre aber auch, dass man Hygiene-Regeln einhalte, so Pau. Außerdem seien verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden und zum Hass gegen Juden und gegen Menschen mit anderer Hautfarbe aufgerufen worden.

Auch die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken hatte am Sonntagabend in der Tagesschau kritisiert, die Demonstration hätte früher aufgelöst werden müssen. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, nahm dagegen die Berliner Polizei und auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) in Schutz. Auch er verwies darauf, dass die Demonstration genehmigt worden sei, weil ein Hygienekonzept des Veranstalters vorgelegen habe. Daran hätten sich aber die Teilnehmer nicht gehalten.

Fechner forderte am Montagmorgen im Interview mit der rbb-Radiowelle Radioeins Obergrenzen bei Teilnehmerzahlen für Demonstrationen, sobald sich abzeichne, dass sich der Teilnehmerkreis nicht an die vom Anmelder zugesagten Hygienemaßnahmen halten werde. "Man wird das in Zukunft bestimmt beschränken", so Fechner. Auch höhere Bußgelder sollten gegen alljene verhängt werden, die bei der Demonstration die Corona-Maßnahmen ignoriert hätten. "Mit einem zweistelligen Bußgeldbetrag ist es hier nicht getan", so Fechner.

Mehr zum Thema

SPD-Chefin

Esken: Corona-Demo in Berlin hätte früher aufgelöst werden können

Auch Deutscher Städtetag fordert Bußgelder

Ähnlich sieht die Reaktion der CDU aus: Großdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sollten nach Ansicht des CDU-Innenexperten Armin Schuster nur noch unter sehr strengen Auflagen oder gar nicht mehr genehmigt werden. Solche Protestaktionen seien eine Gefahr für die Allgemeinheit, sagte Schuster der "Rheinischen Post".

Auch der Deutsche Städtetag sprach sich dafür aus, hart gegen Demonstranten vorzugehen, die die Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht einhalten. Zwar sei das Demonstrationsrecht ein hohes Gut, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy (SPD) den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Montag). "Aber aus Demonstrationen heraus dürfen sich nicht neue Corona-Hotspots entwickeln." Dedy nannte es unverantwortlich, auf engem Raum die Regeln und Auflagen nicht einzuhalten. Deshalb müssten Bußgelder verhängt werden.

Mehr zum Thema

Demo Corona-Leugner am Samstag

Westdeutsche "Querdenker" vereinigen sich mit Pegida

Polizei löste Versammlung am frühen Abend auf

Am Samstag hatten nach Polizeiangaben rund 20.000 Menschen gegen die Corona-Regeln demonstriert. Die meisten trugen keine Masken und hielten nicht genügend Abstand.

Da bereits während der Demonstration die Hygiene-Regeln ignoriert wurden, stellte die Polizei Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung. Der erklärte den Demonstrationszug am Samstagnachmittag selbst für beendet. Da auch auf der anschließenden Kundgebung viele Demonstranten weder die Abstandsregeln einhielten noch einen Mund-Nase-Schutz trugen, löste die Polizei diese Versammlung am frühen Abend auf.

Sendung: rbb 88.8, 03.08.2020, 07:50 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen