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Video: rbb|24 | 07.09.2020 | Quelle: dpa/Sebastian Gabsch

Eilantrag erfolgreich

Gericht: Pop-up-Radwege in Berlin sind nicht rechtens

Die temporären Radwege, die während der Corona-Krise in Berlin errichtet wurden, sind nach einer Gerichtsentscheidung rechtswidrig. Es gebe "ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit" - Schilder und Markierungen müssten entfernt werden. Der Senat will dagegen vorgehen.

Das Berliner Verwaltungsgericht hat einem Eilantrag gegen sogenannte Pop-up-Radwege in der Hauptstadt stattgegeben. Wegen "ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit" für acht temporäre Radwege verpflichtete das Gericht die Verkehrssenatsverwaltung am Montag, die entsprechende Beschilderung und Fahrbahnmarkierungen zu entfernen. Die Voraussetzungen für die Einrichtung der Radwege in der Corona-Pandemie hätten nicht vorgelegen, hieß es.

Laut Gericht müssen nun diese Radwege weichen:

- Gitschiner Straße/ Skalitzer Straße zwischen Halleschem Tor und Kottbusser Straße

- Hallesches Ufer zwischen Halleschem Tor und Köthener Straße

- Kottbusser Damm/Kottbusser Straße zwischen Kottbusser Tor und Hermannplatz

- Lichtenberger Straße zwischen Holzmarktstraße und Straußberger Platz

- Petersburger Straße zwischen Bersarinplatz und Landsberger Allee

- Tempelhofer Ufer zwischen Schöneberger Straße und Halleschem Tor

- Schöneberger Ufer zwischen Potsdamer Brücke und Köthener Straße

- Kantstraße und Neue Kantstraße zwischen Messedamm und Budapester Straße

Senat legt Beschwerde ein

Am Montagnachmittag hat die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) angekündigt, Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts einzulegen und zugleich eine aufschiebende Wirkung dieser Beschwerde beantragt.

Demnach heißt es, es stünden grundsätzliche Fragestellungen im Raum, die das Verwaltungsgericht in seiner Eilentscheidung aus Sicht der Senatsverwaltung nicht hinreichend gewürdigt hat. Die Pop-up-Radwege seien rechtmäßig angeordnet und nach den Erfordernissen der Straßenverkehrsordnung begründet.

"Im Übrigen ist kein anderer Verkehrsteilnehmender in seinen Grundrechten verletzt, wenn Radwege angeordnet werden", schreibt die SenUVK in einer Mitteilung [berlin.de]. Es werde derzeit davon ausgegangen, dass die Radwege bestand haben werden.

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Unternehmensverbände: Pop-up-Radwege schaden der Wirtschaft

Die Unternehmensverbände (UVB) Berlin-Brandenburg begrüßten das Urteil. Die Pop-up-Radwege hätten der Berliner Wirtschaft geschadet, sagte UVB-Geschäftsführer Sven Weickert am Montagabend im rbb. Es fehlten den Unternehmen Lieferzonen. "Wir sehen das zum Beispiel bei der Kantstraße, dass dort Geschäfte nicht mehr beliefert werden können, weil die Lieferzonen weggefallen sind", so Weickert.

Angesprochen auf die Pläne der Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther (B´90/Die Grünen) eine City-Maut von – wie die B.Z. berichtet - fünf bis acht Euro pro Tag einzuführen, entgegnete Weickart, dass die Unternehmer diese Kosten an den Kunden weitergeben werden würden, denn !wenn dann ein Handwerker bei Ihnen den Wasserhahn auswechselt, ist das acht Euro teurer." Zudem würde eine City-Maut dazu führen, dass Autofahrer auswichen, so Weickert im rbb Abendschau-Interview, "wir haben dann sozusagen eine Innenstadt, die leerer ist, und wir haben die Außenbezirke, die unter der zukünftigen Verkehrsbelastung stöhnen."

 

Senatsverwaltung hat "Gefahrenlage" nicht dargelegt

Die Senatsverwaltung von Verkehrssenatorin Günther hatte die gelb markierten Radwege in der Corona-Krise in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Charlottenburg-Wlimersdorf einrichten lassen. Das Ziel war den Angaben zufolge, den öffentlichen Nahverkehr zu entlasten und damit das Ansteckungsrisiko in Bahnen und Bussen zu senken.

Laut Gericht gab Günther zur Begründung im Wesentlichen an, in der Pandemie sei es erforderlich, die systemrelevante Mobilität zu gewährleisten. Dass ein Großteil der Berliner kein Auto habe und der Mindestabstand in öffentlichen Verkehrsmitteln kaum einzuhalten sei, rechtfertige die Einrichtung der Radwege.

Das Gericht beschied nun, die Senatsverwaltung könne zwar befristete Radwege einrichten. Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo die Sicherheit und Belastung des Verkehrs "ganz konkret auf eine Gefahrenlage" hinwiesen und die Anordnung damit zwingend erforderlich sei. Eine solche Gefahrenlage habe die Senatsverwaltung nicht dargelegt.

Pandemie reicht nicht als Anlass für Anordnung

Auch könne die Pandemie nicht zum Anlass der Anordnungen genommen werden, da es sich dabei nicht um "verkehrsbezogene Erwägungen" handle.

Geklagt hatte im Juni ein Abgeordneter der AfD gegen die kurzfristige Einrichtung von acht neuen Radwegen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss ist Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

AfD-Verkehrsexperte Frank Scholtysek sagte, die Gerichtsentscheidung sei "ein Sieg der individuellen Mobilität gegen den Autohass". Man freue sich, dass die "rechtswidrigen Barrikaden sofort abgebaut und die Straßen wieder frei gemacht" würden.

CDU-Landeschef Kai Wegner erklärte, die Verkehrssenatorin habe sich bis auf die Knochen blamiert. Sein Fraktionskollege Oliver Friederici nannte das Urteil ein "Fiasko" für Günther. Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion sagte, der Senat müsse nun jeden einzelnen Radweg noch einmal prüfen. Und nur, wenn "dieser wirklich zur Verbesserung des Verkehrsflusses und zur Beseitigung von Gefahrenlagen" beitrage, dürfe er verstetigt werden.

Senat wollte Radwege dauerhaft einrichten

Ende Mai hatte es noch aus der Senatsverwaltung geheißen, sie wolle die zunächst nur temporär angedachten Pop-up-Radwege in dauerhafte Radwege umgewandeln. Die derzeit mit Warnbaken und gelber Baustellenmarkierung provisorisch gesicherten Radstreifen sollten daher bis zum Jahresende so gestaltet werden, dass sie dauerhaft genutzt werden können.

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Sendung: Inforadio, 07.09.2020, 11:19 Uhr

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